Petrusstatue vor dem Petersdom. (Bild: Westerdam, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Kommentar

Wäre ein Ehren­pri­mat des römi­schen Pon­ti­fex ein ech­ter öku­me­ni­scher Fortschritt?

Die von der Römisch-​katholischen Kir­che getrenn­ten Kir­chen und kirch­li­chen Gemein­schaf­ten sen­den Signale, dass für sie ein Ehren­pri­mat des römi­schen Paps­tes als gemein­sa­mes Sprach­rohr der Chris­ten und als Mode­ra­tor von Zusam­men­künf­ten mit gemein­sa­men Anlie­gen denk­bar wäre.

Letztere müssten natürlich alle zuerst synodal verhandelt und entschieden werden. Sonst stünden dann doch nicht alle hinter dem, was der Papst in ihrem Namen sagt. Allein das ist bereits eine steile Vorlage. Mehr liegt aber nicht drin, wie sich abzeichnet, als dieser kleinste gemeinsame Nenner: ein Ehrenprimat! Aber ist das wirklich etwas Neues? Aus meiner Sicht: Nein. Was hier als mögliche ökumenische Errungenschaft vorgestellt wird und auf die Anerkennung durch die getrennten Christen wartet, ist schlicht und einfach bereits der Fall, ob es einem gefällt oder nicht.

Aufgrund seiner historisch gewachsenen Autorität und Stellung kann niemand verhindern, dass der Papst wie kein anderer für das Christentum steht und sich auf der Weltbühne entsprechend und anerkanntermassen bewegt. Auch kann er jederzeit Vorsteher anderer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften nach Rom einladen, um mit ihnen eine Agenda zu diskutieren, die für alle Beteiligten relevant ist, wenn er oder sie das wollen. Also nichts Neues.

Nun signalisieren die von ihm getrennten Christen: Ein Ehrenprimat wäre für uns denkbar. Darin mögen viele einen Fortschritt erkennen, falls es einmal aus ihrer Sicht dazu kommen wird. Bei genauerem Hinsehen hätte sich wenig bis nichts bewegt. Die vom Papst getrennten Christen betrachten nämlich ihren Status als legitim und authentisch. Deshalb wollen sie bei ihrem Glauben und bei ihren Strukturen bleiben und nicht in den Schoss der Römisch-katholischen Kirche zurückkehren unter der Jurisdiktion des Papstes, der von Petrus die Schlüsselgewalt geerbt hat und von dem sie sich aus unterschiedlichen Motiven zu einem geschichtlichen Zeitpunkt abgespalten haben. Eine Rückkehr in diesem Sinne kommt also erklärtermassen nicht infrage. Das bedeutet, dass die in Aussicht gestellte Erklärung eines allseits akzeptierten Ehrenprimates das Ärgernis der Spaltung kaschieren – und die Berechtigung verschiedener «Christentümer», um es etwas salopp zu formulieren, zementieren würde. Man hätte einen gemeinsam anerkannten Modus vivendi etabliert, der aber nicht der vollen Einheit mit der Römisch-katholischen Kirche entspricht, die zweifellos das Ziel der Wiederherstellung von allem, nämlich der unteilbaren Einheit, ist. Eine real nicht existierende Einheit wäre damit geklittert und nolens volens legitimiert. Das kommt einem Narkotikum für den echten Schmerz über die Kirchenspaltung gleich und dem Bekenntnis, keine historischen Fehler gemacht zu haben, die zur Spaltung geführt haben. Und genau das ist das Gefährliche daran.

Die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die Christus auf Petrus, dem Felsen, gegründet hat, ist jedenfalls etwas anderes als diese Art von «communio ecclesiarum». Sie ist in der Römisch-katholischen Kirche vollumfänglich verwirklicht. Der Papst kann von dieser Maximalforderung nicht abrücken oder sich mit weniger begnügen, weil sie aus katholischer Sicht eine unfehlbare Wahrheit und Wirklichkeit ist. Die Schlüsselgewalt bedeutet eben die volle Jurisdiktionsgewalt über das Haus. Wie ihre Einheit muss die Kirche sichtbar sein. Das ist sie durch die Einheit im apostolischen, sakramentalen Amt.

