Pater Cletus Mwiila und der Autor des Beitrages, Franz Xaver von Weber. (Bild: zVg)

Interview

Syn­oda­li­tät und «Aggiornamento»

An der ers­ten Ver­samm­lung der Welt­bi­schofs­syn­ode zur Syn­oda­li­tät im Okto­ber 2023 waren nur wenige Pries­ter ver­tre­ten. Der Vati­kan berief des­halb eine Syn­ode ein, die sich aus Pries­tern aus aller Welt zusam­men­setzte. Diese wur­den zu «Mis­sio­na­ren der Syn­oda­li­tät» aus­ge­bil­det. Pater Cle­tus Mwi­ila, Gemein­de­pfar­rer von St. Mary’s in Choma, Diö­zese Monze im Süden Sam­bias, war einer von ihnen. Er ist jetzt «Bot­schaf­ter der Syn­oda­li­tät von Sam­bia». Franz Xaver von Weber traf Pater Cle­tus Mwi­ila in sei­ner Hei­mat zum Interview.

Wird der synodale Prozess die Verbreitung und Vertiefung der Botschaft Jesu Christi erleichtern?
P. Cletus Mwiila: Mit dem Prozess der Synodalität kommt neues Leben in die Kirche. Die Kirche ändert sich nicht, aber die Zeiten ändern sich. Mit diesem Prozess des gemeinsamen Unterwegsseins wird der Geist der Kirche neu geweckt. Es ist dieselbe Absicht, die das Zweite Vatikanische Konzil mit dem Begriff «Aggiornamento» verband, mit dem Papst Johannes XIII. den Wind der Gegenwart in die Herzen und Köpfe der Gläubigen liess, um den Dialog zwischen den Kulturen zu fördern und die drängenden Fragen der Zeit anzusprechen. In dieser Hinsicht ist der Prozess der Synodalität eine Fortsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das zu einer Ausweitung des aktiven Lebens in der Kirche führen wird, indem es jeden Mann und jede Frau zur Teilnahme einlädt und so den Horizont erweitert.

Wurden Sie als Teilnehmer an der Weltsynode der Bischöfe in Rom im Oktober 2024 ausgewählt?
Nein, ich bin kein Teilnehmer der Weltsynode der Bischöfe. Ich wurde aber vom Vatikan ausgewählt, an der Veranstaltung «Priester für die Synode» teilzunehmen, die als zusätzliches Treffen zur Weltsynode der Bischöfe in Rom stattfand. Es ist deutlich geworden, dass die Erfassung und Bewertung der aktuellen Situation nicht vollständig ist, wenn wir, die Pfarrer und Priester, die vor Ort arbeiten, nicht einbezogen werden. Allein daran zeigt sich der Erfolg des Synodalitätsprozesses. Waren bisher nur die Bischöfe die Vertreter der Ortskirchen im gesamtkirchlichen Prozess, so sind heute auch Laien und Nicht-Bischöfe wie wir Pfarrer und Gemeindeseelsorger dabei. Wir gewichten Fragen oft anders und aus unterschiedlichen Perspektiven. Alle lernen daraus und das gegenseitige Verständnis und das Zusammengehörigkeitsgefühl unter Gläubigen, die die Botschaft Jesu Christi leben, werden gestärkt.

Wie können Sie als Pfarrer den Prozess der Synodalität beschreiben?
Ich bin seit 34 Jahren Priester und arbeite seit langem in der Pfarrseelsorge. Es hat sich vieles grundlegend verändert. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte können nicht einfach übersehen und ignoriert werden. Das bedeutet auch, dass sich das Pfarreileben ständig verändert. Die Botschaft des Glaubens ist unveränderlich, aber die Art und Weise ihrer Vermittlung hängt von den Lebensumständen der Gläubigen ab. Meine Erkenntnis ist: Mit der Zeit gehen heisst, mit den Menschen gehen, so wie sie sind. Das Rüstzeug dazu habe ich durch meine Ausbildung bekommen. Ich habe an der Universität Gregoriana in Rom Missionswissenschaft studiert und wurde zum Sozialkommunikator ausgebildet. Wir Pfarrer haben immer Bezug zur Realität und verstehen deshalb die Sprache und die Sorgen der Gläubigen. Nur wenig kann uns vom Lärm ablenken, der aus den Hallen der Institutionen kommt.

Gehen Synodalität und Spiritualität Hand in Hand?
Ja, auf jeden Fall. Das beste Beispiel ist der heilige Augustinus. Seine Rastlosigkeit bei der Verbreitung der Botschaft Jesu Christi war nur auf dem Fundament der Spiritualität möglich. Synodalität ist ein neuerer Begriff für die Sprache Gottes, die alle Menschen anspricht und einschliesst. Sie ist Ausdruck einer neuen Radikalität, die Gott als positiven Gott betont, wie es die Gospelmusik auf besonders schöne Weise kann.

