Vorstellung der Umfrage in der Kirche St. Josef in Zürich. (Bilder: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Umfrage zur Repu­ta­tion der Katho­li­schen Kir­che: Aus­ser Spe­sen (fast) nichts gewesen

Am 1. April 2025 prä­sen­tierte das Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut Sotomo die Resul­tate ihrer Umfrage zur Repu­ta­tion der Katho­li­schen Kir­che. Die Ergeb­nisse waren wenig über­ra­schend. Über­ra­schend war der Ort der Prä­sen­ta­tion: der Innen­raum der Pfarr­kir­che St. Josef in Zürich.

Auf den 1. April 2025 hatte die «Katholische Kirche im Kanton Zürich» zu einer Medienorientierung eingeladen. Ort der Veranstaltung – kein Aprilscherz – war der Innenraum der Pfarrkirche St. Josef im ehemaligen Arbeiterviertel der Stadt Zürich. Man kommt nicht umhin, von einer Art spirituellem Missbrauch zu sprechen, und doch irgendwie logisch: Wer sich mit der Tarnkappe «Katholische Kirche im Kanton Zürich» drapiert (in Tat und Wahrheit handelt es sich dabei um das vom Staat geschaffene Konstrukt «Römisch-katholische Körperschaft des Kantons Zürich») schreckt auch vor einer solch dreisten Zweckentfremdung eines katholischen Sakralraumes nicht zurück (Mt  20,12ff. lässt grüssen). Im Gegenteil: Durch diese «feindliche Übernahme» soll coram publico deklariert werden, wer hier in Sachen Katholische Kirche im Kanton Zürich das Sagen hat.

Worum geht es? Michael Hermann und seine Firma Sotomo wurden beauftragt, eine «Repräsentative Bevölkerungsumfrage zur Reputation der Katholischen Kirche» durchzuführen.

Wie repräsentativ ist diese Umfrage wirklich? Gemäss Medienmitteilung konnten Antworten von 2913 Personen aus der Deutschschweiz ausgewertet werden. Darunter befanden sich 705 Mitglieder der Katholischen Kirche, 517 ausgetretene Mitglieder der Katholischen Kirche, 853 Mitglieder der Reformierten Kirche und 558 ausgetretene Mitglieder der Reformierten Kirche. Mit anderen Worten: Mehr Protestanten als Katholiken haben an dieser Umfrage teilgenommen.

In der Medienmitteilung wird eingeräumt, dass die Zusammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ ist für die sogenannte «Grundgesamtheit», da sich die Teilnehmenden selbst rekrutierten («Opt-in» genanntes Verfahren). Den damit verursachten Verzerrungen versuchte man durch Gewichtungsverfahren entgegenzuwirken. Dazu gehören unter anderem Geschlecht, Alter und Bildung. Dieses Vorgehen gewährleiste eine «hohe soziodemografische Repräsentativität der Stichproben». Kritische Rückfragen drängen sich gleichwohl auf. So unter anderem die Frage, ob die sehr hohe Zahl von Ausgetretenen am Total der Befragten (1075 von 2913 = 36,9 Prozent) nicht doch zu einer Verzerrung geführt hat. Die Vermutung liegt auf der Hand, dass sich überdurchschnittlich viele an der Umfrage einfach deshalb beteiligten, um ihren Kirchenfrust loszuwerden. Kommt hinzu, dass der aus dem protestantischen Berner Milieu stammende «Sotomo»-Chef Michael Hermann bezüglich dieses Forschungsgegenstandes mehrfach überfordert war. In seiner Studie ist unisono von «Kirchgemeinden» die Rede, der für die Katholische Kirche essentielle Begriff «Pfarrei» kommt darin kein einziges Mal vor. Item: In extenso wird das Thema «Austritt und Austrittswillige» abgehandelt. Dass das Bundesgericht bereits in seinem Entscheid vom 9. Juli 2012 klarstellte, dass ein Austritt aus einer staatskirchenrechtlichen Organisation, sprich einer Kantonalkirche, jederzeit möglich ist, ohne dabei zugleich aus der Katholischen Kirche als solcher austreten zu müssen, wird gleichwohl nicht thematisiert, dürfte den Studienverantwortlichen aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht bekannt sein.