Kurz: Mit einem allgemeinen akzeptierten Ehrenprimat wäre sozusagen und realistischerweise das ökumenisch Erreichbare erreicht. Mehr (die Maximalforderung) liegt nicht drin. Das haben die bisherigen Konsensgespräche bereits erwiesen. Ist es das, was Christus gewollt hat und immer noch will, als er seine Kirche auf Petrus, dem Felsen, baute? Der Glaube der Kirche lehrt mich: Nein, ist es nicht! Wir erinnern uns an den Ersten Korintherbrief des heiligen Paulus. Es gibt nur einen Leib Christi, und dieser ist sichtbar und nicht zerteilt: ein Leib, eine Taufe, eine Eucharistie, ein Glaube. Sichtbar wird er in der Einheit mit Petrus, der Paulus dessen eigene Sendung und Verkündigung bestätigt hat. Deshalb ging Paulus nach Jerusalem und hielt sich 14 Tage bei Petrus auf: Um sicher zu sein, dass er (ohne die Beglaubigung durch Petrus) mit seinem Evangelium nicht ins Leere läuft. Und Petrus hat ihn bestätigt und zu den Heiden gesandt.

Aufgrund des Gesagten glaube ich nicht an eine schrittweise Rückkehr zur vollen Einheit in Vorstufen. Als eine solche Vorstufe könnte der angepeilte Ehrenprimat gesehen werden nach dem Motto: Besser als nichts. Meiner Meinung nach würde das dazu führen, die volle Einheit unter der Jurisdiktion des Papstes überhaupt nicht mehr anzustreben und sich mit dem Ehrenprimat zu begnügen. Die von uns getrennten Christen sehen es jedenfalls so. Zu mehr sind sie nicht bereit. Das Wort «Rückkehrökumene» darf nicht einmal mehr in den Mund genommen werden. Sie gilt als obsolet.

Im krassen Gegensatz dazu weisen uns die Konvertiten den richtigen Weg. Sie sind die wahren Ökumeniker. Sie wissen, wovon sie reden und warum sie konvertieren. Das darf nicht ausgeklammert werden. Auf sie sollte man hören. Manche haben für ihre Konversion ein Martyrium auf sich genommen. Warum? Weil sie in ihrem Gewissen von der Wahrheit geleitet wurden, nicht von einem ausgehandelten kleinsten gemeinsamen Nenner. Wie gesagt widerspricht dieser der (ganzen bzw. vollen) Wahrheit des Petrusamtes und dem Willen Jesu, der Petrus diese Vollmacht feierlich übertragen hat. Ohne diese Vollmacht bleibt das Petrusamt – wie bereits Johannes Paul II. am 25. Mai 1995 in seiner Enzyklika über den Einsatz für die Ökumene «Ut unum sint» (Nr. 94) ausdrücklich festgehalten hat – eine Illusion. Wir sollten aber nicht Illusionen erzeugen, wo wir von Einheit reden. Zur Erinnerung und im Hinblick auf seine bleibende Bedeutung zitiere ich hier den entsprechenden Passus in seiner vollen Länge:

«94. Dieser im Werk der göttlichen Barmherzigkeit verwurzelte Dienst an der Einheit wird innerhalb des Bischofskollegiums einem von denen anvertraut, die vom Heiligen Geist den Auftrag erhalten haben, nicht die Macht über das Volk auszuüben — wie das die Führer der Nationen und die Mächtigen tun (vgl. Mt 20,25; Mk 10,42) —, sondern es zu leiten, damit es sich ruhigen Weiden zuwenden kann. Diese Aufgabe kann die Hingabe des eigenen Lebens erfordern (vgl. Joh 10,11-18). Nachdem der hl. Augustinus dargelegt hat, dass Christus »der einzige Hirte (ist), in dessen Einheit alle eins sind«, fordert er auf, ‹dass daher alle Hirten eins sein sollen in dem einzigen Hirten, dass sie die einzige Stimme des Hirten hören lassen sollen; dass die Schafe diese Stimme hören, ihrem Hirten, das heisst nicht diesem oder jenem, sondern dem einen folgen sollen; dass alle in ihm eine einzige Stimme und nicht widersprechende Stimmen vernehmen lassen sollen; die Stimme macht frei von jeder Spaltung, reinigt von jeder Irrlehre, die die Schafe hören›. Der Auftrag des Bischofs von Rom in der Gruppe aller Bischöfe besteht eben darin, wie ein Wächter zu ‹wachen› (episkopein), so dass dank der Hirten in allen Teilkirchen die wirkliche Stimme des Hirten Christus zu hören ist. Auf diese Weise verwirklicht sich in jeder der ihnen anvertrauten Teilkirchen die una, sancta, catholica et apostolica Ecclesia. Alle Kirchen befinden sich in voller und sichtbarer Gemeinschaft, weil alle Hirten in Gemeinschaft mit Petrus und so in der Einheit Christi sind.

