Die «Internationale Theologische Sommerakademie» ist eine jährlich stattfindende Initiative des Linzer Priesterkreises, ab 2023 in Zusammenarbeit mit der Kardinal-Scheffczyk-Gesellschaft e. V. Sie ist nach eigener Aussage bemüht, «auf hohem Niveau in möglichst verständlicher Sprache aktuelle wie grundlegende Fragen der Theologie in klarer Bindung an das Lehramt der Kirche zu behandeln und so die Wahrheit der Offenbarung den Menschen von heute verständlich zu machen».
Das Thema der diesjährigen Tagung war «Das Salz der katholischen Wahrheit». Das Thema wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten behandelt. So zeigte der ehemalige Professor für Kirchengeschichte des Altertums, Patrologie und Christliche Archäologie an der Theologischen Fakultät Trier, Michael Fiedrowicz, auf, dass die Christen im zweiten Jahrhundert als «Inseln der Wahrheit» bezeichnet wurden. Im Römischen Reich wurden verschiedene Götter angebetet, was später schrittweise in den Kaiserkult als Staatsreligion mündete. Obwohl die Bürger wussten, dass der Kaiser kein Gott war, opferten sie ihm, um ihre Bürgerpflicht zu erfüllen – es bestand eine grosse Diskrepanz zwischen Glauben und Tun. Die einzigen, die sich für die Wahrheit einsetzten, waren die Christen, die auch bereit waren, für die Wahrheit ihr Leben einzusetzen.
Tradition und Neuerungen
P. Dr. Johannes Nebel FSO, Leiter des Leo-Scheffczyk-Zentrums in Bregenz, untersuchte in seinem Vortrag den Zusammenhang von Tradition und Lehrentwicklung. Papst und Bischöfe sind nicht nur Lehrer des überlieferten Glaubens, sondern auch Hirten und Zeugen in der Konfrontation mit den Herausforderungen der Zeit. Nach Kardinal Scheffczyk hat der Papst dafür Sorge zu tragen, dass die Apostolische Sukzession nicht nur materiell eingehalten wird (gültige Weihe), sondern auch formell in der Bewahrung des Glaubens der wahren Lehre. Die Apostolische Sukzession darf nie dem Druck von Interessengruppen oder staatlicher Macht preisgegeben werden. «Das Evangelium ist vor allem immer so zu verkünden, dass sein Verständnis transparent bleibt für die Kontinuität der Apostolischen Tradition.» P. Nebel erinnert an Paulus, der das Zentrum seiner Verkündigung – die Osterbotschaft – mit den Worten einleitet: «Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe» (1 Kor 15,3). Der Apostel Johannes schreibt: «Was ihr von Anfang an gehört habt, soll in euch bleiben; wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, dann werdet auch ihr im Sohn und im Vater bleiben (1 Joh 2,24).
Das Traditionsprinzip ist bereits im Neuen Testament ein entscheidendes Kriterium der Treue zur Wahrheit. Die Zeitumstände ändern sich ständig. Wir glauben, dass der Heilige Geist die Kirche durch diese Änderungen führt – und dabei nicht nur durch Glieder der Hierarchie, sondern durch alle Gläubige wirkt, in manchen in besonderer Weise wie z. B. Heilige, Ordensgründerinnen oder grosse Theologen. «Das Licht, das solchen Personen geschenkt wird, muss auch vor die Hierarchie gebracht und von ihr geprüft werden, damit es mit der Kontinuität der Tradition verbunden wird.» Das Neue bereichert und befruchtet die Tradition. P. Johannes Nebel weist darauf hin, dass es sich um einen Prozess handelt, der aus vielen Einzelschritten besteht, der also nie eine abrupte und verunsichernde Wirkung hat. Auch Irrlehren können sich positiv für die Kirche erweisen, indem durch die Auseinandersetzung mit ihnen die Wahrheit des Glaubens klarer und oft auch differenzierter herausgearbeitet wird.
