Beim Gottesdienst war der Altersdurchschnitt rekordtief. ©VisionFamilie

Kirche Schweiz

«Viva la Fami­lia» – Ein katho­li­sches Fami­li­en­fest in Einsiedeln

Am Sams­tag, 19. August 2023, fand das fünfte Deutsch­schwei­zer Welt­fa­mi­li­en­tref­fen in Ein­sie­deln statt. Bei heiss-​sonnigem Wet­ter tra­fen sich zahl­rei­che Fami­lien im Stu­den­ten­hof des Klos­ters Ein­sie­deln. Auf dem Pro­gramm stan­den viel Spiel und Spass für die Klei­nen und wert­volle Impulse für die Grossen.

Das Kloster Einsiedeln ist sich als grösster Wallfahrtsort der Schweiz viel Betrieb gewohnt. Jährlich besuchen etwa 500 000 Pilger aus der ganzen Welt den prächtigen barocken Klosterbau mit der weltbekannten Schwarzen Madonna. So drückten sich auch letzten Samstag die ostkirchlichen Christen, die gerade in der Gnadenkapelle ihre göttliche Liturgie gefeiert hatten, und der Musikverein der Rheintaler Wallfahrt, die mit Pauken und Trompeten auf den Klosterplatz zogen, die Klinke in die Hand. Für Einsiedeln ist das intensive Pilgeraufkommen an einem Samstag nicht weiter ungewöhnlich. Trotzdem gab es an diesem Tag auf der linken Seite der imposanten Klosterfront, beim Eingang zum Studentenhof, etwas Untypisches zu sehen: Eine lange Reihe von Kinderwagen schob sich langsam – im Tempo von Kleinkinderschritten – durch die Pforte in den Innenhof der Einsiedler Schule. Familien aus der ganzen Schweiz versammelten sich in Einsiedeln, um geistliche Impulse zu erhalten, in Hüpfburgen zu turnen, alte und neue Bekanntschaften zu pflegen und bei einer Schnitzeljagd dem verborgenen Schatz von Einsiedeln auf die Spur zu kommen.

Spiel, Schatzsuche und ein Besuch bei der Schwarzen Madonna für die Kleinen
Das Organisationskomitee des fünften Weltfamilientreffens hatte ein breites Programm für jedes Alter auf die Beine gestellt. Am Vormittag und Nachmittag gab es eine in Altersstufen unterteilte Betreuung für die zahlreichen Kinder. Einige machten sich zum Beispiel auf, um den Schatz von Einsiedeln zu finden. Hierfür mussten sie nicht nur die Hinweise entschlüsseln, die in mit Wachs versiegelten Briefen überall auf dem Klostergelände verteilt waren. Auch mussten sie den Weg durch die langen Gänge des Klosters finden und sich mit Türen rumschlagen, die sich nur durch laute Nennung des richtigen Passwortes wie von Zauberhand öffneten. Doch die Mühe lohnte sich: Nebst der auf dem Weg gefundenen Schokolade wurden die Schatzsucher am Ende in der Gnadenkapelle in das Geheimnis der Schwarzen Madonna eingeweiht.

 

 

Impulse für eine erfolgreiche christliche Erziehung für die Grossen
Während die Kinder ihre eigenen Abenteuer erlebten, konnten die Eltern dem packenden Vortrag von Dr. Philip Mamalakis lauschen. Mamalakis lebt mit seiner Frau Georgia und seinen sieben Kindern in den USA, wo er Assistenzprofessor für Seelsorge an der Holy Cross Greek Orthodox School of Theology in Boston ist. Er unterrichtet Kurse zu Seelsorge, Ehe und Familie und hat eine Privatpraxis, wo er mit Einzelpersonen, Paaren und Familien arbeitet. Im Januar 2023 erschien sein Buch «Grosse Ziele, kleine Schritte – Überraschende Erziehungsperspektiven an den Quellen der christlichen Tradition» in deutscher Übersetzung im Fontis Verlag. Mamalakis sprach mit viel Humor, praxisorientiert und einfühlsam über die Herausforderungen der Kindererziehung. Er verstand es brillant, zu zeigen, wie Kindererziehung im Grunde nicht mehr (aber auch nicht weniger) verlangt als die konsequente Verfolgung des persönlichen Glaubens- und Heiligungswegs als Christ sowie die Begleitung und Vorbereitung der eigenen Kinder hierfür.

 

 

Gemäss Dr. Mamalakis ist ein häufiger Denkfehler der Eltern, dass sie von ihren Kindern bereits Heiligkeit erwarten. Kinder kommen aber nicht heilig auf die Welt, sondern neigen zur Sünde und schlechtem Verhalten, wie alle anderen auch. Sie bedürfen der religiösen, charakterlichen und sonstigen Erziehung. Es ist normal, dass sich Kinder und Jugendliche danebenbenehmen und einer Versuchung nicht widerstehen können. So ist es nicht die Aufgabe der Eltern, jedes Fehlverhalten im eigenen Haushalt durch absolute Kontrolle zu verhindern, sondern den Kindern beizubringen, wie man der Versuchung widersteht und wie man wieder aufsteht, wenn man ihr trotzdem erlegen ist. Psychologisch gesprochen geht es um Impulskontrolle und gesundes Sozialverhalten. Im Zentrum der Bemühungen stehen nicht die guten oder schlechten Verhaltensweisen des Kindes, sondern die Person. Eltern müssen ihren Kindern beibringen, wie man als Christ in der Welt bestehen kann und wie man mit Schwierigkeiten und Niederlagen in Umkehr und Vertrauen auf den liebenden Gott umgeht.