Mit der Vollmacht und Autorität, ohne die dieses Amt illusorisch wäre, muss der Bischof von Rom die Gemeinschaft aller Kirchen gewährleisten. Dadurch ist er der Erste unter den Dienern an der Einheit. Dieser Primat wird auf verschiedenen Ebenen ausgeübt; sie betreffen die wachsame Aufsicht über die Weitergabe des Wortes, über die Feier der Sakramente und der Liturgie, über die Mission, über die Disziplin und über das christliche Leben. Dem Nachfolger des Petrus obliegt es, an die Forderungen des Gemeinwohls der Kirche zu erinnern, falls jemand versucht wäre, dies zugunsten eigener Interessen zu vergessen. Er hat die Pflicht hinzuweisen, zu warnen und manchmal diese oder jene Meinung, die verbreitet wird, für unvereinbar mit der Einheit des Glaubens zu erklären. Wenn es die Umstände erfordern, spricht er im Namen aller Hirten, die mit ihm in Gemeinschaft stehen. Er kann auch — unter ganz bestimmten, vom I. Vatikanischen Konzil klargestellten Bedingungen — ex cathedra erklären, dass eine Lehre zum Glaubensgut gehört. Durch dieses Zeugnis der Wahrheit dient er der Einheit.» (Hervorhebungen durch den Autor.)
 

Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.


Weihbischof em. Marian Eleganti


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    Claudio Tessari 17.10.2024 um 11:05
    Wir müssen nur schauen wie es die ersten Christen verstanden beim heutigen Apostelschüler und Märtyrer dem Bischof Ignatius von Antiochen!
    8. Kap. Seid eins mit dem Bischof!
    1. Alle sollt ihr dem Bischof gehorchen wie Jesus Christus dem Vater, und auch dem Presbyterium wie den Aposteln; die Diakonen aber ehret wie Gottes Anordnung. Keiner tue ohne den Bischof etwas, das die Kirche angeht. Nur jene Eucharistie gelte als die gesetzmäßige, die unter dem Bischof vollzogen wird oder durch den von ihm Beauftragten. 2. Wo immer der Bischof sich zeigt, da sei auch das Volk, so wie da, wo Jesus Christus ist, auch die katholische Kirche ist. Ohne den Bischof darf man nicht taufen noch das Liebesmahl feiern; aber was immer er für gut findet, das ist auch Gott wohlgefällig, auf dass alles, was geschieht, sicher sei und gesetzmäßig.
  • user
    Diakon Dominik Meier-Ritz 16.10.2024 um 10:28
    Jesus hat nur EINE Kirche gestiftet und sie Petrus mit Bindungs- und Lösungsgewalt anvertraut.
    In der charta oecumenica verpflichtet sich die veangelische Allianz auf "Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche" als Ziel einer echten Ökumene. Das bedeutet nichts anderes als eine Rückholökumene in die röm.-kath. Kirche.
    Zuerst jedoch müsste es eine innerevangelische Ökumene und Besinnung geben zwischen den einzelnen abgespaltenen christlichen Gemeinschaften (nicht "Kirchen"!). Sie müssten zumindest mit EINER Stimme sprechen können, um ein ernstzunehmender Dialog-Partner für die Katholiken sein zu können. Solange der kleinste gemeinsame Nenner nur heisst: "Jesus (nicht mal Christus!) hat gelebt und ist gestorben", stehen wir noch ganz am Anfang einer ernsthaften Ökumene, die sich nach Wahrheit sehnt. Kurt Kardinal Koch hat es klar ausgedrückt: Die Ökumene bei uns ist in eine Sackgasse geraten. Das wenige Gemeinsame ist längst ausgelotet. Weiter kommen wir nicht. Uns Katholiken fehlen dafür verbindliche Ansprechpartner auf evangelischer Seite.
    Letztendlich müssen wir feststellen, dass eine wiedergeschenkte Einheit ein Werk des Hl. Geistes sein wird und nicht das Ergebnis fauler menschlicher Kompromisse.
    Katholisch ist nicht Tuttifrutti für alles Mögliche und Unmögliche.
    • user
      Oraetlabora 16.10.2024 um 13:22
      Genau!