Pfarrer Paul Martone (www.raron.ch/kirche-pfarrei)

Kommentar

Spre­chen wir ver­mehrt über die Kraft des Lebens!

Kom­men­tar zur Volks­ab­stim­mung im Kan­ton Wal­lis über eine Sterbehilfe-​Pflicht in Alters– und Pflegeheimen

Das Walliser Stimmvolk hat sich am heutigen 27. November 2022 bei einer Stimmbeteiligung von lediglich 39% dafür entschieden, dass in Zukunft auch im Kanton Wallis alle Spitäler, Alters- und Pflegeheime verpflichtet sind, Beihilfe zum Suizid in ihren Räumlichkeiten zuzulassen. Das Oberwallis sagt mit 65 Prozent Ja, das Mittelwallis sagt mit 81 Prozent und das Unterwallis mit 78 Prozent Ja.

Bisher gab es im Oberwallis nur zwei Heime, die diesen begleiteten Suizid erlaubten. Der Bischof von Sitten, Msgr. Jean-Marie Lovey lehnte im Vorfeld dieser Abstimmung in einem Interview das neue Gesetz ab, da er der Überzeugung ist, dass die Freiheit ein hohes Gut sei, das es zu verteidigen gelte. Diese Freiheit, einen assistierten Suizid zuzulassen oder abzulehnen, hätte man auch den Spitälern, Alters- und Pflegeheimen zugstehen sollen. Nun werden sie dazu gezwungen.

Grundlegende Werte des christlichen Menschenbildes
Wenn sich ein Mensch aus freien Stücken heraus entscheidet, mit Hilfe einer Sterbeorganisation wie «Exit» aus dem Leben zu scheiden, so ist dieser Entscheid selbstverständlich zu respektieren, auch wenn wir ihn aus den verschiedensten Gründen nicht gutheissen oder akzeptieren können. Ich kann nicht die Person richten, die behauptet, nicht mehr leben zu wollen. Zudem muss das Geheimnis des Leidens immer mit grossem Respekt und tiefer Demut angegangen werden. Doch sowohl der persönliche Entscheid eines Menschen als auch die heutige Abstimmung berühren grundlegende Werte des christlichen Menschenbildes. Die Liebe Gottes schenkt dem Menschen die Freiheit das Leben bis zu seinem natürlichen Ende zu gestalten, doch darf er dieses Ende nicht selber herbeiführen. Grundsätzlich hat jeder Mensch ein Recht in Würde zu sterben, aber nicht, wann er es für richtig hält, sondern wann Gott es will. Unsere Zeit steht in seinen Händen. So hat unser Leben und Sterben letztlich etwas mit Gottes Willen und Plan – auch mit seinem Zeitplan – zu tun. Er hat uns das Leben geschenkt und er allein entscheidet, wann es zu Ende geht. Nicht ein Arzt, nicht der alte Mensch selbst und auch nicht die Angehörigen.

Hilfe beim Sterben
Sterbehilfe kann nur Lebenshilfe sein, die darin besteht, den Menschen in der letzten Phase seines Lebens, nämlich in seinem Sterben, menschlich zu begleiten. Ein assistierter Suizid hilft einem Menschen nicht beim Sterben, sondern er kommt dem Sterben eines Menschen zuvor. Es ist nicht Hilfen beim Sterben, sondern zum Sterben. Damit verhindert er, dass ein Mensch zu der ihm bestimmten Zeit seinen eigenen Tod sterben kann. Das heisst nicht, dass man jede Therapie um jeden Preis anwenden muss. Ausserordentliche oder zum erhofften Ergebnis in keinem Verhältnis stehende aufwändige und gefährliche medizinische Verfahren einzustellen, kann berechtigt sein. Man will dadurch den Tod nicht herbeiführen, sondern nimmt nur hin, ihn nicht verhindern zu können. Einen Menschen, den man vielleicht seit langem gepflegt und begleitet hat, durch den Tod in Gottes Hände zurückzulegen, ist sicher nicht immer einfach, doch ist es tröstlicher und erfüllender, einen Menschen gehen zu lassen, wenn man ihm seine letzte Lebensstrecke mit liebevoller Pflege und fürsorglichem Beistand erleichtert hat. Das neue Gesetz wird die Arbeit der Pflegerinnen und Pflegern in unseren Gesundheitsinstitutionen und Pflegeheimen sicher nicht erleichtern und sie manchmal vielleicht auch am Sinn ihrer Arbeit zweifeln lassen.

