Kardinal Charles Martial Allemand Lavigerie. (Bild: Bild Chaumot, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Weltkirche

Vater der Weis­sen Väter und Schwes­tern, Pri­mas von Afrika

Das antike Chris­ten­tum in Nord­afrika war mit der isla­mi­schen Erobe­rung des 7. Jahr­hun­derts unter­ge­gan­gen. Erst mit der Kolo­nia­li­sie­rung durch Frank­reich ergab sich Mitte des 19. Jahr­hun­derts die Mög­lich­keit zur Re-​Christianisierung. Eine Schlüs­sel­fi­gur in die­sem Pro­zess war Kar­di­nal Charles Mar­tial Alle­mand Lavi­ge­rie, der vor 200 Jah­ren, am 31. Okto­ber 1825, bei Bayonne im Bas­ken­land gebo­ren wurde.

Zunächst Bischof von Nancy, wurde der versierte Kirchenhistoriker und Jurist Lavigerie Anfang 1867 von Pius IX. zum Erzbischof von Algier ernannt. Im Vorjahr hatte in der nordafrikanischen Hafenstadt die Cholera grassiert. Mehr als 50 000 Menschen waren gestorben, viele Kinder wurden zu Waisen. In dieser Lage wollte der neue Erzbischof eine Schwesterngemeinschaft gründen, die sich den Notleidenden annahm. Er sandte einen Priester in die Bretagne, um junge Frauen anzuwerben, die bereit waren, den Menschen in Afrika zu dienen. «Weder Reichtum noch menschliche Grösse» konnte er versprechen, sondern nur «Armut, Elend, Selbstverleugnung und einen möglichen Märtyrertod».

Erzbischof Lavigeries längerfristiges Ziel war eine Wiederbelebung des antiken Christentums in Nordafrika, ja eine Verbreitung in ganz Afrika. Als Mittel dafür sah er Missionsgesellschaften, die sich für Bildung, für Arme, Kranke und Waisenkinder einsetzen sollten. Im Oktober 1868 gründete er die Gesellschaft der Afrikamissionare (Weisse Väter); 1869 folgte der weibliche Zweig, die Weissen Schwestern.

Schwestern im Sturm
Wie schwierig die Aufgabe sein würde, dessen war sich Erzbischof Lavigerie bewusst: «Bei den Muslimen kann sich niemand einem weiblichen Wesen nähern, ohne selbst eine Frau zu sein», heisst es in seinem Missionsappell. «So wartet hier auf euch Frauen ein Auftrag, wie er euch in der Kirche kaum noch je anvertraut worden ist.» Acht junge Frauen entschieden sich für Algier – die meisten hatten die Bretagne nie zuvor verlassen. Am 9. September 1869 trafen sie ein. Noch tags zuvor waren sie in einen Sturm geraten, mit dem die Geschichte der «Missionsschwestern Unserer Lieben Frau von Afrika» quasi begann.

Die landläufige Bezeichnung der «Weissen Väter» und «Weissen Schwestern» knüpft an das weisse Ordensgewand an. Allerdings wurde der Name allzu häufig mit der Hautfarbe assoziiert, weshalb später die Bezeichnung «Afrikamissionare» bevorzugt wurde. Ihre Spiritualität ist von den Jesuiten geprägt, die in den Anfangszeiten die Seminaristen des Ordens ausbildeten. Die Mitglieder sollten die Kultur der einheimischen Bevölkerung respektieren und eine bodenständige Kirche aufbauen.

1878 wurden Missionsstationen in Ostafrika und 1894 in Französisch-Sudan gegründet, dem heutigen Mali, Burkina Faso und Guinea. 1874 entstanden Niederlassungen in Frankreich, 1884 in Belgien, 1894 in Deutschland und 1901 in Kanada. Allerdings waren nicht alle Versuche von Erfolg gekrönt. 1876 wurden drei Missionare beim Versuch, durch die Sahara das heutige Mali zu erreichen, von Tuareg getötet.

Einsatz gegen Sklaverei
Erzbischof Lavigerie engagierte sich vehement gegen die Sklaverei. Er besuchte dafür Europas Hauptstädte und Regierungen, predigte ein Ende des Menschenhandels. Als Reaktion wurden vielerorts Anti-Sklaverei-Gesellschaften gegründet, unter anderem auch die Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver, deren Gründerin, Gräfin Maria Theresia Ledóchowska, vor genau 50 Jahren, am 19. Oktober 1975, seliggesprochen wurde.

