Karin und Lukas mit Timo, Jorin und Levio (zVg).

Pro Life

Warum der Welt-​Down-​Syndrom-​Tag auf den 21. März fällt

Seit 2006 fin­det jeweils am 21. März der «Welt-​Down-​Syndrom-​Tag» statt. Er wurde bewusst auf die­ses Datum gelegt: Das Down-​Syndrom ist auf das Chro­mo­som 21, das 3-​fach auf­tritt, zurück­zu­füh­ren – der 21. Tag des 3. Monats.

Beim «Down-Syndrom» handelt es sich um eine unveränderbare genetische Besonderheit. Anstatt der üblichen 23 Chromosomenpaare in allen menschlichen Zellen weisen die Zellen der Menschen mit Down-Syndrom ein zusätzliches Chromosom auf. Das Chromosom 21 ist bei ihnen dreifach vorhanden, deswegen spricht man auch von «Trisomie 21». Es gibt verschiedene Formen des Down-Syndroms, die häufigste ist die «Freie Trisomie 21», die etwa 95 Prozent aller Fälle betrifft. Manche Menschen mit Down-Syndrom haben eine schwere geistige und zum Teil körperliche Behinderung, manche hingegen nur leichte Beeinträchtigungen.

Der Verein hope21 unterstützt Frauen und Paare, welche für ihr Kind die Diagnose Trisomie 21 erhalten haben, indem er sie mit Familien vernetzt, die bereits mit einem Kind mit Extrachromosom leben. Eine dieser Familien sind Karin und Lukas mit ihren drei Buben Timo (18), Jorin (15) und Levio (12).[1]

Bei der Schwangerschaft mit Levio standen vorgeburtlich diverse Missbildungsdiagnosen im Raum (Hirnmissbildung, Klumpfüsse, Herzfehler usw.). Die Eltern wollten aber keine Fruchtwasserpunktion durchführen, um kein unnötiges Risiko einzugehen. «Zudem hätte eine genauere Diagnose mittels Punktion für uns auch nichts daran geändert, da wir Levio sowieso so nehmen wollten, wie er ist.» Bereits direkt nach der Geburt hatten sie aufgrund von äusserlichen Anzeichen den Eindruck, dass Levio Trisomie 21 hat; die medizinische Gewissheit erhielten sie erst etwa drei Tage nach der Geburt.

Karin hatte in den ersten Tagen und Wochen extreme Angst, dass sie das kräftemässig nicht schaffen würden. «Wir hatten ja schon zwei kleine Kinder, die uns forderten. Aber als wir Levio nach drei Wochen Spitalaufenthalt nach Hause nehmen durften, ging es uns schon wesentlich besser. Wir konnten endlich die enge Bindung zueinander wieder aufnehmen.»

Im Spital wurden die Eltern zuerst vor allem auf mögliche wiederkehrende Spitalaufenthalte von Levio sensibilisiert. «Leider waren die Stimmen, die uns Mut machten, im Vergleich eher leise. Rückblickend wäre die Startphase sicher etwas einfacher gewesen, wenn uns mehr Zuversicht zugesprochen worden wäre.»
Im Umgang mit ihren Ängsten hat ihnen ihre Beziehung zu Jesus geholfen: «Das Wissen, dass Gott uns als Familie in seiner Hand hält, egal wie die Umstände sind, gab uns innere Ruhe.»

Levio sei liebenswürdig, witzig, stur, freigiebig, anhänglich, mitteilungsfreudig, feinfühlig, manchmal aufsässig, endlos begeisterungsfähig, nicht nachtragend und ein leidenschaftlicher Entertainer. Und was er schrecklich findet: warten müssen.

Die gemeinsame Zeit ist der Familie sehr wichtig, obwohl die Interessen der drei Buben tendenziell immer weiter auseinandergehen. Es ist nicht immer leicht, gemeinsame Aktivitäten zu finden, die allen Spass machen.

Durch die Geburt von Levio ist das Leben für die Familie intensiver geworden, sowohl in Bezug auf Glücksmomente als auch in Bezug auf Herausforderungen. «Die gegenseitige Rücksichtnahme ist stärker ins Zentrum gerückt. Auch dies hat zwei Seiten: Einerseits ist es für die beiden älteren Buben manchmal nicht einfach, eigene Pläne zurückzustecken, andererseits nehmen sie durch das Zusammenleben mit Levio automatisch viel soziales Denken und Handeln für ihr weiteres Leben mit.»

Levio besucht eine Heilpädagogische Schule. Dreimal pro Woche bleibt er über den Mittag dort, was er cool findet. «Levio geht sehr gerne zur Schule und ist motiviert, Neues zu lernen. Er liebt es auch, sich draussen zu bewegen, egal ob beim Fussball, Trampolin, Federball oder Unihockey.»