Wird sich die Rolle des Priesters durch den Prozess der Synodalität verändern?
Meiner Ansicht nach hat sich die Rolle des Priesters bereits verändert, aber nun verändern sich auch die Priester. Für uns Pfarrer gilt nicht mehr, dass wir eine herrschende Klasse sind, die in unseren Gemeinden das Sagen hat, sondern dass wir wirkliche Hirten sind, die den uns anvertrauten Gläubigen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Der klerikalistisch denkende und handelnde Priester hat keine Zukunft mehr. Es ist dem Pfarrer, der seine Aufgabe als pastorale Aufgabe sieht, aufgetragen, seine priesterlichen Dienste zu seiner Freude und Vollkommenheit zur Verfügung zu stellen.

Welche Entwicklungen sind durch den Prozess der Synodalität auf Pfarreiebene voraussehbar?
Es wurde erkannt, dass Pfarreiräte eine wichtige Funktion als Indikatoren und Multiplikatoren und damit einen bedeutenden Beitrag zum Prozess der Synodalität in den Pfarreien haben. Sie unterstützen den Pfarrer in seinen Aufgaben. Wo es keine Pfarreiräte (mehr) gibt, wird ihre (Wieder-)Einrichtung angeregt. Die Synode in Rom hat uns Pfarrern Auftrieb gegeben. Als wir in unsere Pfarreien heimkamen, gingen wir nicht mehr zurück in Büros in unserem Pfarrhaus, sondern in ein Haus, wo Menschen anklopfen, wenn jemand in Not ist, wo wir unseren Gläubigen unser Ohr leihen. Und wir sind gesegnet dadurch, denn wir sind gemeinsam unterwegs.

Geht es hier auch um die Demokratisierung der Kirche?
Nein, darum geht es nicht, denn wie an der Versammlung «Priester für die Synode» und auf der Weltbischofssynode betont wird, ist die Kirche keine Demokratie. Es soll keine Demokratisierung der Kirche geben. Es geht vielmehr um eine Führung, die die Botschaft Jesu Christi anerkennt, die weder eine klerikale Machtausübung des Priesters noch des Laien ist, sondern eine freudige Übernahme verschiedener Dienste auf dem gemeinsamen Weg. Es soll keine einsamen Entscheidungen von Pfarrern, Priestern, ja Bischöfen und Laien mehr geben, sondern ein Ringen um die für die konkrete Gemeinde angemessene Glaubensform, ohne dabei die Glaubensinhalte zu verändern oder zu verwässern.

Ist der Prozess der Synodalität mit einer Paradigmenverschiebung verwachsen?
Ja, das kann man sagen. Es soll kein Hotel für die Heiligen und davon getrennt ein Hospital für die Sünder geben, sondern ein gemeinsames Haus, wo die Hungrigen zu essen bekommen und der Sünder mit dem Heiligen in Kontakt steht. Niemand soll ausgeschlossen werden, sondern diejenigen, die unter Einsamkeit leiden, sollen in der Gemeinschaft leben können. Der Prozess der Synodalität schliesst alle Menschen guten Willens durch ihren gemeinsamen Weg ein. Ebenso ist der Prozess der Synodalität ein Aufruf, sich für den Frieden einzusetzen. Der gemeinsame Weg führt zu einer neuen Form des Zusammenlebens in der Gemeinschaft, in der der Frieden zu Hause ist. Ich bin überzeugt, dass mit der Synodalität das kirchliche Leben erneuert und bereichert und die Botschaft Jesu Christi wieder vermehrt gehört wird.
 

Die letzte Etappe der Weltsynode der Bischöfe zur Synodalität findet diesen Herbst in Rom statt. Wie bei der ersten Synode im Oktober 2023 werden gegen 400 Bischöfe, Priester und Laien, Frauen und Männer, aus aller Welt an der zweiten Synodenversammlung teilnehmen, die vom 4. bis 27. Oktober 2024 unter dem Vorsitz von Papst Franziskus im Vatikan stattfindet. Das Motto der Weltsynode lautet «Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilnahme und Mission».


Franz Xaver von Weber


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 08.09.2024 um 16:51
    «Die Botschaft des Glaubens ist unveränderlich!» Auf diese Synode bezogen bin ich versucht zu sagen: »Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!» Was ich bisher in meiner Umgebung diesbezüglich erlebt habe, lässt wenig Gutes erhoffen. Der Paradigmenwechsel von gottzentriert zu menschzentriert, welcher heute (nicht nur) für diese Synode tonangebend ist, führt dazu, die Lehre der Kirche dem Zeitgeist anzupassen. Damit aber wird die Lehre verharmlost und verwässert. Alles wird immer mehr relativ. Der Glaube verkommt zu einem Selbstbedienungsladen. «Jeder glaubt was er will, keiner glaubt was er soll, aber alle glauben mit!» Und die Besserwissendheit und der Ungehorsam bis hinein in die Heilige Liturgie feiert Urstände. Ob der Herr damit einverstanden ist, das wage ich zu bezweifeln.