Es braucht Zeit und Geduld, bis Kinder christliche Werte verinnerlichen und eine bewusste Gottesbeziehung entwickeln können. Das effektivste Erziehungsinstrument hierfür ist nicht eine lückenlose Kontrolle, sondern die bewusste Ausübung der Vorbildfunktion. Kinder sind schon rein entwicklungspsychologisch so veranlagt, dass sie die Eltern nachahmen. Junge Eltern werden sich dessen oft schmerzlich bewusst, wenn sie ungeliebte Reaktionsweisen oder Floskeln aus der eigenen Erziehung plötzlich selbst bei ihren Kindern anwenden. Eltern müssen also primär um ihre eigene Heiligkeit und Gottesbeziehung besorgt sein, damit ihre Kinder von ihnen durch Nachahmung lernen können. All diese Überlegungen verdichtete Dr. Mamalakis auf ein konkretes Vier-Schritte-Programm, dass man durchgehen kann, wenn zum Beispiel ein Sprössling dem anderen soeben den letzten Muffin gestohlen hat. Diese praktische Herangehensweise stiess offensichtlich auf grosses Interesse, was sich am hohen Engagement des Publikums mit Kommentaren und Fragend während und nach dem Vortrag zeigte.

 

 

Eine Kinderpredigt für Erwachsene
Am Nachmittag gab es wieder viel Spiel und Spass für die Kleinen und eine Auswahl von Workshops sowie Festbetrieb für die Grossen. Trotz der Hitze herrschte eine Stimmung wie auf einem sehr grossen Familienfest. Zur Eucharistiefeier mit Abt Emmanuel Rutz von den Missionsbenediktinern in Uznach ging es dann aber in die kühle Klosterkirche. Während der Predigt zum äusserst passenden Tagesevangelium (Mt. 19, 13–15; «Lasst die Kinder zu mir kommen») liess Abt Emmanuel die Kinder zu Wort kommen, damit sie den Erwachsenen erklären, was das wichtigste am Glauben ist. Die Antworten liessen so manche Sonntagspredigt alt aussehen: «Jesus ist am Kreuz für uns gestorben», «Gott ist Liebe», «Gott kann ich alles erzählen», «Wir müssen immer beten» und ähnliche Antworten sprachen die Kinder spontan und ganz ohne Scheu in der grossen Klosterkirche ins vom Abt herangetragenen Mikrophon. Trotz des naturgemäss hohen Lärmpegels gelang eine schöne und andächtige Messe. Viele Eltern genossen es sichtlich, für einmal nicht beim kleinsten Mucks ihrer Kinder aus der Kirche rennen zu müssen. Nach der Messe zog die ganze Kinderwagenprozession aus dem Hauptportal der Kirche auf den Klosterplatz hinaus und wurde dort feierlich ausgesendet, um den Glauben in die nächste Generation zu tragen und als Vorbilder charakterstarken Christen auf dem Weg zur Heiligkeit voranzugehen.


Max Ammann

MLaw utr. iur. Max Ammann studiert gegenwärtig Theologie in Freiburg i. Ü. Als Jurist setzt er sich vor allem mit Fragen des Religionsverfassungsrechts, Staatsrechts und Verwaltungsrechts auseinander.


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Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 25.08.2023 um 19:00

    Einsiedeln bedeutete mir schon seit meiner Kindheit eine Aufbaustätte der Gläubigkeit im Sinne der Schönheit des Glaubens, siehe die jeweils prachtvoll gewandete Muttergottes des Gnadenbildes. "Weltfamilientreffen" klingt aufmunternd in einer Zeit, da die Kinder oftmals nur sehr bedingt noch in einer christlichen Gemeinde aufwachsen. Dabei wunderte ich mich etwas über den im Detail sicher unterhaltsam präsentierten Vortrag des Religionspädagogen und siebenfachen Familienvaters Dr. Mamalakis im Zusammenhang mit der angeblichen Eltern-Erwartung von Heiligkeit bei ihren Kindern, was vielleicht gewissen aufgeklärt-rousseauistischen Vorstellungen mal entsprochen hat, aber nicht dem von Augustinus geprägten christlichen Menschenbild mit dessen Satz "Gelb vor Neid blick der Säugling auf seinen Milchbruder". Insofern neigte die ältere christliche Pädagogik eher zu zuviel Strenge, bis hin auch zu den Bräuchen in den Klosterschulen mit der auch biblisch begründeten Rute, immerhin waren nach Jesuitischen Vorstellungen Kopfnüsse, Ohrfeigen, an den Ohren ziehen usw. verpönt, die Tatze war übrigens die "liberale" Nachfolgerin der Rute. Wie auch immer: das Kind wurde nicht schon von Natur aus als "gut" angesehen, sondern blieb "Zögling". Mit aber zur spirituellen Erweckung gehörte die Gesangserziehung und die Schulung zum Ministranten, die so weit ging, dass die Kinder, zumal die Knaben, zu Hause dann "Priesterlis" spielten, die Gesten um nicht zu sagen die Choreographie der Heiligen Messe einübten.

  • user
    Anita 23.08.2023 um 05:07

    Wunderbar ... ein so erbauender Artikel... merci vielmol, Max Ammann, und auch den Organisatoren des WFT ... das ist Zukunft, seid reich gesegnet alle...