(Bild: Nick Youngson, CC BY-SA 3.0 Alpha Stock Images)

Pro Life

Ster­be­hilfe in Frank­reich und dem Ver­ei­nig­ten König­reich auf dem Prüfstand

Die Zahl der Län­der, wel­che assis­tier­ten Sui­zid erlau­ben, nimmt zu. In Schott­land, Eng­land und Wales sowie in Frank­reich wer­den aktu­ell ent­spre­chende Geset­zes­vor­la­gen im Par­la­ment diskutiert.

In Schottland hat das Parlament vor Kurzem einem Gesetzentwurf zur Legalisierung von assistiertem Suizid grundsätzlich zugestimmt. In England und Wales befindet sich ein Gesetzesentwurf zum gleichen Thema in der zweiten Lesung im britischen Unterhaus und auch in Frankreich wurde die Diskussion über ein entsprechendes Gesetz wieder aufgenommen.

Schottland
Das schottische Parlament hat am 14. Mai 2025 mit 70 zu 56 Stimmen einem Gesetzentwurf zur Legalisierung von assistiertem Suizid grundsätzlich zugestimmt. Der von dem liberaldemokratischen Abgeordneten Liam McArthur eingebrachte Entwurf sieht vor, dass unheilbar kranke Erwachsene unter bestimmten Bedingungen Zugang zu tödlichen Medikamenten über das öffentliche Gesundheitssystem erhalten können. Unterstützung erhielt er vom Vorsitzenden der schottischen Konservativen sowie von den Co-Vorsitzenden der schottischen Grünen.
Fraser Sutherland, Geschäftsführer der «Humanistischen Gesellschaft Schottland», erklärte nach der Abstimmung, dass dies ein Sieg sei für alle, die an die Menschenrechte und die körperliche Autonomie in jeder Lebensphase glauben.

Mehrere hochrangige Vertreter der «Scottish National Party» hatten sich bereits vor der Abstimmung gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen, darunter die frühere First Ministerin Nicola Sturgeon, der derzeitige First Minister John Swinney sowie der Vorsitzende und der Stellvertreter der schottischen Labour-Partei.

Pam Duncan-Glancy, Mitglied der schottischen Labour-Partei, hatte ihre Kollegen aufgefordert, den Gesetzentwurf abzulehnen. «Anstatt Gesetze zu erlassen, um Menschen beim Sterben zu helfen, sollten wir uns entschliessen, Gesetze zu erlassen, um Menschen beim Leben zu helfen.» Die Politikerin ist selbst aufgrund einer Erkrankung auf einen Rollstuhl angewiesen.

Tief enttäuscht zeigte sich der Vorsitzende der Schottischen Bischofskonferenz, Bischof John Keenan. Das Parlament habe den ersten Schritt getan, um dem Staat zu erlauben, schutzbedürftigen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben vorzeitig zu beenden. Er wies darauf hin, dass viele Abgeordnete erhebliche Vorbehalte gegen den Gesetzentwurf von Liam McArthur geäussert haben. «Ich hoffe und bete, dass die Abgeordneten sich die Zeit nehmen werden, diese Bedenken sorgfältig zu überdenken und den Gesetzentwurf abzulehnen, bevor er in Kraft tritt.»

In der nächsten Phase des Gesetzgebungsverfahrens wird der Entwurf im Ausschuss geprüft und allenfalls geändert. Schon eine kleine Zahl von Meinungsumschwüngen könnte das Vorhaben noch scheitern lassen. Bereits haben mehrere Politiker sich dahingehend geäussert, dass sie dem Gesetzesvorschlag in der ersten Phase zugestimmt hätten, da ein entsprechendes Gesetz wichtig sei. Es müssten aber noch verschiedene Änderungen vorgenommen werden; in der vorliegenden Form würden sie es in der Endabstimmung ablehnen.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts «Opinium Research» aus dem Jahr 2024 hatte ergeben, dass 78 Prozent der Schotten die Legalisierung der Sterbehilfe befürworten.

Der vom liberalen Abgeordneten Liam McArthur eingebrachte Gesetzentwurf sieht Sterbehilfe für unheilbar kranke Erwachsene vor. Voraussetzung ist, dass der Patient unheilbar krank ist und an einer fortgeschrittenen und fortschreitenden Krankheit oder einem Zustand leidet, der voraussichtlich zu einem vorzeitigen Tod führt. Er muss zudem mindestens 16 Jahre alt sein[1], seit mindestens einem Jahr in Schottland wohnen und fähig sein, die Entscheidung zu treffen und zu verstehen. Der Antrag muss von zwei Ärzten geprüft sowie eine zweiwöchige Bedenkzeit eingehalten werden. Der Patient erhält dann von einer medizinischen Fachkraft eine tödliche Substanz, die er selbst einnehmen muss.

Die schottische Regierung hat bereits darauf hingewiesen, dass dafür eine Vereinbarung mit der englischen Regierung erforderlich ist, da die Zuständigkeit für diese Medikamente in deren Zuständigkeitsbereich fällt. Eine weitere Frage ist die Finanzierung – das Gesundheitsbudget ist derzeit stark belastet.