Palliativmedizin

Nun, da dieses Gesetz die Spitäler sowie die Alters- und Pflegeheime verpflichtet, begleiteten Suizid in ihren Häusern zuzulassen, sollte die Palliativmedizin ausgebaut werden, wie es Bischof Jean-Marie Lovey bereits im Vorfeld dieser Abstimmung unterstrichen hat. Diese verfolgt das Ziel, in jenen Situationen, in denen eine Krankheit nicht mehr geheilt werden kann und der Sterbeprozess unumkehrbar eingetreten ist, wenigstens die quälenden Auswirkungen der Krankheit auf den Patienten einzudämmen. Die Palliativmedizin «kann bezeugen, wie der Wunsch nach Sterbehilfe verschwindet, wenn man darauf mit einer freundlichen Präsenz und einer menschlichen Begleitung antwortet», so Bischof Lovey. Die Erfahrung zeigt zudem, dass der Tötungswunsch von schwerkranken und sterbenden Menschen nur in seltenen Fällen einem freien Willensentscheid entspringt, sondern vom Druck der Schmerzen, vom Gefühl der Sinn- und Aussichtslosigkeit und von der Rücksichtnahme auf die Belastung der Angehörigen erzwungen ist.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei Patienten der Tötungswunsch in den Hintergrund tritt, sobald ihre Schmerzen gelindert sind, ihre Angst vor der Ungewissheit besprochen werden kann und ihnen die Mitbestimmung bei der Behandlung zugestanden wird. Von daher drängt sich der Ausbau von palliativmedizinischen Zentren und ausserklinischen Pflegehospizen als eine politisch besondere Priorität in der Schweiz auf. Denn solche Massnahmen stellen den richtigen Weg dar, auf dem eine humane moderne Gesellschaft mit den sterbenden Menschen in ihrer Mitte umgehen sollte. Die Würde von unheilbar kranken und sterbenden Menschen wird eigentlich erst dort respektiert, wo ihnen eine angemessene räumliche und menschliche Umgebung geschaffen wird, die ihnen ein würdevolles Abschiednehmen vom Leben ermöglicht. Wir unterstützen daher die Bemühungen des «Vereins Hospiz Oberwallis» zum Bau eines Hospizes, wie es in Ried-Brig geplant ist, in dem Patientinnen und Patienten in ihrer letzten Lebensphase aufgenommen werden und wo ihnen in Ergänzung zur palliativmedizinischen Behandlung im Spital eine Pflege und Betreuung angeboten wird, welche die Lebensqualität der sterbenden Menschen verbessert und ihre Würde nicht antastet.

Nein zur «Kultur des Todes»
Zusammengefasst lässt sich sagen: «Sterbehilfe geben bedeutet: dem anderen in einer Weise nahe sein, die ihn befähigt, die verbliebenen Lebensmöglichkeiten so weit wie möglich persönlich zu gestalten und seinen eigenen Tod zu sterben.»

Als Christen dürfen wir nicht vergessen: Die Gegenwart Jesu Christi gibt Menschen den Mut und die Hoffnung, selbst in den schwierigsten Situationen ihres Lebens nicht zu verzweifeln und trotz allem vertrauensvoll in die Zukunft zu. Sie gibt auch die Kraft, Menschen auf der letzten Wegstrecke ihres Lebens zu begleiten. Daran erinnern auch die Namen der allermeisten Alters- und Pflegeheime im Wallis! Sie sind oft von Klöstern und Pfarreien gegründet und getragen worden und sind deshalb Zeugnisse unseres christlichen Glaubens. Nicht umsonst tragen sie Namen von Heiligen, angefangen von St. Theodul, über St. Antonius, St. Anna, St. Barbara und St. Josef bis zum Englischgruss. Aus diesem Glauben heraus müssen wir uns als Christen für eine «Kultur des Lebens» einsetzen und die Tendenzen für eine «Kultur des Todes», die vor allem in den reichen Ländern immer stärker werden, zurückweisen.


Pfarrer Paul Martone
Medienverantwortlicher des Bistums Sitten


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