Die im Römischen Reich lebenden Christen hatten zunächst die Zeitrechnung der Römer übernommen, die sich auf die mythische Gründung der Stadt Rom bezog (753). Dann begannen manche, die Jahre nach der «Märtyrer-Ära» zu berechnen: Der Beginn wurde auf den Amtsantritt des römischen Kaisers Diokletian 284 nach Christus gelegt, unter dessen brutalen Christenverfolgungen zahlreiche Christinnen und Christen das Martyrium erlitten. Die Koptische und die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche halten sich bis heute an diese Zeitrechnung. Doch aus Sicht mancher Christen gehörte es sich nicht, die Zeit nach dem gottlosen römischen Kaiser auszurichten.
Zankapfel Ostertermin
Der Mönch Dionysius Exiguus, geboren am Westufer des Schwarzen Meeres, hatte im griechischen Osten eine umfassende klassisch-hellenistische Bildung genossen und sich als Übersetzer griechischer Texte ins Lateinische einen Namen gemacht. Er gilt als einer der bedeutendsten Mittler zwischen griechischer und lateinischer Geisteswelt. Um das Jahr 496 kam er nach Rom, um im Auftrag des Papstes die in griechischer Sprache abgefassten Quellen der frühen Konzilien und des Kirchenrechts ins Lateinische zu übersetzen – ein Werk, das es den Päpsten ermöglichte, in jedem religiösen oder kirchenpolitischen Streit auf eine reichhaltige Sammlung von Wissen zurückgreifen zu können.
Das frühe Christentum war zersplittert und von einer fest gefügten Kirchenorganisation und Glaubenslehre noch weit entfernt. Besonders deutlich zeigte sich dies bei der Festlegung des Ostertermins, über den sich die Bischöfe und Patriarchen der Christenheit oft nicht einigen konnten.
Beim Streit um die Ostertermine griff Papst Johannes I. im Jahr 525 auf Dionysius Exiguus zurück. Der hochgelehrte Mönch vergrub sich in alte Akten und berief sich auf Beschlüsse des berühmten Konzils von Nizäa aus dem Jahr 325, um die Ostertermine der folgenden 95 Jahre auszurechnen. Das sorgte für Frieden in der Christenheit.
Dass heute West- und Ostkirchen keinen gemeinsamen Ostertermin haben, liegt an der Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. im Jahr 1582: Die Westkirche richtet sich nach dem (neuen) Gregorianischen Kalender, die Ostkirchen hingegen verwenden für die Berechnung des Ostertermins den Julianischen Kalender.
Die Reform war notwendig geworden, da ein julianisches Kalenderjahr um etwa elf Minuten länger ist als das Sonnenjahr. Dadurch verschob sich der astronomische Frühlingsanfang etwa alle 128 Jahre um einen Tag auf ein früheres Kalenderdatum und der Ostertermin wurde nicht mehr richtig bestimmt.
Neue Zeitrechnung überfällig
Bei seinen Studien kam Dionysius Exiguus zur Überzeugung, dass eine neue Zeitrechnung überfällig sei. Die neue christliche Ära sollte mit dem Jahr der Geburt Christi anfangen, war er überzeugt. Aus den spärlichen Zeitangaben der Evangelien und der Apostelgeschichte berechnete Dionysius den vermeintlichen Zeitpunkt der Geburt Jesu und damit das Jahr eins. Sich selbst verortete er im Jahr 525 nach Christi Geburt.
Beda Venerabilis (672/673–735), ein englischer Benediktiner, vervollständigte die ursprünglich nur auf 95 Jahre (532–626) ausgelegten Tafeln zu einem kompletten zweiten alexandrinischen Zyklus (532–1063). Damit erlangte die Zeitrechnung nach Dionysius Exiguus allmählich innerkirchliche Anerkennung. Es war auch Beda Venerabilis, der die Zeitrechnung erstmals in seinen historischen Schriften verwendete.
Diese Zeitrechnung setzte sich seit dem 8. Jahrhundert in ganz Europa und später in der gesamten christlich geprägten Welt durch. Heute ist klar, dass die Berechnungen von Dionysius Exiguus auf wackeligen Füssen standen. Vergleicht man die wenigen Datierungen der Evangelien mit den historischen Fakten, ergeben sich Widersprüche: So starb der biblische Kindermörder Herodes bereits vier Jahre vor Christi Geburt.
Viele Historiker kommen deshalb zu dem Schluss, dass Jesus in der Zeit zwischen 7 und 4 vor Christus geboren sein muss.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Am wahrscheinlichsten ist immernoch, dass Christus am 25. Dezember - hebr. Kislew - im Jahr 1 v. Chr. beziehungsweise nach astronomischer Zählung im Jahr 0 geboren wurde, weder 6 nach ("Cyrenius Statthalter von Syrien") noch 7 vor (Jupiter-Saturn-Konjunktion) oder 4 vor (Tod von Herodes dem Grossen).