«Glaube und Wissenschaft» von Ludwig Seitz, um 1887, Vatikanische Museen.

Hintergrundbericht

Vor 25 Jah­ren ver­öf­fent­lichte Johan­nes Paul II. «Fides et ratio»

Als Johan­nes Paul II. 1998 seine Über­le­gun­gen zum Ver­hält­nis von Theo­lo­gie und Phi­lo­so­phie in einer Enzy­klika vor­legte, war das Echo verhalten.

In der neuesten Papstgeschichte werden die beiden Amtszeiten von Johannes Paul II. (1978–2005) und Benedikt XVI. (2005–2013) manchmal als «Doppelpontifikat» gesehen. Das mag vor allem in ihrem engen persönlichen Verhältnis begründet sein. Doch gibt es auch eine thematische Verbindung: Die Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft war für beide eine entscheidende Frage.

Während Johannes Paul II. vor allem von philosophischen Ansätzen ausging, war sein Glaubenspräfekt der Denker der Theologie. Daraus wurde ein Doppelpontifikat, das mit mehreren Lehrschreiben einerseits die Weltbezogenheit der Katholischen Kirche betonte, darin aber das Alleinstellungsmerkmal des Katholizismus ausdrückte: Die Katholische Kirche ist als Kirche Christi die Verkündigerin der Wahrheit in der Welt.

Philosophie als «ancilla theologiae»
Die Katholische Kirche sieht Theologie und Philosophie aufeinander bezogen. Das irritiert Philosophen – und nicht zuletzt Theologen anderer Konfessionen, vor allem protestantischer Tradition. Doch ist die Vereinbarkeit natürlicher Erkenntnis mit dem, was der geoffenbarte Glaube verkündet, ein Grundpfeiler der katholischen Lehre. Johannes Paul II. erinnert in seiner Enzyklika «Fides et ratio» vom 14. September 1998 vor 25 Jahren genau an diese Verbindung.

In diesem Schreiben bekennt der polnische Pontifex, Glaube und Vernunft seien «wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt». Johannes Paul II. spricht von der «impliziten Philosophie» – von Prinzipien, die alle Menschen teilten, ob bewusst oder unbewusst. Damit spielt er auf das Motiv der Philosophie als «ancilla theologiae» (Magd der Theologie) an - die vielen neuzeitlichen Theologinnen und Theologen gar nicht schmeckte.

Johannes Paul II. betont, dass es hinter allem historischen und kulturellen Wandel der Ausdrucksformen absolute Wahrheiten gibt, die immer und für jedermann gelten. Am Vortag seines 20-jährigen Amtsjubiläums rief er dazu auf, verstärkt nach dem Sein des Menschen zu fragen; die Kenntnis vom Menschen genüge nicht. Das 170-seitige Lehrschreiben kritisiert insbesondere solche Denkansätze, die alles einseitig aus Sicht der Naturwissenschaft oder der Geschichte zu erklären versuchen.

Zugleich betonte Johannes Paul II.: Die Wahrheit, die Gott in Jesus Christus geoffenbart habe, stehe nicht im Widerspruch zu jenen Wahrheiten, zu denen man durch das Philosophieren gelange. Daher solle man eine greifbare «tiefe Einheit» von Glauben und Philosophie wiedererlangen. Das mahnte er auch für die Studentinnen und Studenten der Theologie an.

Eindringlich erinnerte der Papst an die Folgen der radikalen Trennung von Vernunft und Glauben, den die Neuzeit mit sich gebracht hatte.
«Nachdem die Vernunft ohne den Beitrag der Offenbarung geblieben war, hat sie Seitenwege eingeschlagen, die die Gefahr mit sich bringen, dass sie ihr letztes Ziel aus dem Blick verliert», schrieb er in dem Text, zu dem seinerzeit bereits sein späterer Nachfolger Joseph Ratzinger inhaltlich erkennbar zuarbeitete.

Glaube ohne Vernunft betone Empfindung und Erfahrung, so die Warnung des Schreibens in Richtung einer rein auf Frömmigkeit und Mystik ausgerichteten Theologie. Ein solcher Glaube laufe Gefahr, kein universales Angebot mehr zu sein – die Religionssoziologie spricht in diesem Fall von einer Sektenbildung. «Es ist illusorisch zu meinen, angesichts einer schwachen Vernunft besitze der Glaube grössere Überzeugungskraft; im Gegenteil, er gerät in die ernsthafte Gefahr, auf Mythos bzw. Aberglauben verkürzt zu werden. In demselben Mass wird sich eine Vernunft, die keinen reifen Glauben vor sich hat, niemals veranlasst sehen, den Blick auf die Neuheit und Radikalität des Seins zu richten.»

Späte Anerkennung
Trotz dieser Argumente stiessen die Worte des Papstes zunächst vielfach auf Skepsis. Ein Kommentator der «Zeit» schrieb damals: «Aus dieser Enzyklika spricht viel Heimweh nach der heilen Welt des Mittelalters, nach einer Zeit, als Frömmigkeit und Scharfsinn noch Hand in Hand arbeiteten.» Auch sonst blieb das Echo verhalten.

Jahre später erstaunte ausgerechnet in Deutschland ein Dialog des Philosophen Jürgen Habermas mit Kardinal Ratzinger, der ganz auf der Linie von «Fides et ratio» argumentierte. In seinem Pontifikat als Benedikt XVI. wurde Ratzinger auch in Italien als Gesprächspartner von säkularen Denkerinnen und Denkern geschätzt. Im Dialog mit dem bekennenden Liberalen Marcello Pera setzte sich Papst Benedikt mit dem Relativismus und der Krise der europäischen Kultur auseinander. Und für den italienischen Philosophen Giorgio Agamben wurde dessen Amtsniederlegung als Papst sogar zum Schlüssel für eine Deutung der krisenhaften Lage der westlichen Welt.


KNA/Redaktion


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