In neuerer Zeit geschieht es häufiger, dass manche Vertreter der Hierarchie Neues nicht als Ergebnis einer langen Prüfung, sondern aus eigener Initiative einbringen und so den Gang der Tradition durch ein entsprechendes Dekret in eine neue Richtung lenken. Schwierig wird es dann, wenn diese «Art kirchlicher Leitungsausübung das Fortbestehen der Kontinuität nur mit dem Verweis auf die gültige Apostolische Sukzession begründen kann».
In der langen Geschichte des Christentums hat es selbstverständlich immer wieder Umbrüche und Zäsuren gegeben – diese sind in der Regel aber durch äussere Einflüsse wie Kriege, Verfolgung oder Zerstörung erfolgt. Davon zu unterscheiden sind Zäsuren und Umbrüche, welche die Kirche aus einer bestimmten Zeit- und Selbstdeutung von innen her in sich bewirkt. Dazu zählen beispielsweise Änderungen in der Liturgie oder den Umgang der Kirche mit Andersdenkenden.
P. Nebel verweist auf die einheitliche heilsgeschichtliche Perspektive von Kardinal Scheffczyk: Wenn die Welt vom Vater durch den Sohn geschaffen ist – der Sohn also Schöpfungsmittler ist – dann darf auch die ursprüngliche Begnadung des Menschen vor dem Sündenfall als Gnade des Sohnes aufgefasst werden. «So ergibt sich ein kohärenter heilsgeschichtlicher Bogen vom paradiesischen Urstand zu jener Gnade und Wahrheit, die Jesus Christus als Erlöser gebracht hat und in der er sich bei der Vollendung der Heilsgeschichte als Haupt der ganzen Schöpfung erweisen wird.» Auf diesem Hintergrund kann die Tradition grundsätzlich als Kanal der Lebenskraft des Christusmysteriums verstanden werden. Die Worte des Paulus «Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe» sind so gesehen nicht nur ein innerkirchlicher Vorgang der Apostolische Überlieferungen, sondern «spiegeln auch ein umfassendes, die gesamte Weltzeit umspannendes göttliches Gesamtmysterium».
P. Johannes Nebel versinnbildlichte das Gesagte am Bild des Schlosses des Himmelstors und dem Schlüssel des Petrus: Gott ändert das Schloss des Himmelstores (Christusmysterium) nicht. Am Schlüssel Petri (als Bild für alles Innerweltliche) können Modifikationen vorgenommen werden, damit der Schlüssel leichter gedreht werden kann, aber er muss weiterhin in das unveränderbare Himmelsschloss, also in das System der heilsgeschichtlichen Gesamttradition hineinpassen. Im Umgang der Kirche mit ihrer Tradition geht es um die göttliche Lebenskraft. Nur in ihr liegt wirkliche Zukunft.
«Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte!» (1 Kor 5,13)
Doch wie geht man mit Menschen um, welche die Wahrheit ablehnen? Manfred Hauke, Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Lugano, wies darauf hin, dass die Strafdisziplin einerseits die «Erfordernis der Liebe gegenüber der Kirche, der christlichen Gemeinschaft und der eventuellen Opfer ist», aber auch gegenüber dem Täter, der «zusammen mit der Barmherzigkeit auch der Korrektur von Seiten der Kirche bedarf». Der Jesuit Petrus Huizing (1911–1995) hatte erklärt, dass es aufgrund der Religionsfreiheit keinen Zwang geben dürfe. Dieser Ansatz ist problematisch, da er die Ausrichtung auf das Gute nicht berücksichtigt. Das Zweite Vatikanum hat entsprechend in seiner Erklärung zur Religionsfreiheit erklärt, dass sich diese «auf die Freiheit von Zwang in der staatlichen Gesellschaft bezieht», aber «die überlieferte katholische Lehre von der moralischen Pflicht der Menschen und der Gesellschaften gegenüber der wahren Religion und der einzigen Kirche Christi unangetastet» lässt (vgl. Einleitung «Dignitatis humanae»). Die Kirchenstrafen betreffen dann auch nicht den Glaubensakt an sich, sondern die Beziehung zur Gemeinschaft der Kirche.