1878 ernannte ihn Leo XIII. (1878–1903) zum Apostolischen Delegaten für Zentralafrika und damit zum Beauftragten für die Mission. Für seine Verdienste erhob er Charles Martial Allemand Lavigerie 1882 zum Kardinal.

Zwei Jahre später wurde – immer unter französischem «Protektorat» – das 1843 gegründete Apostolische Vikariat Tunesien zum Erzbistum Karthago erhoben und Kardinal Lavigerie mit dessen Leitung betraut. Unter Rückgriff auf die christliche Antike erhielt er mit dem Sitz von Karthago auch den alten Titel «Primas von Afrika».

Von Kardinal Lavigerie ging auch die Initiative zum Bau der Kathedrale in Karthago aus. Sie wurde binnen weniger Jahre auf dem höchsten Punkt des Bursa-Hügels errichtet, wo einst die Akropolis der antiken Grossmacht Karthago stand. Die mächtige Kathedrale St. Louis war dem heiliggesprochenen französischen König Ludwig IX. geweiht, der 1270 genau hier als Kreuzfahrer gestorben war.
 


«Eine blühende Kirche»
Das Gotteshaus verbindet byzantinisch-romanische und maurische Elemente. Ein umlaufendes Mosaikband formuliert in dicken lateinischen Lettern den Führungsanspruch des Hausherrn für «ganz Afrika». Es greift auch einen Ausspruch des elsässischen Papstes Leo IX. (1049–1054) aus der Zeit vor den Kreuzzügen des Mittelalters auf: Der Bischof von Karthago sei der erste in Afrika – und es werde dort wieder eine blühende Kirche entstehen.

Einstweilen freilich bestand die Kirche in Nordafrika im 19. und 20. Jahrhundert noch fast ausschliesslich aus Europäern, vielfach französische Beamte und Führungskräfte. Bildung, Erziehung und Caritas sorgten die Weissen Väter und einige andere Orden.

Kardinal Lavigerie war es wichtig, dass die zukünftigen Christen Überzeugungschristen sein sollen; er schrieb deshalb den Katechumenen eine vierjährige Vorbereitungszeit vor. Er vertrat bereits vor mehr als 100 Jahren die Ansicht, dass Afrika durch die Afrikaner selbst bekehrt werden müsse. Die Vision von Kardinal Lavigerie ist heute Wirklichkeit: In Afrika blüht die Kirche.

Toast von Algier
Berühmt wurde Kardinal Lavigeries sogenannter Toast von Algier. Im November 1890 sprach der Pragmatiker und Realist dort einen «Toast» aus, der die französischen Katholiken einlud, sich mit der Republik auszusöhnen, «soweit Gewissen und Ehre dies zulassen». Dies führte zu heftigen Protesten vom royalistischen Flügel und zu viel Verunsicherung unter einfachen Katholiken; Papst Leo XIII. sah sich genötigt, dem Kardinal beizustehen – zumal er diesen zuvor selbst zur Unterstützung seiner neuen Frankreich-Politik in diesem Sinne gebeten hatte.

Kardinal Lavigerie starb im November 1892 in Algier. Sein Leichnam wurde in seiner Kathedrale bestattet und nach der Enteignung der Kirche durch den tunesischen Staat 1964, der das Erzbistum Karthago für nichtig erklärte, nach Rom überführt. Nur drei Jahre nach Kardinal Lavigeries Tod, 1895, erfüllte sich ein alter Traum: Einer Karawane von Missionaren gelang es, ins Innere Westafrikas vorzustossen und Niederlassungen im heutigen Mali zu gründen.

«Ich bin ein Mensch; mein Herz entrüstet sich, wenn Menschen Ungerechtigkeit widerfährt. Ich bin ein Mensch, und Unterdrückung entehrt meine Natur. Ich bin ein Mensch, und die Grausamkeit gegenüber so vielen meiner Mitmenschen erfüllt mich mit Abscheu. Ich bin ein Mensch, und was ich für mich selbst tue, um die Freiheit und Ehre der heiligen Bande der Familie zu gewährleisten, will ich tun, um den Söhnen dieses Volkes die Ehre, die Freiheit und Menschenwürde zurückzugeben.»
Leitmotiv von Kardinal Charles Martial Lavigerie, formuliert 1865.


KNA/Redaktion


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