Widersprüchliche Ergebnisse
Wie sieht das inhaltliche Ergebnis dieser 29 Seiten umfassenden «Opt-in-Umfrage» aus? 15 Prozent der Deutschschweizer Bevölkerung stehen der Katholischen Kirche positiv gegenüber; bei der Reformierten Kirche sind es 37 Prozent; 32 Prozent sind gegenüber der Katholischen Kirche negativ eingestellt, bei der reformierten Kirche sind es 7 Prozent. Da stellt sich die Frage, wie diese Zahlen mit der Tatsache zu vereinbaren sind, dass im Kanton Zürich 2024 11 700 Personen aus der Reformierten Kirche ausgetreten sind, aus der Katholischen Kirche nur 10 000 Personen, dies bei einer annähernd gleichen Gesamtgrösse.

Besonders kritisch gegenüber der Katholischen Kirche eingestellt sind laut dieser Umfrage «Junge, Frauen und Konfessionslose». Die Detailauswertung wirft auch hier Fragen auf, ist doch die negative Einstellung der Männer grösser als bei den Frauen (33 zu 30 Prozent). Item: Als Konfessionslose gelten nur jene, die aus der jeweiligen Kirche ausgetreten sind. Bei den in einem konfessionslosen Milieu aufgewachsenen Personen dürften jedoch die Aversionen gegen die Katholische Kirche infolge mangelnder Binnenerfahrungen tiefer zu veranschlagen sein als bei Ausgetretenen.

Bemerkenswert: Während nur 38 Prozent der Katholiken mit ihrer Kirche ein positives Image verbinden, sehen bei den Reformierten 64 Prozent ihre Kirche positiv. Umgekehrt fühlen sich 40 Prozent der Katholiken mit ihrer Kirche stark verbunden gegenüber 35 Prozent bei den Reformierten. Interessant auch, dass die Zahl der austrittswilligen Zürcher Katholiken höher ist als im deutschschweizerischen Durchschnitt (32 zu 27 Prozent). Ob hier die chronisch betriebene Nestbeschmutzerei der Kommunikationsstelle der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich eine Rolle spielt (Stichwort «Grüss Gott Zürich»)?
 


Unwissenschaftliche Suggestivfrage
Eines der Hauptkapitel trägt den Titel: «Was sind die Ursachen der schlechten Reputation?» Wissenschaftlich korrekt, wertungsfrei hätte die Frage lauten müssen: «Welche Reputation hat die Katholische Kirche?»

Die solcherart vorgespurten Antworten fielen dementsprechend aus: An erster Stelle fungiert die Missbrauchsthematik, gefolgt von religiösen Aspekten. Unsinnigerweise wurden im Abschnitt «Unpopuläre Aspekte» Fragen zu «Gottesdiensten» und zum «Zusammenleben in der Kirchgemeinde» auch nicht-katholischen Umfrage-Teilnehmern gestellt. 16 Prozent von ihnen taxierten beispielsweise das Zusammenleben in katholischen Kirchgemeinden als negativ bzw. eher negativ: Anmassung pur, einen Sachverhalt zu beurteilen, über den man per definitionem keine Kenntnisse hat.

Der nächste Abschnitt nennt sich «Kirchenkritische Argumente». Auch hier fördern die vorgegebenen Stichworte die erwartbaren Ergebnisse zutage. An erster Stelle wird die Haltung der Katholischen Kirche zur Frauenordination beanstandet. Es folgen die Position der Kirche zur Homosexualität und Abtreibung. Im Abschnitt «Verbesserungswünsche» führen die Stichworte «Aufarbeitung der Missbrauchsfälle», «Gleichberechtigung» und «Abtreibung» die Liste der Desiderata an.

Die «Sotomo»-Umfrage schliesst mit dem Kapitel «Positive Aspekte des Images der Katholischen Kirche». In dessen Abschnitt «Soziales Engagement: Wichtiges Handlungsfeld» findet das Stichwort «Soziales Engagement» den grössten Zuspruch. Am Ende der Skala landet das Stichwort «Gesellschaftlich-politische Stellungnahmen».

Irritiert blick man auf das Blatt «Pro Argumente: Chor und Angebote für Senioren». Unter dieser Überschrift wurde den Umfrage-Teilnehmern folgende Frage gestellt: «Inwiefern stimmen Sie den folgenden Aussagen zu, welche in gesellschaftlichen Debatten rund um die Katholische Kirche geäussert werden?» Am meisten wurde von den Katholiken das Stichwort «Gemeinschaft im Kirchenchor» angekreuzt (88 Prozent). Bloss: Was hat die «Gemeinschaft im Kirchenchor» mit gesellschaftlichen Debatten rund um die Katholische Kirche zu tun? Und warum wird dazu auch noch die «restliche Bevölkerung» befragt (73 Prozent Zustimmung), die wohl schwerlich befugt ist, sich über das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem katholischen Kirchenchor zu äussern?