England und Wales
Im November letzten Jahres stimmten die Abgeordneten für die Legalisierung der Sterbehilfe in England und Wales, aber es bedarf noch monatelanger eingehender Prüfung und weiterer Abstimmungen im Unter- und Oberhaus, bevor das Gesetz in Kraft treten kann.

Am Freitag, 16. Mai 2025, hatten die Abgeordneten in London eine weitere Gelegenheit, sich mit dem Gesetzentwurf der Labour-Abgeordneten Kim Leadbeater zu befassen. Dieser sieht vor, dass der assistierte Suizid nur erwachsenen Todkranken, deren Lebenserwartung weniger als sechs Monate beträgt, zugänglich sein soll. Zudem ist eine Genehmigung durch zwei Ärzte und einen Richter erforderlich.
Nach wochenlanger Debatte hatte das Unterhaus in London im November 2024 dem Gesetzesentwurf mit 330 zu 275 Stimmen zugestimmt. Führende britische Ärzte hatten im Vorfeld die «British Medical Association» aufgefordert, dafür zu sorgen, dass sich Ärzte nicht in irgendeiner Weise an der Beihilfe zum Suizid beteiligen müssen. Auch Behindertenverbände hatten sich vehement gegen die Legalisierung der Sterbehilfe gewehrt, ebenso deutlich waren die Voten von Justin Welby, damaliger anglikanischer Erzbischof von Canterbury, sowie mehrerer katholischer Bischöfe.

Ein Ausschuss aus 23 Abgeordneten (14 Befürworter und 9 Gegner) ist den Gesetzentwurf Zeile für Zeile durchgegangen, hat öffentliche Anhörungen durchgeführt und die Meinung von Experten eingeholt. Dies hat zu Änderungen geführt; so muss z. B. nicht mehr jeder Antrag von einem Richter des Obersten Gerichtshofs genehmigt werden. Auch müssten die Ärzte auf die Möglichkeiten der Palliativmedizin aufmerksam machen.

Die aktuelle Debatte unterschied sich deutlich von jener im November: Kim Leadbeater und die Befürworter des Gesetzentwurfs waren sehr zurückhaltend, während die Abgeordneten, die den Gesetzentwurf ablehnten, in die Offensive gingen. Mehrere Politiker, die bisher dem Entwurf zugestimmt oder sich der Stimme enthalten hatten, gaben an, die Gesetzesvorlage jetzt abzulehnen. Viele Abgeordnete gaben als Grund die Notwendigkeit von Investitionen in die Palliativmedizin an sowie die fehlende parlamentarische Zeit für die Behandlung des Gesetzentwurfs. Der Abgeordnete Jonathan Hinder will jetzt ebenfalls gegen den Gesetzentwurf stimmen. Als Gründe nannte er insbesondere die Abschaffung einer richterlichen Zustimmung sowie die Tatsache, dass es Ärzten gestattet sein soll, einen Patienten unaufgefordert auf die Möglichkeit des assistierten Suizids anzusprechen.

Die Sprecherin von Right To Life UK, Catherine Robinson, zeigte sich zuversichtlich: «Bis zur dritten Lesung bleibt noch viel zu tun, aber wir sind jetzt auf dem richtigen Weg – und wir können gewinnen.»

Sollte der Text in der dritten Lesung vom britischen Unterhaus genehmigt werden, gelangt er zur weiteren Prüfung an das Oberhaus.

Im März 2025 hat die Isle of Man als erstes Land auf den britischen Inseln die Sterbehilfe zugelassen. Sie wird zum Gesetz, sobald sie die königliche Zustimmung erhält. Jersey steht kurz davor, ein ähnliches Gesetz zu verabschieden
 

 


Frankreich
Am 2. April 2023 hatte sich der Bürgerrat in Frankreich mit grosser Mehrheit für die Legalisierung der Sterbehilfe ausgesprochen. Der Wahlsieg des «Rassemblement National» stoppte die Debatte zunächst. Die Regierung unter Premierminister François Bayrou hat sich entschieden, die Gesetzesvorlage aufzuteilen in eine Vorlage zur Sterbehilfe und eine Vorlage für den Ausbau der Palliativmedizin. Nach einem Jahr Pause hat die Französische Nationalversammlung die Debatte über eine Gesetzesvorlage zur Sterbehilfe am 12. Mai 2025 wieder aufgenommen.

Der Gesetzentwurf sieht fünf Kriterien für die Sterbehilfe vor: Die Person muss mindestens 18 Jahre alt sein, Franzose sein oder in Frankreich leben, an einer schweren, unheilbaren Krankheit im fortgeschrittenen Stadium leiden, die unerträgliches physische oder psychisches Leiden verursacht. Zudem muss sie ausreichen informiert sein und handlungsfähig.

