Medjugorje. (Bild: Piotr Frydecki, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Weltkirche

Vati­kan gewährt dem Wall­fahrts­ort Med­ju­g­o­rje das «Nihil obstat»

Gestützt auf die neuen Nor­men zur Beur­tei­lung mög­li­cher über­na­tür­li­cher Phä­no­mene hat der Vati­kan dem Wall­fahrts­ort Med­ju­g­o­rje das «Nihil obstat» (Unbe­denk­lich­keits­be­schei­ni­gung) erteilt. Diese Ent­schei­dung kommt über­ra­schend, wurde doch in ein­ge­weih­ten Krei­sen mit einem nega­ti­ven Urteil gerechnet.

Am 17. Mai 2024 erliess das «Dikasterium für die Glaubenslehre» neue «Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmasslicher übernatürlicher Phänomene». Weihbischof em. Marian Eleganti hat dieses von Kardinal Victor Manuel Fernández erlassene, von Papst Franziskus am 4. Mai 2024 approbierte Dokument kritisiert. Warum? Weihbischof Eleganti erhebt im Wesentlichen den Vorwurf, die Kirche traue sich damit im Gegensatz zu bisher nicht mehr zu «ein sicheres Urteil in Bezug auf den übernatürlichen Ursprung eines Phänomens abgeben zu können».

In der Tat: Grundsätzlich gilt, dass die Gläubigen nicht verpflichtet sind, Privatoffenbarungen zu glauben, da die Offenbarung mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen ist und die Kirche alles vorlegt, was zu glauben ist. Privatoffenbarungen können diesem Glaubensgut nichts Neues hinzufügen, wohl aber können sie es aktualisieren, weshalb die Kirche über solche Phänomene nicht einfach hinweggeht. Bisher hat die Kirche jeweils die «Übernatürlichkeit» bzw. «Nicht-Übernatürlichkeit» aussergewöhnlicher Phänomene festgestellt. Dies geschah vor allem auf der Ebene des jeweils zuständigen Diözesanbischofs. Neu soll im besten Fall nur noch das sogenannte «Nihil obstat» ausgesprochen werden: «Durch den Verzicht auf eine Erklärung der Übernatürlichkeit eines Phänomens werden Privatoffenbarungen generell herabgestuft auf die Ebene eines ‹Vorschlags›», so Weihbischof Marian.

Zudem fällt auf, dass die Kompetenz für die Beurteilung eines möglicherweise übernatürlichen Phänomens vom Ortsbischof weg hin zur Vatikanbehörde, sprich zum «Dikasterium für die Glaubenslehre», verlagert wird. Ebenso sehen die neuen Normen vor, dass eben dieses Dikasterium in bestimmten Fällen von sich aus eingreifen kann. Dies riecht stark nach Kontrolle und Zentralisierung, also just das Gegenteil von dem, was der heute so viel beschworene Begriff der «Synodalität» meint.

Fünf Kategorien
Konkret sehen die Neuerungen fünf Kategorien vor, in welche übernatürliche Phänomene eingeteilt werden können:

  1. Nihil obstat (keine Gewissheit über die übernatürliche Echtheit, aber doch viele Anzeichen für ein Wirken des Heiligen Geistes)
  2. Prae oculis habeatur (Existenz wichtiger positiver Zeichen wird attestiert, aber zugleich Feststellung einiger verwirrender Elemente oder möglicher Risiken, die weitere Nachforschungen des zuständigen Diözesanbischofs erfordern)
  3. Curatur (Feststellung mehrerer oder bedeutender kritischer Elemente, doch ist das Phänomen weit verbreitet und trägt nachweisbare geistliche Früchte, weshalb von einem Verbot abzusehen ist)
  4. Prohibetur et obstruatur (Feststellung positiver Elemente, jedoch auch von gravierenden Risiken und Elementen. Der zuständige Diözesanbischof wird ersucht, das Festhalten an diesem Phänomen zu untersagen)
  5. Declaratio de non supernaturalitate (Ermächtigung zuhanden des zuständigen Diözesanbischofs, förmlich das Phänomen als nicht übernatürlich bezeichnen zu können)

Abschliessend wird festgehalten, dass inskünftig auch für den Fall der Erteilung des «Nihil obstat» darauf verzichtet wird, das betreffende Phänomen als übernatürlich zu erklären. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass der Papst ein diesbezügliches Verfahren ermöglichen kann.

Diese Beschränkung auf eine Art «Negativ-Kompetenz» ist theologisch und ekklesiologisch höchst fragwürdig, läuft schon fast auf eine Teil-Demontage der eigenen Lehrautorität und Lehrtradition hinaus.

Giuseppe Nardi hat im Vorfeld der heutigen Veranstaltung mit dem Titel «Pressekonferenz über die geistliche Erfahrung von Medjugorje» die Mutmassung geäussert, dass der Vatikan die Erscheinungen von Medjugorje in die Kategorie «Curator» einteilen würde, sprich in eine Zwischenstufe.

