Christus. Mosaik in der Hagia Sophia. (Bild: Myrabella, Wikimedia Commons)

Kommentar

Ver­nach­läs­sigte und ver­drängte Wahrheiten

Die Rela­ti­vie­rung der Heils­mitt­ler­schaft Jesu Christi ist auch inner­halb der Katho­li­schen Kir­che ein weit­ver­brei­te­tes und besorg­nis­er­re­gen­des Phä­no­men. Das «extra eccle­sia nulla salus» (kein Heil ohne die Kir­che) wurde in unse­rer Zeit sehr stark relativiert.

Richtig ist, dass Gott unschuldig irrende Menschen auf Wegen, die ihm allein bekannt sind, zum Heil führen kann. Das ist richtig, weil Gott jedem Menschen das Angebot des Heils macht und will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Die Menschen, die nie etwas von Christus gehört haben oder ihn aus welchen Gründen auch immer nicht wirklich kennen, bilden nicht einfach eine «massa damnata» (eine Masse von Menschen, die das ewige Heil nie erlangen werden). Zu denken ist auch an die unzähligen unschuldigen Kinder, die schon im Mutterschoss getötet werden. Alle diesbezüglichen notwendigen Differenzierungen relativieren nicht die absolute Heilsnotwendigkeit der Mittlerschaft Jesu Christi und seines Heilswerkzeuges par excellence: die Kirche! Denn es ist den Menschen kein anderer Name gegeben, in dem sie das Heil erben sollen ausser der Name Jesu, vor dem jedes Knie sich beugen wird (im Himmel, auf Erden und unter der Erde). Und die Kirche ist seine Gründung und sein Mittel in der Zeit, zu den Menschen zu kommen und durch die Geschichte zu gehen.

Der universale und inklusive Heilswille Gottes, jeden Menschen zu retten und zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen, steht also auch in einem Zusammenhang mit dem unabdingbaren Missionsauftrag der Kirche. Die Kirche muss bei anderen Religionen nicht in die Schule gehen, sondern das lehren, was sie von Christus empfangen hat. Mit anderen Worten: Sie muss nach dem Missionsbefehl des Auferstandenen hinausgehen und alle Völker zu seinen Jüngern machen und taufen. Das ist Wort Gottes! Die Kirche ist «Mater et Magistra» / «Mutter und Lehrerin» der Völker. Sie bewahrt die von Gott ergangene Offenbarung in der Zeit und trägt sie unverfälscht zu allen Menschen. Ihre Sakramente sind das übernatürliche Lebenselixier, an welchem jeder Mensch gesunden soll, denn Christus schenkt sich in den Sakramenten. In der Heiligen Eucharistie kommt uns die Liebe Christi direkt entgegen. Was gibt es Grösseres als die eucharistische Vereinigung mit IHM? «Oh erhabene Demut, oh demütige Erhabenheit, dass Gott und Gottes Sohn sich uns unter der unscheinbaren Gestalt der Hostie hingeben (vgl. Franz von Assisi)!

Alternative Gottesdienstformen können die Heilige Eucharistie («Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens») nicht im Geringsten ersetzen. Wehe, wenn sie es versuchen; schon gar nicht, um die Bedeutung der Laien in der Kirche zu unterstreichen. In Wirklichkeit würde der Laie dadurch klerikalisiert und der Priester entsakralisiert. Dieser Verdrängungsprozess des Priesters durch Laien an seiner Stelle lässt sich überall beobachten bis hinauf in die Spitzen der Hierarchie. Derjenige, der ursprünglich dem Priester assistieren sollte (der Pastoralassistent war die nachkonziliare Errungenschaft schlechthin der 70er-Jahre), assistiert nun nicht mehr dem Priester, sondern ersetzt ihn. Sogar Bischöfe werden ihm zur Seite gestellt statt umgekehrt. Das ist in der Tat eine Verkehrung der sakramentalen Realität der Kirche. Es bleibt trotzdem wahr: Ohne den Priester wird es keine Kirche geben. Wo er verschwindet oder marginalisiert wird, liegt die Kirche in den letzten Zügen. Das hängt mit der Zentralität der Heiligen Eucharistie zusammen, die es ohne den Priester nicht gibt.

