Statuen von König Stefan und Königin Gisela auf der Burg Veszprem. (Bild: Public domain via Wikimedia Commons)

Weltkirche

Ste­phan und Gisela von Ungarn – ein unglei­ches Paar mit glei­chem Ziel

In unse­rer Serie zu seli­gen und hei­li­gen Ehe­paa­ren stel­len wir heute den hei­li­gen Ste­phan und die selige Gisela von Ungarn vor. Die Ehe wurde aus poli­ti­schen Grün­den geschlos­sen, doch einte die bei­den das Bestre­ben, Ungarn zu christianisieren.

Stephan kam zwischen 969 und 975 vermutlich in Gran (Esztergom, Ungarn) als Sohn des Arpadenfürsten Geza und der Christin Sárolt zur Welt. Sein Vater liess sich 985 taufen. Diese Taufe erfolgte weniger aus religiösen als aus politischen Gründen: Das Reich des Grossfürsten lag zwischen dem Einflussbereich des Papstes und jenem der byzantinischen Kirche – Geza entschied sich für eine Verbindung mit den westlichen Ländern. Er selbst blieb aber weiterhin dem Heidentum verhaftet. Als er deswegen vom Bischof getadelt wurde, soll er geantwortet haben: «Ich bin reich genug, den Göttern zu opfern und zugleich dem Christengott zu dienen.» Stephan hingegen erhielt eine christliche Erziehung durch Bischof Adalbert von Prag und wurde auch von ihm wahrscheinlich zwischen 994 und 996 getauft.

Im Jahr 995 heiratete Stephan die damals erst zehnjährige christliche Prinzessin Gisela von Bayern. Sie war die älteste Tochter des bayerischen Herzogs Heinrich des Zänkers und Gisela von Burgund und somit die Schwester von Kaiser Heinrichs II. Gisela war durch ihre Erziehung – sie war Schülerin des heiligen Wolfgang von Regensburg – nicht nur hoch gebildet, sondern auch tiefgläubig. Vermutlich war Gisela nicht glücklich über diese arrangierte Hochzeit, galten die Ungarn damals doch als «Barbaren».

Diese Hochzeit festigte das Bündnis Ungarns mit den bayerischen Fürsten und besiegelte die Bindung der Ungarn an die Westkirche. Gisela brachte in ihrem Gefolge viele Ritter, Priester und Mönche an den ungarischen Hof – ein westliches, christlich geprägtes Netzwerk, das wichtige kulturelle Impulse vermittelte.

König von Gottes Gnaden
997 starb Geza, der Vater Stephans. Stephan sollte ihm als ungarischer Grossfürst nachfolgen, doch ein älterer Verwandter berief sich auf das Senioratsprinzip der Arpaden, wonach das älteste männliche Mitglied des Clans der Anführer sein sollte. Stephan gelang es, sich gegen ihn durchsetzen. Drei Jahre später bat er Papst Silvester II., ihm die Königswürde zu verleihen; er sah sich als König von Gottes Gnaden. Die Krönung Stephans und Giselas durch einen päpstlichen Gesandten am 25. Dezember 1000 respektive 1. Januar 1001[1] war mit der Errichtung einer Landeskirche verbunden und vermutlich auch mit der Schenkung des Königreichs Ungarn an den Papst, der es als Lehen an Stephan übergab. Im Jahr 1000 führte Stephan das Christentum als Staatsreligion in Ungarn ein.

Stephan hatte das Ziel, die Stämme auf dem Gebiet des heutigen Ungarns zu einigen und zu christianisieren. Bereits sein Vater Geza hatte auf Pannonhalma (Martinsberg) ein Benediktinerkloster gegründet. Stephan erhob das Kloster zur Erzabtei, seitdem gilt es als Zentrum des Benediktinerordens in Ungarn. Er begann mit dem Bau von Kirchen und der Errichtung von Pfarreien und Diözesen. Daneben gründete er Klöster und Schulen; zu diesem Zweck holte er Priester aus den deutschsprachigen Gebieten und Italien. Zudem liess er im Westen durch Boten und Briefe verkünden, dass er zur Verbreitung des Evangeliums Mitarbeiter brauche; zahlreiche Priester und Mönche folgten seinem Ruf. Per Dekret ordnete er an, dass jeweils zehn Dörfer zusammen eine Kirche bauen müssen. So förderte er das christliche Leben.

Er sicherte auch die Durchreise für die Heiligland-Pilger. Es wird überliefert, dass er sich nicht nehmen liess, mit ihnen persönlichen Kontakt zu pflegen. Für ungarische Pilger auf dem Weg ins Heilige Land und Rom baute er Gasthäuser in Konstantinopel und Jerusalem respektive in Ravenna und Rom.

Die überlieferten Texte erzählen, dass Stephan viel für die Armen tat, ja sogar öfters seine eigenen Kleider verschenkte.

