Die Organisatoren des Bistumstages in Chur hatten mehrheitlich Glück. Zu Beginn des Tages strahlte die Sonne kraftvoll auf die versammelte Schar der Gläubigen. Diese hatte sich nicht – wie man erwartet hätte – in und um die Kathedrale versammelt, sondern mitten in der Altstadt auf dem Arcas-Platz. Man wolle dort sein, wo das Leben hörbar ist, erklärte Eric Petrini vom Organisationsteam.
Vor knapp zwei Jahren hatte Bischof Joseph Maria Bonnemain die Idee, anlässlich des Heiligen Jahres 2025 ein eigenes Bistumsjahr zu organisieren. «Es geht darum, eine Dynamik im Bistum zu entfachen, die wie Sauerteig und Katalysator mitten in der Gesellschaft wirken sollte. Es geht um eine geistige Vitalität, welche die Geschwisterlichkeit in Kirche und Gesellschaft, einen wagemutigen sozialen bzw. diakonischen Einsatz und ein freudiges Weiterschenken der Frohbotschaft überall zustande bringt», erklärte er zu Beginn des Gottesdienstes.
Diese Gemeinschaft kam unter anderem zum Ausdruck, als Personen aus den unterschiedlichsten Gebieten des Bistums Wasser aus ihrem Wohnort in ein Weihwassergefäss gossen. Das Wasser wurde gesegnet und die Anwesenden im sonntäglichen Taufgedächtnis damit besprengt. Ebenso waren die Lesungen und Lieder in den drei Bistumssprachen Deutsch, Romanisch und Italienisch.
Gläubige als Sauerteig und Katalysator
In seiner Predigt ging Bischof Bonnemain zunächst auf das Motto des Heiligen Jahres ein: «Pilger der Hoffnung». «Es handelt sich um eine Hoffnung, die nicht in uns selbst die Quelle hat, sondern in der Glaubenszuversicht, dass Gott – unser gemeinsamer Himmlischer Vater – uns alle liebt.» Da der Bistumstag auf den Dreifaltigkeitssonntag fiel, versuchte er das Geheimnis der Dreifaltigkeit verständlich zu machen. Dabei verstieg er sich zur Aussage, dass wir statt von der Fülle der Beziehung in Gott auch «von der unendlichen Synodalität Gottes» sprechen könnten. Diese Fülle begründe die Synodalität der Kirche und überhaupt, was uns Menschen einige und sei Wesensvoraussetzung für den Dialog, die Partnerschaft, den Austausch zwischen uns Menschen.
Er legte Wert auf die Feststellung, dass das Bistumsjahr keine innerkirchliche Angelegenheit sein soll. «Seien wir tagtäglich und bis zum letzten Augenblick unseres irdischen Daseins Lernende der Liebe. So werden wir als Gläubige, als Bürgerinnen und Bürger mitten in der Welt Sauerteig und Katalysatoren einer besseren und friedvolleren Welt sein können.»
Während des Gottesdienstes regnete es kurzzeitig, was aber die Anwesenden nicht aus der Ruhe brachte. Zudem verteilten die Helferinnen und Helfer nicht nur Sonnenbrillen, sondern auch Regenschirme.
Wie weiter?
Der Anlass war ein fröhliches Fest, doch es stellt sich die Frage, wie es mit dem Bistumsjahr weitergeht. Wir wollen die Pfarreien und Ortsgemeinschaften nicht mit zusätzlichen Anlässen belasten, schrieb Bischof Bonnemain bei der Ankündigung des Bistumsjahres. Mit den drei geplanten, «bunten Anlässen soll die Freude des Evangeliums nicht nur verkündet, sondern glaubhaft und mitten unter den Menschen gelebt werden. Es sollen Zeichen der Hoffnung gesetzt werden, um eine neue Dynamik der Zuversicht zu entfachen.»
Das Bistumsjahr ruht auf den drei Pfeilern Synodalität, Diakonie und Evangelisierung, die durch die Begriffe Hören, Handeln und Hoffen ihren konkreten Ausdruck finden. Die Bistumsleitung wünscht, dass während des Bistumsjahres alle Gottesdienste, Anlässe und Veranstaltungen vor Ort unter diesem Gesichtspunkt begangen werden.
