Das diesjährige Heilige Jahr steht unter dem Motto «Pilger der Hoffnung». Ein solches Heiliges Jahr wird seit dem Jahr 1300 begangen – zunächst alle 50 und seit 1475 alle 25 Jahre. Mit diesem Jubeljahr steht die Kirche fest auf biblischem Grund, wie der Referent, Dr. Peter C. Düren[1] ausführte. Das Alte Testament kennt die Besonderheit eines «fünfzigsten Jahres». Dabei wird die jüdische Woche mit ihrem siebten Tag, dem Sabbat, auf den Zeitraum von sieben Jahren mit dem siebten Jahr als Sabbatjahr übertragen. Diese Siebenerjahresreihe wird potenziert zu 7² = 49 mit einem darauffolgenden 50. Jahr, das zum Jubeljahr erklärt wird (vgl. Lev 25,8–11).
Streng genommen hat nicht Papst Bonifaz VIII. das erste Heilige Jahr eingeführt und die Pilger dazu eingeladen – es war gerade umgekehrt. Zahlreiche Pilger waren wegen des Jahrhundertwechsels nach Rom gekommen. «Man feierte das 1300-jährige Jubiläum der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus; zugleich waren die Menschen von apokalyptischen Ängsten erfasst, da man ja nicht wissen konnte, ob Gott nun nicht vielleicht die Menschheitsgeschichte beenden und das Jüngste Gericht ausrufen werde», erläuterte der Referent. Papst Bonifaz VIII. sah nach dem Jahreswechsel die vielen Menschen, die nach Rom gepilgert waren, und verkündete rückwirkend – am 22. Februar 1300, dem Fest der Kathedra Petri – ein Jubeljahr.
Der Papst offerierte den Pilgerinnen und Pilgern ein besonderes Geschenk: vollkommene Ablässe. Die Römer mussten dazu an 30 Tagen die beiden Basiliken der Apostelfürsten St. Peter und St. Paul aufsuchen. Für auswärtige Pilger, die bereits die Strapazen einer Pilgerfahrt nach Rom unternommen hatten, wurde die Dauer auf 15 Tage verkürzt. Der Abstand zwischen den beiden Basiliken beträgt immerhin sechs Kilometer, dazu kam der Weg zur Unterkunft.
Dieses Jubeljahr hatte noch keinen Namen, erst im Jahr 1400 wurde der Begriff «Heiliges Jahr» eingeführt – damals sollen bereits 200 000 Pilgerinnen und Pilger nach Rom gekommen sein.
«Und dieses Angebot von umfassender Sündenvergebung und vollkommenem Straferlass im Heiligen Jahr durch Busssakrament und Ablass war offensichtlich ein sehr durchschlagendes pastorales Angebot, das nicht nur damals zahllose Pilger zu einer Romfahrt motivierte, sondern mittlerweile mehr als sieben Jahrhunderte lang die Gläubigen stark angezogen hat», resümierte Peter Düren.
Gang durch die Geschichte: Interdikt und Pest …
Der ursprünglich geplante 100-Jahres-Zyklus kam nie zum Tragen: Das zweite Heilige Jahr wurde bereits 1350 gefeiert. Dabei kam die Lateranbasilika (Papstresidenz vom 4. bis ins 14. Jahrhundert) als dritte Pilgerkirche dazu, womit der tägliche Pilgerweg nun 16 Kilometer betrug.
Das Heilige Jahr 1350 fand ohne Papst statt, da sich dieser im Exil in Avignon befand. Der Päpstliche Legat Erzbischof Annobaldo de Ceccano, der in Rom den Papst vertrat, verkürzte die Pilgertage zur Erlangung des Ablasses auf zehn, dann auf fünf und schliesslich auf einen Tag. «Damit entlastete er natürlich die Pilger sehr, allerdings waren die römischen Gastronomen wütend auf den Legaten, da weniger hungrige und durstige Pilger zu versorgen waren, was wiederum geringere Einnahmen für die Gastwirte bedeutete», wusste Peter Düren zu berichten. Der Päpstliche Legat musste fliehen und verhängte im Gegenzug das Interdikt über Rom – mitten im Heiligen Jahr! «Man stelle sich die enttäuschten Pilger vor, die viele Strapazen auf sich genommen hatten, um nach Rom zu pilgern und nun weder das Busssakrament samt Ablass noch die Heilige Kommunion empfangen konnten.» Erzbischof Annobaldo de Ceccano starb mitten im Heiligen Jahr, man vermutet, an einer Vergiftung.
1390 wurde als vierte Pilgerkirche die Basilika Santa Maria Maggiore hinzugefügt, was den Pilgerweg nur unwesentlich auf 17 Kilometer verlängerte.
Im Jubeljahr 1400 wurde das «Schweisstuch der Veronika» den Pilgern zur Verehrung gezeigt – 120 000 sollen es gewesen sein, wobei allerdings die meisten anschliessend von der Pest dahingerafft worden sein sollen. Heute würde ein solch furchtbares Ereignis zweifellos das Aus für das «Heilige Jahr» bedeuten. «Jedoch damals dachte man wohl eher daran, dass man nach einer solchen Pilgerfahrt, gereinigt durch das Busssakrament und beschenkt mit dem vollkommenen Nachlass aller Sündenstrafen auf direktem Wege in den Himmel gelangen und somit sein ewiges Ziel erreichen würde», so der Referent.
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