Bemerkenswert und im Widerspruch zu den vorhergehenden Aussagen, wonach die Haltung der Katholischen Kirche zu Fragen der Frauenordination, zur Homosexualität und zur Abtreibung auf die grösste Kritik bei katholischen Gläubigen stösst, ist der Abschnitt «Gründe zu bleiben». Hier wird als wichtigster Grund für das Verbleiben in der Kirche der Erhalt der Tradition genannt (66 Prozent), gefolgt von der kirchlichen Bestattung und dem Einsatz der Kirche für Benachteiligte.

Auffallend ist die viel stärkere Kirchenbindung und Kirchenwertschätzung bei Migrantengruppen im Vergleich zu den einheimischen Gläubigen. So nennen beispielsweise 57 Prozent der Migranten als Grund für den Verbleib in der Kirche die Möglichkeit zur kirchlichen Erziehung ihrer Kinder, bei der übrigen Bevölkerung sind es demgegenüber nur 16 Prozent.

Schliesslich wiederum wenig überraschend, dass zum Thema «Erwünschtes Angebot» die sogenannten Kausalien dominieren, also Trauerfeiern, Taufen und Hochzeiten.

Kein überraschendes Bild
Und wie reagiert der Synodalrat als Auftraggeber auf die Umfrage? In der Medienmitteilung wird eingeräumt: «Die Umfrageergebnisse zeigen ein klares, aber kein überraschendes Bild: Um den Ruf der Katholischen Kirche steht es nicht gut.» In der Tat: Wirklich neue Erkenntnisse hat die kostspielige «Sotomo»-Umfrage nicht zutage gefördert. Dass seit der Veröffentlichung der Pilotstudie im September 2023 mit ihren 1002 behaupteten, aber nicht belegten Missbrauchsfällen medial unablässig auf die Katholische Kirche eingeprügelt wird, hat die öffentliche Meinungsbildung massiv beeinflusst. Dieser Befund ist längst allgemein bekannt.

Der Synodalrat reagiert auf diesen Fakt mit einer Flucht nach vorn, versucht, sich der Gesellschaft anzudienen, indem auf den «unverzichtbaren gesellschaftlichen Beitrag der Kirche» verwiesen wird. Simon Spengler, Chef Kommunikation des Synodalrats, bringt diese Anbiederungs-Strategie auf den Punkt: «Für uns ist klar: Das Gemeinschaftliche und das Solidarische ist der Wesenskern der Katholischen Kirche.» Wesenskern? Die vertikale Dimension des Glaubens, die Beziehung zu Gott also, bleibt da – wieder einmal – auf der Strecke. Für «Gemeinschaftliches» und «Solidarisches» braucht es keine Religion, keine Kirche. Solche gesellschaftlichen Bedürfnisse sind bei säkularen Organisationen wie beispielsweise Gewerkschaften oder Fanclubs von Sportvereinen bestens aufgehoben.

