(Bild: Werner 100359/Wikimedia Commons)

Kommentar

Was ein Schwei­zer Katho­lik von der Fussball-​WM ler­nen kann

Fuss­ball­fans auf der gan­zen Welt fie­bern momen­tan für ihre Natio­nal­mann­schaf­ten, die in Katar an der Welt­meis­ter­schaft spie­len. Viele Dis­kus­sio­nen, die nichts mit dem eigent­li­chen Sport zu tun haben, prä­gen die Berichterstattung.

Für besondere Schlagzeilen sorgte zuletzt das Verbot der FIFA, die sogenannte «One Love»-Kapitänsbinde zu tragen. Dieses Symbol, das sieben Spielführer tragen wollten – darunter auch der Schweizer Spielführer Xhaka –, soll die Solidarität mit Menschen zum Ausdruck bringen, die aufgrund unterschiedlicher Motive diskriminiert werden oder sich diskriminiert fühlen. Die «One Love»-Binde ist dabei eine Weiterentwicklung der Regenbogenfahne, die sich die LGBT-Lobby zu eigen gemacht hat. Für viele Menschen, die an traditionellen Familienbildern festhalten, ist die «One Love»-Binde daher ein Zeichen für die Gleichsetzung von heterosexueller Liebe mit der gleichgeschlechtlichen, was durch den Namen der Binde ja auch bewusst suggeriert wird.

Nüchterne Analyse
An dieser Stelle könnte nun ein langer theologischer und sozialphilosophischer Diskurs erfolgen, warum der Begriff «Liebe» von den Befürwortern der sexuellen Libertinage so inflationär propagiert wird, um das klassische Bild der christlichen Ehe zu relativieren, ja zu demontieren. Auf diesen Diskurs, der bereits von renommierten, der katholischen Lehre verpflichteten Theologen geführt wurde, wird zugunsten einer nüchternen Analyse verzichtet, die sich ihrerseits darüber Gedanken macht, welche Erkenntnisse ein Schweizer Katholik aus der Tatsache ziehen kann, dass die FIFA darauf bestand, ihr Verbot durchzusetzen.

Die erste Erkenntnis ist, dass die Werte, die momentan in vielen Mainstream-Medien im Westen propagiert werden, offenkundig von der Mehrheit der Weltbevölkerung nicht geteilt werden. Auch wenn es Millionen Menschen sind, die in West- und Nordeuropa, Ozeanien und Nordamerika die Exklusivität der Verbindung von Mann und Frau als eheliche Gemeinschaft infrage stellen, so gehören diese weltweit bei den acht Milliarden Menschen, welche die Welt bevölkern, zur Minderheit. Die katholische Position zur Geschlechtlichkeit des Menschen wird immer noch vom überwiegend grössten Teil der Menschheit vertreten, auch wenn dieser Teil oft gar nicht katholisch, nicht einmal christlich, sondern muslimisch oder hinduistisch ist.

Die zweite Erkenntnis ist, dass die meisten Menschen in unserer heutigen Gesellschaft sehr flexibel sind, was ihre Werte anbelangt, sobald dabei ihre materiellen Interessen tangiert werden. Ohne den FIFA-Verantwortlichen zu nahe treten zu wollen, lässt sich die Aussage wagen, dass sich die FIFA bei ihren Aktionen vor allem auch durch pekuniäre Motive leiten lässt. Die arabischen und viele asiatische Staaten sind potente Geldgeber und stellen für den Weltfussball zudem einen grossen Markt dar, der bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Die Propagierung von Werten, die von diesen Gesellschaften nicht geteilt werden, stellt ein finanzielles Risiko dar, das die FIFA scheut. Die FIFA agiert mit ihrem Verbot der «One love»-Kapitänsbinde durchaus rational und nutzenmaximierend – viele Akteure in der Schweizer Kirche tun dies ebenfalls.