Guido Estermann, bis Ende Juli noch Beauftragter des Generalvikars Zürich-Glarus für die Pastoral, erklärte im Interview mit der «Schweizerischen Kirchenzeitung» (SKZ 11/2025) zum Bistumsjahr: «Wir wollen in diesem besonderen Jahr transparent aufzeigen, was Pfarreien und kirchliche Institutionen an Gutem tun.» Gleichzeitig gab er an: «Es ist nicht das Ziel, dass die Pfarreien oder andere kirchliche Institutionen speziell für dieses Bistumsjahr zusätzliche pastorale Aktivitäten ins Leben rufen.»
Da stellen sich gleich mehrere Fragen: Wenn die Pfarreien einfach «normal» weiterarbeiten sollen, warum dann überhaupt ein Bistumsjahr ausrufen? Und warum nur aufzeigen, was Pfarreien und kirchliche Institutionen «an Gutem tun»? Warum nicht das Bistumsjahr für eine Neuevangelisierung nutzen?
«Viele haben ein Bild von Evangelisierung, das meint: Ich vermittle dir den Glauben und bin überzeugt, dass du ihn brauchst, damit es dir gut geht. Meinen zu wissen, was dem anderen Menschen guttut, das ist paternalistisch und auch übergriffig», belehrte Guido Estermann im erwähnten Interview die Leserschaft der «Schweizerischen Kirchenzeitung». Das Wort «Hoffen» gäbe einen anderen Blick auf die Evangelisierung. «Evangelisierung heisst, vertrauensvoll und mutig aus Gottes Hoffnung leben.»
So hofft die Bistumsleitung, dass sich aus den Begegnungen an den drei Anlässen Neues entwickelt und diese eine Grundlage bilden «für das gemeinsame Unterwegssein, die synodale Gestaltung der Kirche in unserem Bistum und die anstehenden Transformationsprozesse». Wie sich aus drei «bunten Anlässen» eine Dynamik der Erneuerung entwickeln soll, bleibt ein Geheimnis der Bistumsleitung, vielleicht noch grösser als das Geheimnis der Dreifaltigkeit.
Die beiden weiteren Anlässe des Bistums Chur im Bistumsjahr
27. September 2025: Begegnungstag in Ingenbohl-Brunnen
31. Mai 2026: Abschluss des Bistumsjahres in Zürich
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Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Einen synodalen Gott kann ich mir nicht vorstellen, einen Gott, bei welchem sich die drei Personen am runden Tisch treffen und diskutieren, wie sie z.B. mit diesen widerspenstigen Menschen umgehen wollen, welche selbst wissen und entscheiden wollen, was richtig und was falsch, was gut und was böse ist.
Deshalb kann es auf dem synodalen Weg der Kirche auch nicht darum gehen, über Wahlen und Abstimmungen etc. die aktuellen Probleme lösen zu wollen, sondern um ein ehrliches Ringen darum, was nun der Wille Gottes sei und wie dieser am besten vermittelt und umgesetzt werden kann. Nicht umsonst lehrte uns der Herr beten: «Dein Wille geschehe.» und nicht «Unser Wille geschehe.»
«Viele haben ein Bild von Evangelisierung, das meint: Ich vermittle dir den Glauben und bin überzeugt, dass du ihn brauchst, damit es dir gut geht. Meinen zu wissen, was dem anderen Menschen guttut, das ist paternalistisch und auch übergriffig».
«Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.» (Mt 28,17-20)
Und die Moral vor der Geschicht’?: Zweitausend Jahr haben die Christen einen paternalistischen, übergriffigen Gott verkündet. Nun kommt endlich die wahre Erlösung: Jeder kann glauben, was er will, jeder kann machen, was er will. Entscheidend ist einfach, dass er in dieser neuen, ganz anderen, synodalen Kirche mitmacht, sprich Steuern zahlt.
Die Antwort Christi darauf dürfte wohl die gleiche sein, wie damals an Petrus, welcher ihn abhalten wollte, den Auftrag seines Vaters, das Erlösungswerk am Kreuz, zu erfüllen: «Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. (Mt 16,23))