In ihrer Tradition hat die Kirche das Glaubensgut unverfälscht bewahrt und weitergegeben. Sie tut dies auch heute. Referenzpunkt bleibt der «Katechismus der Katholischen Kirche», der von den Bischöfen der Universalkirche in einem erstaunlichen Prozess der Redaktion geschrieben und vom Papst autorisiert wurde. Die Kirche braucht keine Ausleger, die die Heilige Schrift mit Berufung auf «neue» Erkenntnisse der Humanwissenschaften umschreiben wollen, Erkenntnisse, die schon morgen wieder revidiert werden. Denn darin besteht die Wissenschaft, nicht aber die Offenbarung. Wenn selbst Ansichten und Verhaltensweisen Jesu für zeitbedingt und korrekturbedürftig erklärt werden, ist die Schmerzgrenze definitiv erreicht.

Die Taufe bzw. der Glaube der Kirche sind heilsnotwendig. Durch sie werden wir ermächtigt, Kinder Gottes zu sein. Das bedeutet auch, dass wir es nicht ohne Weiteres und von Natur aus bereits sind – noch dazu egal, wie wir leben, oder was wir glauben. Wie können jene, welche die Mittlerschaft Jesu ausdrücklich ablehnen und bekämpfen, den Vater haben? Wie können sie «Kinder Gottes» sein im Vollsinn des Wortes? Nach den Worten Jesu hat den Vater nur, wer den Sohn hat und umgekehrt. Es führt also kein Weg zu Gott an Jesus vorbei. In IHM und mit IHM und durch IHN sind wir Kinder Gottes und wenden uns an den Vater. Relativierungen sind hier nicht angebracht und lähmen den missionarischen Eifer der Kirche. Sie sind eine Irrlehre. Missionare wie der heilige Franz Xaver nahmen unglaubliche persönliche Opfer auf sich, um Menschen für das ewige Leben zu retten durch den Glauben und die Taufe. Sie waren nicht auf dem Holzweg, sondern wir sind es, wenn wir meinen, wir könnten daran Abstriche machen und darauf verzichten, da angeblich jeder auch durch seine eigene Religion selig werde. Vielmehr wird er es trotz Irrtümern in seinem Glauben.

Warum ist Gott Mensch geworden? Warum hat er sich in seinem Sohn offenbart und uns in ihm die volle Wahrheit über sich offenbart? Warum hat er eine Kirche gegründet? Damit die Nichtchristen bei ihrer herkömmlichen religiösen Sozialisation bleiben? Ist Jesus nicht eine absolute Singularität, nämlich der Mensch gewordene SOHN GOTTES, den es nur einmal gibt und der alle Menschen angeht? Bringt er etwa in Bezug auf Gott keinen Erkenntnisgewinn gegenüber anderen, wie immer sie heissen? «Philippus, wer mich sieht, sieht den Vater!

Ja, Gott ist barmherzig. Aber er verletzt in seinem Werk, die Menschen zu retten, nie Wahrheit und Gerechtigkeit. Davon aber spricht Jesus in vielen Gerichtsgleichnissen. Es führt kein Weg an Wahrheit und Gerechtigkeit vorbei. Es gibt keinen Himmel, ohne durch diese Türen zu schreiten. Wer den Test nicht besteht wie am Flughafen bei den Metalldetektoren, wird zurückgewiesen. Er muss die Hindernisse, die ihn am Durchkommen hindern, ablegen bzw. loswerden. Ein Begriff für diese Realität ist in der kirchlichen Verkündigung das sogenannte «Fegfeuer», ein «Ort» der göttlichen Barmherzigkeit.

Und dann gibt es nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift auch jene, die sich absolut weigern, durch die Tür zu gehen, die Jesus Christus selbst ist. Auf jeden Fall spricht der Herr von einer Zweiteilung im Ausgang des Gerichts und fordert seine Jünger auf: «Bemüht euch mit aller Kraft, hineinzugelangen!»

Zu dieser Anstrengung gehört die Anstrengung der Kirche, allen Menschen das Evangelium vom Heil zu verkünden und die Sakramente des Heils zu bringen! Nichts anderes ist ihr prioritärer Auftrag, nicht Soziales, so sehr sie auch letzteres immer getan hat. Die Sünde ist real, und ihre Folgen für unser Leben aus Gott sind hinderlich und tödlich. Werden sie nicht bereut, führen sie zum Verlust der Gnade und des ewigen Heils. Wir sollten wieder lernen, die Sünde zu verabscheuen. Auf keinen Fall sollten wir sie auf die leichte Schulter nehmen, auch wenn die Barmherzigkeit Gottes in jedem Fall grösser ist als die Sünde. Der Sünder muss sie einsehen und bereuen, um die Barmherzigkeit Gottes mit all ihren heilsamen Wirkungen aufnehmen zu können. Auch das meint Jesus mit der «Wiedergeburt» von oben aus Geist und Wahrheit.