Korruption des Herzens
Auch wenn Katholikinnen und Katholiken oft die idealistische Vorstellung aufrechterhalten möchten, dass die Personen, die in der Kirche wirken, eine hohe moralische Standfestigkeit besitzen, so ist es gerade in der jetzigen Zeit wichtig, eine realistischere Auffassung von Kirche zu entwickeln. Der alte Spruch, wonach das Schiff Petri von vielen Nieten zusammengehalten wird, trifft auf die Schweizer Kirche wohl mehr zu denn je. Und je mehr dem einfachen Katholiken oft aufgrund eigener leidvoller Erfahrungen die Erkenntnis dämmert, wie stark dieser Spruch zutrifft, desto grösser wird gleichzeitig aber auch sein Staunen darüber, dass der Heilige Geist es trotz seines Bodenpersonals nicht zulässt, dass diese Kirche zugrunde geht. Tatsächlich sind viele Funktionäre in den Kirchenräten, viele Bischofsvikare und leider auch einige Bischöfe selbst alles andere als Leuchttürme des standhaften Glaubens. Sie sind vielmehr Opfer dessen geworden, was Papst Franziskus die Korruption des Herzens nennt. Man orientiert sich nicht an der Lehre der Kirche, sondern an der gesellschaftlichen Mehrheitsmeinung und an monetären Interessen. Der glaubenstreue Katholik sollte in dieser Situation die Worte Jesu beherzigen, in denen er uns auffordert, klug wie die Schlangen zu sein. Ist – um es analog mit den Worten von Karl Marx zu sagen – der immaterielle Überbau des Führungspersonals der Kirche so stark durch den materiellen Unterbau verformt, gilt es, letzteren zu hinterfragen und daraus die Konsequenzen zu ziehen. Wenn beispielsweise Bischof Felix nach dem Entscheid der Glaubenskongregation, wonach die Segnung homosexueller Paare nicht erlaubt sei, seinen Missmut kundtut und eine «Weiterentwicklung» der Theologie in diesem Bereich fordert, stellt sich die Frage, ob der Basler Bischof dies ebenfalls getan hätte, wenn er postwendend eine monetäre Schmälerung seiner materiellen Basis zu gewärtigen gehabt hätte. Es besteht viel Grund zur Annahme, dass Bischof Felix wie andere Verantwortungsträger der Schweizer Kirche seine die kirchliche Lehre missachtenden An- und Absichten schnell revidieren würde, müsste er finanzielle Einbussen für sich und seine Mitarbeiter befürchten.

Einen heilsamen finanziellen Druck aufbauen
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und viele Katholiken werden sich im Dezember wieder die Frage stellen, ob sie tatsächlich nächstes Jahr noch einmal Kirchensteuern zahlen wollen. Manche haben sich bereits seit Längerem von der Kirche distanziert. Einige praktizieren ihren Glauben rege, sind jedoch mit der institutionellen Ausrichtung der eigenen Ortskirche unzufrieden. Teilweise wird in den Kirchgemeinden für alles Mögliche und Unmögliche Geld ausgegeben, ausser für den Hauptauftrag der Kirche, nämlich für die Spendung und Feier der Sakramente. Auch wenn die wenigsten von uns über die finanziellen Mittel arabischer oder asiatischer Staaten verfügen, können wir doch über die Steuergelder kirchlichen Irrwegen die Rote Karte zeigen. Seit fast 15 Jahren haben die Schweizer Katholikinnen und Katholiken dank eines Bundesgerichtsentscheids die Möglichkeit, durch einen sogenannten partiellen Austritt ihre Kirchensteuern der Ortskirche vorzuenthalten, ohne dabei aus der katholischen Kirche als Glaubensgemeinschaft austreten zu müssen. Dieser partielle Kirchenaustritt bietet viele Chancen, einen heilsamen finanziellen Druck aufzubauen und nicht gezwungen zu sein, Aktivitäten zu finanzieren, die gegen die katholische Lehre gerichtet sind. Legten die glaubenstreuen Schweizer Katholikinnen und Katholiken in moralischen Fragen die gleiche Konsequenz wie einige nicht-westliche FIFA-Mitglieder an den Tag, würde sich die hiesige kirchliche Landschaft relativ rasch und nachhaltig verändern.


