Impressionen der diesjährigen Wallfahrt. (Bilder: zVg)

Weltkirche

Wall­fahrt Paris – Char­tres: Jugend der Kir­che – Kir­che der Jugend

An der 43. Paris-​Chartres Wall­fahrt vom 7. bis 9. Juni 2025 nah­men 20 000 vor­wie­gend junge Pil­ge­rin­nen und Pil­ger teil. Inspi­riert vom Thema «Pour qu’il règne!» (Damit Er herr­sche!) leg­ten sie die 100 Kilo­me­ter zurück – mit Gebet, Gesang, Kate­chese, Gemein­schaft und der Feier der Eucha­ris­tie im klas­si­schen Ritus.

Die Wurzeln der Wallfahrt von Paris nach Chartres reichen bis ins Mittelalter zurück. Bereits im 12. Jahrhunderts pilgerten Menschen aus ganz Europa nach Chartres, wo in der Kathedrale eine der ältesten Marienreliquien verehrt wird, das sogenannte Sancta Camisia, ein Schleier, den Maria bei der Geburt Christi getragen haben soll. 1983 wurde diese Pilgertradition wiederbelebt und wird vom Verein «Notre-Dame de Chrétienté» organisiert. Die Wallfahrt findet traditionell am Pfingstwochenende statt und führt von Paris nach Chartres – eine Strecke von rund 100 Kilometern.

War es im Jahr 1983 eine überschaubare Schar von rund 500 Personen, nahmen dieses Jahr rund 20 000 Pilgerinnen und Pilger den Weg auf sich – das Durchschnittsalter lag bei 20 Jahren. Die aktuell grösste Fusswallfahrt in ganz Westeuropa war bereits nach fünf Tagen ausgebucht, 2000 liessen sich auf die Warteliste setzen. Unter den Pilgern waren über 2000 Kinder und 3300 Familienpilger; darüber hinaus begleiteten 6000 Schutzengelpilger – Pilger, die verhindert waren – aus 40 Nationen die Wallfahrt mit ihrem Gebet. Mehr als 1000 Freiwillige und 120 Mitglieder des Vereins «Notre-Dame de Chrétienté» sorgten für den reibungslosen Ablauf, indem sie Essen, Zelte und sanitäre Einrichtungen organisierten, medizinische Hilfe anboten und für die Sicherheit des Pilgerzuges besorgt waren, der sich auf 10 Kilometer erstreckte.

Rund 430 Kleriker machten die Wallfahrt mit, beteten und feierten über 300 heilige Messen im klassischen Ritus mit den Pilgern oder spendeten die Sakramente, darunter Weihbischof Athanasius Schneider (Erzdiözese Astana, Kasachstan) und Bischof Philippe Christory, Bischof von Chartres.

«Hinter jedem Schritt steht ein Gebet. Hinter jeder Fahne ein Herz, das für Christus schlägt.»
Organisatoren auf Instagram

Kurz vor der Wallfahrt wurden die Organisatoren von der Französischen Bischofskonferenz mit Forderungen zur Liturgie konfrontiert. So mussten die Priester bei allen Bischöfen, deren Diözesen sie durchquerten, eine Erlaubnis für die Feier der Liturgie in der klassischen Form beantragen. Für die Priester, die nach dem 16. Juli 2021 geweiht wurden, dem Datum der Veröffentlichung des Motu proprio «Traditionis Custodes», mussten die Bischöfe zusätzlich die Erlaubnis des Heiligen Stuhls einholen. Der Bischof von Chartres bat, den Abschlussgottesdienst in der ordentlichen Form zu feiern. Das lehnten die Verantwortlichen ab, da dies dem Charakter der Wallfahrt widersprochen hätte, ausserdem hatte kein einziger Priester einen entsprechenden Wunsch geäussert; Bischof Christory lenkte ein. Von solchen Unstimmigkeiten war an der Wallfahrt nichts zu spüren – im Gegenteil, wie aus dem beeindruckenden Erlebnisbericht von Johannes M. (Student, 24) hervorgeht:

Ein Weg voller Glauben, Gemeinschaft und körperlicher Herausforderung
Über das Pfingstwochenende nahm ich an der jährlichen Wallfahrt von Paris nach Chartres teil – einer traditionsreichen Fusswallfahrt, die seit Jahrzehnten Tausende Katholiken aus aller Welt anzieht. Drei Tage, rund 100 Kilometer und ein tiefgreifendes spirituelles Erlebnis, das weit über das blosse Marschieren hinausgeht.
 


Die grosse Herausforderung
Der erste Tag begann früh. Um 04.30 Uhr erreichten unsere drei Schweizer Busse Paris. Schon vor Sonnenaufgang versammelten sich Tausende Pilger vor der Kirche St. Sulpice. Von Kindern, Pfadfindern, jungen Familien über Studenten bis hin zu älteren Gläubigen. Nach der feierlichen Heiligen Messe ging es los. Die Kolonnen ordneten sich nach Chapitres (Gruppen), die oft nach Regionen und Ländern geordnet und nach Heiligen benannt sind. Wir Schweizer waren mit drei Chapitres im internationalen Teil vertreten. Eines aus der Romandie und zwei aus der Deutschschweiz.

Die Strecke führte durch die Pariser Vororte, durch Wälder und kleine Dörfer. Gesungen wurde viel – Rosenkränze, Hymnen und Lieder in allen Sprachen. Auch die Gelegenheit zur geistlichen Einkehr mit Katechesen und Gebeten gab es. Trotz des ersten aufkommenden Muskelkaters war die Stimmung sehr gut. Die Mittagspause bot Gelegenheit, den Füssen eine kurze Auszeit zu gönnen und sich zu stärken. Nach 42 km erreichten wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit das Biwak – ein grosses Feld mit endlos vielen Zelten. Die Logistik war beeindruckend: Feldküche, mobile Toiletten, Sanitätsdienste – alles war organisiert, aber einfach gehalten.