Es gibt eine Wahrheit. Sie wird manchmal die «harte Wahrheit» genannt, weil sie auf unsere Stimmung, Zustimmung und Gefühlslage keine Rücksicht nimmt; sie gilt unabhängig davon. Auch bleibt sie als Wahrheit unveränderlich, unabhängig vom Kommen und Gehen der Generationen und ihrer falschen Ansichten über sie. Unsere Zeit hat den Sinn für Objektivität verloren. Jeder erschafft sich seine eigene Welt, seine «Wahrheit», die nur für ihn stimmt, aber von Gott nicht anerkannt wird. Wenn etwas wahr ist, bleibt es per definitionem wahr für alle, sonst ist es keine Wahrheit. Zu dieser im Übrigen offenbarten Wahrheit gehört, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat und der Leib uns als solche definiert.

Je mehr das Evangelium und der Glaube der Kirche uns herausfordern, unser eigenes Mindset zu übersteigen, umso besser. Mit dem Glauben der Kirche sind nicht persönliche Ansichten gemeint, die wir bei irgendwelchen Gelegenheiten äussern, sondern gemeint ist das, was die Kirche von Anfang an gelehrt hat und für alle Generationen bewahrt. Die Wahrheit bzw. die Worte Jesu sind unumstösslich und bleiben nach seinem eigenen Zeugnis in Ewigkeit.

Die Härte der Wahrheit kommt nicht von jenen, die die Wahrheit des Glaubens hochhalten und lehren. Die Härte kommt von der Verschlossenheit des Herzens, auf welches die Wahrheit trifft. Dasselbe gilt für die Scheidung der Geister um der Wahrheit willen. Jesus sprach in diesem Zusammenhang von einem Schwert, das um seinetwillen auch Familien in ihren Ansichten über ihn spalten wird. Dieser Aspekt darf in der Verkündigung nicht fehlen. Der Herr ist kein «Softie». Er ist gütig und demütig von Herzen. Aber er bleibt die anspruchsvolle und situativ unbequeme Wahrheit ohne Abstrich.

Jesus Christus ist der WEG, die WAHRHEIT und das LEBEN. Er ist der derselbe, gestern, heute und morgen. In diesem Sinn kann es in der Kirche, die den Bräutigam kennt, keinen Paradigmen-Shift geben, keine neue Lehre, keine Erleuchtung, die alle bisherige Erkenntnis übersteigt oder in den Schatten stellt. Es gibt diesbezüglich keine revolutionären Erkenntnisse, die noch ausstehen oder jüngsten Datums sind. Es gibt auch keine neuen andere Kirchen im Sinne von: «Das Frühere ist vergangen; Neues ist geworden.» Wir kennen heute Jesus nicht besser als Gläubigen vor uns. Wir haben heute nicht tiefere Einsichten in die übernatürliche Wahrheit als die Heiligen in früheren Zeiten bzw. als die Kirche der Apostel. Wer die Apostelbriefe liest, kann sich schnell davon überzeugen. Technologischer Fortschritt hat uns nicht moralisch auf einen höheren Level gehievt. Philosophisch und moralisch gesehen sind wir vielleicht früheren Generationen gegenüber sogar Tiefflieger und Ignoranten eigenen Zuschnitts. Der Glaube der Kirche, den sie uns weitergegeben haben, ist jedenfalls nicht revisionsbedürftig. Wir sind es.
 

Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.