In Art. 2 des Gesetzesentwurfs war festgehalten, dass die sterbewillige Person die tödliche Substanz entweder selbst nehmen (assistierter Suizid) oder es sich von einem Arzt oder Pflegekraft verabreichen lassen kann ( Euthanasie).
Am Samstag nahmen die Abgeordneten einen Änderungsantrag der Regierung an, der festhält, dass die Verabreichung der tödlichen Substanz durch einen Arzt oder Pflegefachkraft nur erlaubt ist, wenn der Patient physisch nicht in der Lage ist, dies zu selbst tun. Als Grund für diese Änderung gab die Gesundheitsministerin Catherine Vautrin an, dass die Selbstverabreichung es dem Patienten ermögliche, seinen Sterbewillen bis zum Ende selbst umzusetzen. Hingegen wurde ein Änderungsantrag abgelehnt, der vorsah, dass auch ein Angehöriger die tödliche Substanz verabreichen kann.

Besonders störend am Gesetzesentwurf: Es ist konsequent von «aide à mourir» (Hilfe zum Sterben) die Rede; die Wörter «assistierter Suizid» und «Euthanasie» werden konsequent vermieden. Letzteres, da es vom Naziregime während des Zweiten Weltkrieges verwendet wurde, so Olivier Falorni, der Verfasser des Textes. Doch sowohl Befürworter wie auch Gegner des Entwurfs wollen die Wörter im Gesetzesvorschlag drin haben. «Ich bin der Meinung, dass die Benennung der Dinge, so sehr sie auch belastend sein mag, uns immer ein wenig näher an die Wahrheit bringt», erklärte der Abgeordnete Yannick Monnet.

Auch Éric de Moulins-Beaufort, Erzbischof von Reims und Vorsitzender der Französischen Bischofskonferenz, kritisierte gegenüber «Radio Chrétienne Francophone» (RCF) das Fehlen dieser Begriffe. Insbesondere stösst er sich an der Formulierung von Artikel 9, der besagt, dass der Tod einer Person, die durch assistierten Suizid oder Euthanasie gestorben ist, als «natürlicher Tod» gilt. Dies sei eine klare Lüge. Und er betonte: «Wir werden alle sterben, das ist eine Realität, kein Recht.» Aufgrund seiner Erfahrung mit kranken Menschen setzt sich Éric de Moulins-Beaufort für den Ausbau der Palliativpflege und der Sterbebegleitung ein, die in Frankreich aufgrund von Personalmangel und fehlenden Mitteln noch nicht ausreichend entwickelt sind. Er erinnerte im Gespräch mit RCF daran, dass aktuell auch ein Gesetzentwurf zur Hospiz- und Palliativversorgung diskutiert wird.

Präsident Emmanuel Macron hatte schon früh dazu aufgerufen, das Gesetz im Namen der Brüderlichkeit zu unterstützen. Damit aber spricht er denjenigen, die es ablehnen, ihre Brüderlichkeit ab.

Die «Konferenz der Leiter von Religionsgemeinschaften in Frankreich» (Conférence des responsables de culte en France CRCF) – Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Juden, Muslime und Buddhisten – hat in einem «Gemeinsamen Wort» vor «schwerwiegenden Fehlentwicklungen» gewarnt, die der Gesetzesvorschlag mit sich bringt. «Hinter einem scheinbaren Willen zum Mitgefühl und zur Begleitung vollzieht dieser Text einen radikalen Umschwung: Er führt die Möglichkeit der Verabreichung des Todes – durch assistierten Suizid oder Euthanasie – gesetzlich ein und stellt damit die Grundlagen der medizinischen und sozialen Ethik radikal auf den Kopf.» Die Aufnahme der Sterbehilfe in das Gesetzbuch verstosse fundamental gegen den Hippokratischen Eid und das Grundprinzip der Pflege, das darauf abzielt, Linderung zu verschaffen und nicht zu töten. Die blosse Existenz einer solchen Option könne bei Patienten «toxische Schuldgefühle auslösen» – das Gefühl, «eine Last zu sein». Ebenso verankert das vorgeschlagene Gesetz die individuelle Autonomie auf Kosten der familiären und sozialen Bindungen, führt die CRCF weiter aus. Diese alleinige Entscheidung des Sterbewilligen kann zu Traumata und dauerhaften Verletzungen führen, insbesondere wenn Angehörige eines Toten erst im Nachhinein erfahren, dass er durch assistierten Suizid gestorben ist.

Die CRCR ruft die Parlamentarier auf, Unterscheidungsvermögen zu zeigen. «Die Legalisierung des assistierten Todes wird keinen Fortschritt, sondern einen ethischen, sozialen und medizinischen Rückschritt bedeuten. Man muss sich für die Investition in die Palliativpflege, die Ausbildung im Zuhören und die umfassende Begleitung der Menschen bis zum Lebensende entscheiden. Diese Wahl ist die Wahl der Menschlichkeit gegen die Vernachlässigung, der Beziehung gegen die Einsamkeit, der Pflege gegen die Resignation.»

Die entscheidende Abstimmung in der Nationalversammlung ist für den 27. Mai geplant; danach kommt die Gesetzesvorlage in den Senat.

 


[1] Liam McArthur hat bereits zugesagt, das Alter von 16 auf 18 Jahre anzuheben.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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