Gemäss Thomas von Aquin sollen durch eine Strafe die von der Gerechtigkeit verlangte Gleichheit wiederhergestellt und eine Besserung des Sünders erwirkt werden.
Jesus selbst hat das Gericht verkündigt: «Denn wer sich vor dieser treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommt» (Mk 8,38).
Ein Sünder soll zunächst unter vier Augen zurechtgewiesen werden. Wenn er sich nicht ändert, soll die Angelegenheit durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werde. «Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde! Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner» (vgl. Mt 18,15f). Prof. Hauke arbeitete heraus, dass die Exkommunikation die Rettung des Ausgeschlossenen zum Ziel hat.
Liebe ist nicht Liebe
Beeindruckend war auch das Referat von Stephan Kampowski, Professor für philosophische Anthropologie am «Päpstlichen Institut Johannes Paul II. für Studien über Ehe und Familie» in Rom, das unter dem Thema stand «Im Licht des Glauben: heute die Liebe leben». Der Mensch ist für die Liebe geschaffen. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, dass wir lieben, sondern was und wie wir lieben. Geht es uns um die wahre Liebe? Es war Prof. Kampowski ein grosses Anliegen, auf den assistierten Suizid zu sprechen zu kommen. Er übernahm von Thomas von Aquin drei Punkte, die gegen den Selbstmord sprechen[1]:
Erstens: Der Mensch hat die natürliche Neigung, sein Leben zu erhalten. Wer sich töten will, liebt sich nicht aufrichtig.
Zweitens: Der Menschen gehört nicht einfach sich selbst, sondern ist Teil einer Gemeinschaft, der er durch den Selbstmord Unrecht zufügt. Unser Leben berührt andere, ob wir wollen oder nicht. Unser Suizid impliziert ein negatives Urteil über die anderen: Diese lieben uns nicht genug, weshalb wir keinen Grund zum Weiterleben haben.
Drittens: Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Wer sich tötet, sündigt gegenüber Gott, denn der Selbstmord ist ein Akt der Ablehnung Gottes.
Entsprechend ist es immer auch unsittlich, jemanden beim Selbstmord zu helfen.
Prof. Kampowski zitierte Robert Spaemann: Sobald der Selbstmord eine sozial akzeptierte und institutionell ausgestattete Möglichkeit ist, wird es sodann unvermeidlich sein zu verhindern, dass daraus die Pflicht wird, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, um den anderen nicht weiter zur Last zu fallen.
Man darf auf den Sammelband gespannt sein, in dem alle gehaltenen Vorträge enthalten sind. Doch nicht nur geistig war die Sommerakademie eine Tankstelle, sondern auch geistlich. Die Vorträge waren von Gebeten, Rosenkranz und Heiliger Messe begleitet. Die Pausen luden ein, das Gehörte zu diskutieren und zu vertiefen. Leider ist die «Internationale Theologische Sommerakademie» in der Schweiz wenig bekannt. Dabei wäre die Veranstaltung nicht nur für Priester oder Theologinnen und Theologen eine Bereicherung, sondern auch für theologisch interessierte Laien.
Die nächste «Internationale Theologische Sommerakademie» in Aigen findet vom 25. bis 27. August 2025 statt. Vorgesehenes Thema ist «Christus siegt». Dies aufgrund 1700 Jahre Konzil von Nicäa, 100 Jahre Christkönigsfest und Heiliges Jahr 2025. Link
[1] Prof. Kampowski wies explizit darauf hin, dass wir von aussen nie beurteilen können, wie viel Freiheit ein Mensch hatte, als er Selbstmord beging (Psychische Erkrankung, Angst, Druck usw.)
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