Seine Frau Gisela unterstützte ihren Mann in der Christianisierung Ungarns und war ihm eine wichtige Ratgeberin. Dies bestätigen Berichte aus dem 11. Jahrhundert. Eine Frau ihrer Stellung und mit ihrem familiären Hintergrund und Netzwerken konnte zweifelsohne eine tragende Rolle bei der Einigung und Christianisierung des Ungarnreiches spielen. Sie stiftete mehrere Klöster und Kirchen und richtete eine Kunstgewerbeschule ein. Sie gilt auch als Stifterin der Domkirche in Veszprém («Gisela-Kapelle»). Königin Gisela webte und stickte fleissig für die Ausstattung der Gotteshäuser. Es heisst, dass sie auch am Königsmantel (ursprünglich ein Messgewand) mitgestickt habe. Dieser Königsmantel wurde zuletzt bei der Krönung von König Karl IV. und Königin Zita (Kaiser Karl und Kaiserin Zita) verwendet. Sie unterstützte aber auch die Armen freigiebig. Daneben erzog sie ihre Kinder im christlichen Glauben.

Von Schicksalsschlägen nicht verschont
Das Paar hatte drei Kinder: Emmerich, Otto und Agathe. Nach dem frühen Tod Ottos sollte Emmerich seinem Vater auf dem Thron nachfolgen. Emmerich hatte eine religiöse Erziehung erhalten und soll der Erzählung nach sehr asketisch gelebt haben. Er wurde während sieben Jahren vom heiligen Gerhard von Csanád unterrichtet. König Stephan fasste die Pflichten eines guten Königs für seinen Sohn in seiner Arbeit «Intelmek» zusammen:

«Mein Sohn, wenn du der Königskrone Ehre machen willst, befehle und rate ich dir, den katholischen und apostolischen Glauben gewissenhaft und sorgsam zu wahren, damit du allen, die Gott dir als Untertanen anvertraut hat, ein gutes Beispiel gibst und dich alle Männer der Kirche mit Recht einen wirklichen Mann des christlichen Bekenntnisses nennen können. Denn ohne dieses Bekenntnis, dessen bin ich sicher, bist du kein Christ und kein Sohn der Kirche. […]
[Bete,] dass Gott so gnädig sei, alle Laster von dir zu nehmen, sodass du von allen unbesiegbarster König genannt wirst. Bete auch, dass er Untätigkeit und Trägheit von dir vertreibe und er dir alle noch fehlenden Tugenden zuteile, mit denen du die sichtbaren und unsichtbaren Feinde besiegen kannst, damit du sicher und frei von allem Ansturm der Gegner mit all deinen Untertanen deinen Lebenslauf in Frieden beenden kannst.»[2]

Stephan wollte Emmerich bereits zu seinen Lebzeiten zu seinem Mitregenten machen und rief die Adligen zusammen, um ihn krönen zu lassen. Doch Emmerich starb am 2. September 1031 unerwartet, vermutlich an den Folgen eines Jagdunfalls.

Stephan erwies sich als guter und gerechter, aber auch strenger Herrscher. Während seiner Regierungszeit musste er mehrere Aufstände niederschlagen. In den letzten drei Lebensjahren litt er an einer schweren Krankheit und wurde von Gisela aufopfernd gepflegt. Als er seinen Tod nahen fühlte, wünschte er sich, am Fest Mariä Himmelfahrt zu sterben, damit er an der Hand der Gottesmutter in den Himmel aufsteigen dürfe. Sein Wunsch ging in Erfüllung: König Stephan starb am 15. August 1038. Er wurde bereits am 20. August 1083 zusammen mit seinem Sohn Emmerich heiliggesprochen. Er wird sowohl von der katholischen wie auch von der orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt.

Da alle Kinder des Paares verstorben waren, hatte Stephan seinen Neffen Peter Orseolo zu seinem Nachfolger ernannt. In seinen letzten Jahren hatte Stephan mit Traurigkeit die angespannte Beziehung zwischen seiner Frau Gisela und Peter beobachtet. Nach dem Tod Stephans liess der neue König Peter I. Gisela gefangen nehmen. Er brach mit unklugen Entscheidungen das Volk gegen sich auf und begann einen Krieg mit Kaiser Heinrich III. Dieser befreite bei seinem Feldzug gegen Ungarn 1042 (oder 1045) die Königinwitwe Gisela. Sie kehrte – zusammen mit vielen bayerischen Rittern und Siedlern – in ihre Heimat zurück. Dort wurde sie Äbtissin im Kloster Niedernburg in Passau, wo sie 1060 (oder 1065) starb. Ihr Grab wird heute noch von vielen Pilgern, vor allem aus Ungarn, besucht. Gisela wurde zwar nie heiliggesprochen, ihr Name steht jedoch in den «Acta Sanctorum der Bollandisten»[3] und sie wird deshalb als Selige bezeichnet.

 


[1] Im 11. Jahrhundert war der Beginn des Jahres der Tag der Geburt Jesu, sodass der erste Tag des Jahres 1001 der 25. Dezember 1000 war.
[2] Stephan von Ungarn, Monita ad filium, c. 1.2.10. In: Patrologia Latina 151, Sp. 1235-1244; übersetzt von Astrid Ziegler.
[3] Die «Gesellschaft der Bollandisten» ist eine Arbeitsgruppe, welche die Lebensgeschichten der Heiligen aufgrund von Handschriften in kritischen Ausgaben zusammenstellt und in den «Acta Sanctorum» veröffentlicht.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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