Weihbischof em. Marian Eleganti


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    Daniel Ric 05.02.2025 um 08:32
    Ich teile die Auffassung von WB Eleganti, dass die Wahrheit des Evangeliums sehr anspruchsvoll ist. Wir müssen hier alle die Demut besitzen, ob Laie oder Priester, ob konservativ oder progressiv, uns einzugestehen, dass niemand von uns in der Lage ist, Gottes Willen vollumfänglich zu erfüllen. Denken wir nur an die Aussagen Jesu in Mt. 25, 31-46. Wer von uns kann diese Nächstenliebe so radikal leben? Christ zu sein bedeutet ja nicht, einem Fanclub anzugehören, sondern im Alltag durch Werke den Glauben zu leben. Durch diese Betonung der Werke unterscheiden wir uns von den Protestanten. Deshalb fällt der interreligiöse Dialog Katholiken auch einfacher als Protestanten, da wir in jedem Menschen, der guten Willen zeigt, Gottes Wirken sehen. Auch wenn wir fest davon überzeugt sind, dass die Fülle des Heils in der katholischen Kirche zu finden ist, so sehen wir andere Religionen nicht als etwas Böses an, wie dies teilweise von Evangelikalen getan wird. Gerade der Heilige Johannes Paul II. hat sich im interreligiösen Dialog grosse Verdienste erworben. Stehen wir daher zum katholischen Glauben, indem wir ihn vor allem mit Werken bezeugen.
    • user
      Stefan Fleischer 05.02.2025 um 20:44
      So wie ich den Text verstehe, geht es WB Eleganti in erster Liniue nicht um die Frage der Erfüllung von Gottes Willen, sondern um die Verkündigung, was die Lhre der Kirche ist, die ganze Lehre und nichts als diese Lehre. Und hier stützt er sich wohl auf Paulus:
      "Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung." (2.Tim 4,2)
      • user
        Daniel Ric 06.02.2025 um 06:29
        Bei der Verkündigung der Lehre muss es ausschliesslich um die Frage gehen, wie wir Gottes Willen erfüllen können. Ansonsten verkündet die Kirche ja nur sich selbst und verfehlt ihren Auftrag. Es gibt keine kirchliche Lehre, die von Gottes Willen entkoppelt werden kann. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Kirche immer wieder die Frage stellt, inwiefern gewisse kirchliche Positionen Gottes Willen entsprechen. Ich bin beispielsweise überzeugt, dass die kirchliche Position zur Ehe und Sexualmoral eine ewige Wahrheit darstellt, die auch in der heutigen Zeit Bestand hat. Auch glaube ich, dass die Kirche ihre Auffassung zur Frage der Frauenordination nicht ändern kann. Auf der anderen Seite bin ich sehr froh darüber, dass Papst Franziskus die Todesstrafe geächtet hat. Es gibt heute keinen Grund mehr, an ihr festzuhalten. Nutzen wir daher auch unsere Vernunft, um der Frage nachzugehen, was Gottes Willen entspricht.
        • user
          Stefan Fleischer 06.02.2025 um 09:44
          Um Gottes Willen zu kennen, müssen wir ihn kennen. Damit wir ihn kennen, muss er uns verkündet werden. Diese Kenntnisse sind heute sselbst in christlichen Kreisen, oft ungenügend. Und unsere Verkündigung?
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          Anonym (warum wohl?) 06.02.2025 um 11:36
          Es ist aber ein Vergehen an J.-P. II, so zu tun, als hätte nicht er die Todesstrafe geächtet und zwar genug, als er wie ein Löwe vor den Vereinten Nationen dagegen ankämpfte. Das Spiel mit dem "Katechismus ändern" kann nur von Ketzern kommen.
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            Daniel Ric 06.02.2025 um 16:49
            Ich teile Ihre Auffassung zu Johannes Paul II. Auch sein Einsatz gegen den Krieg muss hier genannt werden. Er hat den Kosovokrieg sowie den Irakkrieg verurteilt.
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      Claudio Tessari 08.02.2025 um 10:46
      Kann man sagen die andern Religionen sind nicht Böse? Professor Dr. Georg May hat das mal schön beschrieben und den Psalm 95 zitiert: Die Götter der Heiden sind Dämonen. Wir müssen die Angehörigen anderen Konfessionen oder Religionen lieben, wir müssen aber auch die andere Religionen klar verurteilen. Der Islam ist eine antichristliche Religion. Die Kirche hat die Häresie immer als schädlich und böse verurteilt, hier finde ich sollte man schon differenzieren. Papst Benedikt hat immer wieder von der Diktatur des Relativismus gewarnt, wie auch kürzlich Kardinal Sarah, und glaube aus diesem Relativismus muss sich die Kirche lösen, genau wie der heiligmässige Weihbischof Marian es klar verkündet im Beitrag.
  • user
    Stefan Fleischer 05.02.2025 um 06:40
    Ja, der Stand der Wisssenschaft ink. der Theologie ist immer nur der aktuelle Stand des wissenschaftlichen Irrtums!
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    Claudio Tessari 04.02.2025 um 21:29
    Was für klare Worte. So sprechen wahre Hirten. Vergelts Gott
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    T.L.D 04.02.2025 um 20:36
    In der Kirche in der Schweiz gibt es gerade sehr viel Verwirrung. Als Konvertit merkte ich dies sofort. Ich setze mich oft mit der Lage in den USA aus und sehe dorf Hoffnung. Die meisten Priester, welche jetzt geweiht werden, sind viel konservativer als die, welche in den 60ern-90ern geweiht wurden. Was in den USA passiert, wird auch irgendwann auch hier Realität bzw. wird gerade schon Realität. Der liberale Katholizismus bringt keine Berufungen, da diese von ihm als unnötig und menschengemacht angeschaut werden.