Die Präsentation dieser «Sotomo»-Umfrage fand vor dem rechten Seitenaltar der Josefskirche in Zürich statt. Über dem Altarbild befindet sich ein Medaillon mit der Inschrift: «S.S. Patroni Felix et Regula Orate pro nobis»: Das passende Motto zu dieser Veranstaltung schlechthin.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Daniel Ric 05.04.2025 um 06:37
    Ich halte Umfragen grundsätzlich nicht für ein schlechtes Instrument, um zu ermitteln, welche Bedürfnisse und Erwartungen Menschen an die Kirche haben. Eine solche Umfrage muss aber offen und kompetent durchgeführt werden, was bei der vorliegenden Umfrage offensichtlich nicht der Fall war. Ich bin überzeugt, dass eine richtig durchgeführte Umfrage Ergebnisse liefern würde, die der Agenda der Landeskirchen widersprechen. Menschen suchen authentische und wahre Gemeinschaft in der Kirche, die nur durch eine tiefe Gottesbeziehung ermöglicht wird. Eine bürokratische Kirche, in welcher vor allem Menschen am Werke sind, die dem eigenen Portemonnaie dienen, ist nicht attraktiv.
  • user
    Claudio Tessari 03.04.2025 um 20:44
    Das Kirchenrecht ist auch klar:
    Can. 1210 — An einem heiligen Ort darf nur das zugelassen werden, was der Ausübung oder Förderung von Gottesdienst, Frömmigkeit und Gottesverehrung dient, und ist das verboten, was mit der Heiligkeit des Ortes unvereinbar ist. Der Ordinarius kann aber im Einzelfall einen anderen, der Heiligkeit des Ortes jedoch nicht entgegenstehenden Gebrauch gestatten.
  • user
    Schwyzerin 03.04.2025 um 11:05
    An vielen Orten haben die heiligen Stätten keinen Schutz mehr. Für was die Innenräume der Ortskirche genutzt werden, ist erschreckend. Das fängt mit Spielen der Kinder im Gottesdienst, Gestalten, Theater, Konzerten etc. an. Die Zweckentfremdung, bez. Entheiligung der St. Josephkirche Zürich mit der Präsentation der Bevölkerungsumfrage zur Reputation der katholischen Kirche ist daher kein Einzelfall. Der Medienauftritt in der Kirche ist eine Dimension, die alles übertrifft. Dieser Auftrag der römisch-katholischen Körperschaft Zürich ist unerhört, weil das Meinungsforschungsinstitut Sotomo nicht für die katholische Kirche zuständig ist. Gemäss Meinungsforschungsinstitut Sotomo ist die Stichprobe nicht repräsentativ. Mit solchen Medienauftritten in der katholischen Kirche St. Joseph übt die römisch-katholische Körperschaft Zürich macht auf die katholische Kirche aus. Sie richten der Apostolischen römischen katholischen Kirche damit einen grossen Schaden an. Nach der heiligen Schrift müssten Römisch-katholischen Körperschaften, weil sie keine Kirche ist, die Ortskirchen und Kapellen der Apostolischen römischen katholischen Kirche zurückgeben. Der Bischof nimmt alle Schlüssel der Pfarrpfünde entgegen und gibt sie an die guten und heilgmässigen Priester. So ist es möglich, dass auch am Hochaltar und an den Seitenaltäre wieder die heilige Messe gefeiert werden kann. Ein weiterer Punkt ist die automatische Mitgliedschaft in der Verfassung der Römisch-katholischen Körperschaften. Automatisch ist nicht freiwillig. Die Zwangsmitgliedschaft muss man aus diesem Grund aufheben.
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    Claudio Tessari 03.04.2025 um 08:01
    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Der Niedergang der Kirche vor allem in der Schweiz ist, dass man den Mensch ins Zentrum stellt. Die Kirche ist der Tempel Gottes, wo Gott im Tabernakel realgegenwärtig ist, wo die Heiligen und Engel sich darum versammeln. Das ist heute den meisten nicht mehr bewusst. Wenn man in der Kirche, Pressekonferenzen abhält, wenn man in der Kirche Events feiert, oder auch in der Kirche Esse für Arme organisiert, hat man vergesse was die Kirche überhaupt ist. Dann muss man sich nicht wundern, wenn wenn der Glaube immer mehr schwindet. Es braucht eine radikale Umkehr, man muss Gott wieder ins Zentrum der Kirche und Gesellschaft stellen. Man muss wieder Gott mit Ehrfurcht anbeten. Eine Nächstenliebe gibt es NICHT ohne eine tiefe Gottesliebe.
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    Stefan Fleischer 03.04.2025 um 01:29
    Statt das Geld mit solchen sinnlosen Umfragen zu verschleudern, wäre es m.E. viel nützlicher, einmal den Stand des Glaubenswissens und der Glaubenspraxis derjenigen zu erheben, welche sich katholisch oder nicht mehr katholisch nennen. Das würde wohl unmissverständlich zeigen, wo der Hebel angesetzt werden müsste, nämlich bei der Verkündigung, der Neuevangelisation. Solange immer mehr Menschen glauben, eine Kirche sei einfach ein Freizeitangebot unter viele anderen, Hilfswerk oder ein Verein zur moralischen Aufrüstung etc., kann es nur noch schlimmer werden.
  • user
    T.L.D 02.04.2025 um 19:44
    So ein schöner Seitenaltar! Man sollte mal dort wieder die Heilige Messe feiern. (Egal welche form des römischen Ritus)
    Dann würde der Priester auch in die richtige Richtung schauen...
  • user
    Tobias Maier 02.04.2025 um 18:24
    Danke für diesen Kommentar! Es braucht kritische Geister, die den Finger auf die Wunde eines autoreferenziellen Kirchenbeamtentums legen!