Immer mal wieder herausfordernd ist die Tatsache, dass die Familie mit Levio in der Öffentlichkeit im Mittelpunkt steht, auch wenn sie dies gar nicht will – sei es im Einkaufsladen, auf dem Spielplatz oder bei einem Anlass. «Einerseits zieht Levio eine Show ab, auch wenn es nicht angebracht ist, oder er geht ohne Hemmungen auf Leute zu, die teilweise überfordert sind. Es ist für uns Eltern nicht immer einfach zu entscheiden, was wir laufen lassen und wo wir einschreiten.»

Und natürlich gibt es auch die vielen schönen oder lustigen Erlebnisse mit Levio: eine lustige Formulierung eines Satzes, eine liebe und innige Umarmung oder ein Überraschungsbriefli von ihm.

Vieles wäre möglich …
Heute können Menschen mit Down-Syndrom mithilfe der verbesserten Unterstützung – abhängig von zusätzlichen körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen sowie der Umgebung – vieles erreichen. So wurde z. B. Mar Galcerán, eine spanische Politikerin, als erster Mensch mit Down-Syndrom in ein europäisches Parlament gewählt. Oder der ebenfalls aus Spanien stammende Pablo Pineda hat die Matura gemacht, an der Universität studiert und ist heute als Lehrer tätig.

Doch noch immer erhalten viele Menschen mit Down-Syndrom nicht die Unterstützung, die sie brauchen. Am 15. April 2014 ratifizierte die Schweiz die UNO-Behinderten-Konvention. Darin sind die Eckpunkte der Inklusion behinderter Menschen festgelegt:
Menschen mit Behinderungen nehmen selbstbestimmt und ohne Barrieren an allen Lebensbereichen teil. In einer inklusiven Gesellschaft erleben Menschen mit Behinderungen echte Chancengleichheit mit Menschen ohne Behinderungen. Sie werden gleichwertig, ohne Vorurteile, aber auch ohne falsche Rücksicht behandelt.

Im April 2023 stellte die Firma Mattel ihre erste Barbie mit Down-Syndrom vor. Sie hatte diese in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen National Down Syndrome Society (NDSS) produziert. Auch wenn diese Barbie nur sehr dezente Züge einer jungen Frau mit Down-Syndrom hat, ist dies doch ein Schritt in die richtige Richtung – in Richtung Inklusion.

Unterstützung nach Diagnose
Am 11. März war in der «Aargauer Zeitung» zu lesen, dass in den Jahren 2022 und 2023 deutlich weniger Kinder mit dem Down-Syndrom zur Welt kamen als früher. Der Autor führt dies auf die Zunahme von pränatalen Tests zurück. Diese haben in den letzten drei Jahren in der Schweiz einen neuen Höchststand erreicht. Ein Grund dafür dürfte auch darin liegen, dass die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden. Aufgrund der deutlich gestiegenen Qualität der Pränataldiagnostik werden mehr Kinder mit Trisomie 21 in frühen Wochen entdeckt, so Tina Fischer, stellvertretende Chefärztin an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Kantonsspital St. Gallen. In den meisten Fällen käme es anschliessend zu einer Abtreibung. «Die zusätzliche Herausforderung eines Kindes mit Handicap scheint heutzutage die meisten Familien in ihrer sozialen Struktur zu überfordern.» Auch Mark Brotzmann, Arzt am Kinder-Unispital beider Basel, schätzt, dass sich 90 Prozent der Eltern für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, wenn nach einem Pränatal-Test ein Trisomie-Befund vorliegt.

Die Diagnose Trisomie 21 kann Eltern verunsichern. Hier hilft der Verein hope21 weiter, der ein Netzwerk von Familien hat, die selbst ein Kind mit Down-Syndrom haben. Diese kennen die Ängste und Sorgen, die mit dieser Diagnose entstehen können; sie wissen aber auch um die schönen und positiven Seiten, durch die ein Kind mit Down-Syndrom die Familie bereichert.

Der «Welt-Down-Syndrom-Tag» ist deshalb wichtig, um die Wertschätzung von Menschen mit Trisomie 21 zu bekunden, Vorurteile abzubauen sowie auf die Rechte und die Bedürfnisse von Menschen mit Down-Syndrom aufmerksam zu machen.
 

Auf der Webseite des Vereins hope21 finden Sie weitere Porträts von Familien respektive Interviews mit Familien, die ein Kind mit Down-Syndrom haben, sowie weitere Informationen zum Thema Link
Auch auf der Webseite von Insieme21 finden sich wichtige Informationen Link

 


[1] Das Originalinterview in ganzer Länge unter https://hope21.ch/eine-hopefamily-stellt-sich-vor-6/


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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