«Nihil obstat» für Medjugorje
Nun hat der Vatikan doch noch für eine positive Überraschung gesorgt: Er verleiht mit heutigem Datum (19. September 2024) den Phänomenen des Wallfahrtsortes Medjugorje das «Nihil obstat», also die bestmögliche Einstufung. Es wird die Güte der geistlichen Früchte im Zusammenhang mit der Erfahrung in Medjugorje anerkannt und die Gläubigen werden ermächtigt, daran festzuhalten, da «viele positive Früchte aufgetreten sind und sich keine negativen oder riskanten Auswirkungen im Volk Gottes verbreitet haben».
Insgesamt fällt auch das Urteil über die Botschaften ebenfalls positiv aus, wenn auch mit Klarstellungen zu bestimmten Ausdrücken. Zudem wird darauf hingewiesen, dass «Schlussfolgerungen dieser Note kein Urteil über das sittliche Leben der angeblichen Seher implizieren».

Als positive Früchte, welche der Wallfahrtsort Medjugorje hervorgebracht hat, werden ausdrücklich die «Förderung einer gesunden Praxis des Glaubenslebens» gemäss der Tradition der Kirche genannt. Ebenso dazu gehören zahlreiche Bekehrungen, die den Glauben entdeckt oder wiederentdeckt haben, das Aufblühen der Beichtpraxis und der sakramentalen Kommunion, zahlreiche Berufungen und viele Versöhnungen zwischen Eheleuten und die Erneuerung des Ehe- und Familienlebens.

Gewürdigt wird in diesem Dokument auch der explizite Aufruf zur Umkehr in den Botschaften von Medjugorje (Aufruf zum Verzicht auf den konsumfixierten Lebensstil und das übermässige Verhaftetsein an weltliche Güter). Schliesslich hält das «Dikasterium für die Glaubenslehre» fest, dass die Gläubigen nicht verpflichtet sind, an die Botschaften von Medjugorje zu glauben, doch werde mit den «Nihil obstat» signalisiert, dass die Gläubigen durch dieses geistliche Angebot einen positiven Ansporn für ihr christliches Leben erhalten können und die öffentliche Verehrung erlaubt ist.
 

Offizielles Dokument zu Medjugorje


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Bemerkungen :

  • user
    Claudio 19.09.2024 um 19:21
    Im Grunde nichts neues unter der Sonne. Das Botschaften übernatürlich sind gibt es ja nicht mehr. Somit ist es ein Wallfahrtsort wie Einsiedeln oder andere marianische Wallfahrtsorte. Dank den neuen Bestimmung wird es in Zukunft kein Fatima Lourdes oder Akita mehr geben. Und Medjugorje hat somit auch nicht den Status eines Erscheiungsortes wie zum Beispiel Fatima.
    • user
      Meier Pirmin 20.09.2024 um 11:32
      Der Begriff "übernatürlich" ist und bleibt nicht einfach philosophisch fragwürdig, sondern er ist, auch von der Kirche und von den Theologen, meines Erachtens nicht genügend durchdacht. Es handelt sich bei diesen Erscheinungen um Geheimnisse, ähnlich wie das der Transsubstanziation, wobei jedoch das Geheimnis der Menschwerdung das wohl grösste bleibt, wodurch die Erwählung von Maria als der Muttergottes zum Beispiel von Teilhard de Chardin weniger , zwar auch, unter dem Gesichtspunkt der Erlösung gesehen wurde als ähnlich wie bei der franziskanischen Mystik als der Erlösung von uns Sündern noch übergeordnet die Vollendung der Schöpfung. Für dieselbe hätte es streng genommen der "Erbsünde" als felix culpa nicht einmal bedurft. Unter dem Gesichtspunkt der Vollendung der Schöpfung durch die Menschwerdung kann bei Gleichsetzung von natura mit creatura auf den Begriff des Übernatürlichen durchaus verzichtet werden. Der geniale Arzt und Philosoph Paracelsus hielt auf der Basis dieser Überlieferungen, die ehrlich gesagt einen Bezug zur Gnosis haben, Erscheinungen dieser Art nicht für übernatürlich, sondern im Sinne der Vollendung der Schöpfung für wundersam, des höchsten Erstaunens für würdig.

      Dabei handelt es sich, wie oben angedeutet, eher um ein Geheimnis als ein Wunder. Für einige der grössten Heiligen, so Franz von Assisi und Bruder Klaus, erst recht Thomas von Aquin in seinem letzten Lebensjahr, in der Westschweiz Maguerite Bays, natürlich Katharina von Siena, war der tägliche Kontakt mit Gott so unmittelbar selbstverständlich wie für unsereiner der Umgang mit Medien, mit dem Unterschied, das letzteres vielfach kein Weg zu einem selbst ist, sondern Ablenkung durch Schrott.