Aufbruch im Morgengrauen
Pfingstsonntag. Um fünf Uhr weckte uns eine Lautsprecherstimme auf Französisch «Bonjour mes amis pèlerins, il est cinq heures» Ich war nicht unfroh, aufstehen zu können, denn meine aufblasbare Isomatte hatte wohl ein Loch gekriegt und ich spürte die harte Wiese ziemlich gut im Rücken. Der zweite Tag war schon etwas angenehmer als der erste. Viele kämpften jedoch schon mit Blasen, müden Beinen und der Hitze. Dennoch war die Atmosphäre tief spirituell. Immer wieder gab es Stationen mit geistlichem Input, Beichten wurden unter freiem Himmel gehört, Priester gingen mit und standen jederzeit für Gespräche bereit. Die gegenseitige Unterstützung war beeindruckend – Fremde reichten Äpfel, Wasser oder einfach ein ermutigendes Wort.

Ein Höhepunkt war die feierliche Pfingstmesse auf dem freien Feld. Hier sieht man die riesengrosse Menge der Pilger, gemäss Organisatoren wurde zum ersten Mal die 20 000er-Marke geknackt. Wenn dann das Sanctus verstummt ist, wird es ganz still. Dieser Moment ist mir sehr in Erinnerung geblieben, denn man sieht diese vielen Leute, aber hört nichts, ausser das Zwitschern der Vögel. Es ist ein Moment der grossen inneren Ruhe.
 


Die Ankunft in Chartres
Der dritte Tag begann sehr früh, noch in der Dunkelheit. Als sich am Horizont die Türme der Kathedrale von Chartres abzeichneten, wurde es emotional. Viele Pilger fielen sich in die Arme und applaudierten. Die letzten Kilometer waren von Freude und Dankbarkeit geprägt.

Die feierliche Heilige Messe in der Kathedrale war der Höhepunkt: Gregorianischer Gesang, festlicher Weihrauch und ein überfülltes Gotteshaus. Nach all der Anstrengung war es ein Moment der Gnade, ein echtes Ankommen – körperlich und geistlich.

Fazit
Die Wallfahrt von Paris nach Chartres ist mehr als nur ein Fussmarsch. Sie ist eine Schule des Gebets, der Ausdauer und der Nächstenliebe. Körperlich fordernd, geistlich bereichernd – ich habe nicht nur neue Bekanntschaften geschlossen, sondern bin auch mir selbst und Gott ein Stück nähergekommen.

Ich kann diese Erfahrung jedem empfehlen, der seinen Glauben vertiefen, Gemeinschaft erleben und sich selbst herausfordern möchte. Chartres bleibt nicht nur ein Ziel – es ist ein Sinnbild für die Pilgerreise des Lebens.


In seiner Homilie in der Pfingstmesse erinnerte Bischof Athanasius Schneider daran, was es bedeutet, katholisch zu sein. «Es bedeutet, dass Christus der König meines Lebens ist: Es bedeutet, dass ich mich niemals schäme, Christus und die Wahrheit des katholischen Glaubens zu bekennen. Es bedeutet, Gottes Gebote mit Hilfe seiner Gnade zu halten, Reinheit der Seele und Keuschheit des Leibes, gegenseitige Vergebung und unermüdliche Nächstenliebe.»

In der Abschussmesse am Pfingstmontag richtete Bischof Philippe Christory den Blick der Pilgerinnen und Pilger auf die Zeit nach der Wallfahrt und fragte, welche Frucht aus all den Mühen und Strapazen der Wallfahrt hervorgehen werden. «Wir möchten eine neue Gesellschaft aufbauen, die von Christus erleuchtet ist, und im Heiligen Geist leben, indem wir unsere Talente und Charismen vereinen. All unsere menschlichen Fähigkeiten müssen sich in den Dienst der Liebe stellen.» Um zu erkennen, welchen Weg wir einschlagen sollen, müssen wir auf Jesus und sein Wort hören. «Die Worte Jesu sind glasklar.»

Philippe Marie, Redaktionsleiter der «Tribune Chrétienne», fasste die Wallfahrt kongenial zusammen: «Sie gehen gemeinsam voran, getragen von einer einzigen Gewissheit: Jesus Christus ist der Herr. Kein Slogan, keine vorübergehende Mode, sondern ein aus dem Herzen entsprungenes Glaubensbekenntnis, das bei jedem Schritt, bei jedem Ave, bei jeder Rast und bei jeder Messe gesprochen und wiederholt wird. Christus lebt, und ihm folgen sie. Das Volk Gottes ist auf dem Weg.»


Redaktion


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Bemerkungen :

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    Schwyzerin 16.06.2025 um 09:55
    Ich freue mich über die gute Nachricht von der Wallfahrt Paris - Chartres.
  • user
    Kathrin Benz 16.06.2025 um 00:06
    Eindrücklich! An der 47. Wallfahrt von Macerata nach Loreto (27 km) haben dieses Wochenende 70‘000 (!) Menschen teilgenommen, habe sogar von 80’000 gelesen. Ritus ist ordentlich. Es ist eine einzelne Nachtwanderung, natürlich einfacher zu organisieren als Paris, aber nicht weniger erstaunlich. Siebzig Tausend! Teilnehmende allen Alters und von überall her, auch aus der Schweiz.
  • user
    Tschuefl 15.06.2025 um 17:56
    Schade, dass Glaube, Kirche und Gottesdienst immer wieder auf den einen oder anderen Ritus reduziert wird... alles andere scheint nebensächlich...