Daniel Ric


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    stadler karl 07.12.2022 um 12:05
    Wenn ich in einem Punkt zustimmen möchte, dann ist es der, dass der Westen jetzt nicht in Katar missionieren sollte, nachdem bereits vor zwölf Jahren an dieses Land die WM vergeben wurde, dies in Kenntnis der kulturellen und gesellschaftlichen Verhältnisse, die dort herrschen. Die Fussball-WM ist ein Sportereignis und dabei hat es sein Bewenden.
    Der Umstand, dass die LGBT-Bewegung in vielen Ländern und Kulturen nicht geduldet und verfolgt wird, ist allerdings keineswegs ein Argument dafür, dass man nicht ein offenes Ohr für deren Anliegen haben sollte. Es gab und gibt keine Kultur und Gesellschaft, und wird wahrscheinlich nie eine geben, wo z.B. nicht ein gewisser Prozentsatz von gleichgeschlechtlich empfindende Menschen leben. Das gilt keineswegs nur für den Westen. Das gilt genauso für islamische oder fernöstliche Kulturen, auch wenn die zuständige Elite es nicht wahrhaben will. Und genauso galt das früher für die Antike. Nur wurde die normative Wertung dieser minderheitlichen Lebensformen nicht immer und in allen Kulturen gleich vorgenommen. Während die Antike diesbezüglich beispielsweise eher liberal und zum Teil offener, wenn auch nicht in allen Teilen im heutigen Sinn, sich gestaltete, zeigte sich z.B. das Christentum von Anfang an ablehnender, was ein Rückschritt bedeutete. Der "religiös-naturrechtliche" Argumentationsansatz, der bei der normativen Unterdrückung mancher Lebensformen gewählt wurde und wird, hat sich zum Teil als äusserst verhängnisvoll erwiesen.
    Niemand will es hören. Aber Religionen sollten sich aus der Moral, insbesondre aus der Sexual-Moral der Menschen, konsequent heraushalten. Auch die Kirche hatte dabei noch nie eine glückliche Hand gezeigt. Das bedeutet im Übrigen in keiner Weise, dass die Menschen damit eher einer sittenlosen Lebensweise ausgeliefert wären. Wie schlimm Religion immer wieder im Hinblick auf Sexualmoral für andere Zwecke instrumentalisiert wird und bereits früher immer wieder instrumentalisiert wurde, zeigt teilweise die Begründungsweise, wie seitens der russisch-orthodoxen Kirche der brutale Angriffskrieg gegen die Ukraine auch theologisch legitimiert wird.
    Ich bin auch nicht mehr in der Kirche. Aber die finanziellen Mittel ausgerechnet der Kirche vor Ort vorzuenthalten, genau dort, wo Seelsorgerinnen und Seelsorger täglich sich an der Front abarbeiten und Konchenarbeit leisten, indem gerade sie am ehesten noch den Menschen etwas an Hoffnung zu vermitteln vermögen, fände ich gar keine gute Idee.
    • user
      Daniel Ric 08.12.2022 um 05:59
      Lieber Herr Stadler, der Aussage, die Kirche solle sich aus der Moral heraushalten, kann ich nicht zustimmen. Gerade die katholische Kirche, die im Gegensatz zur protestantischen lehrt, dass der Mensch nicht nur durch seinen Glauben, sondern auch seine Taten gerechtfertigt wird, würde sich selbst auflösen, zöge sie sich aus dem Gebiet der Moral zurück. Dies stünde auch in Widerspruch zum Evangelium. Zudem, verlassen wir einmal das Gebiet der reinen Theologie, frage ich mich, welchen Nutzen die Gesellschaft davon hätte, würde die Kirche nicht mehr ihre Stimme in moralischen Fragen erheben. Nehmen wir das Beispiel Sexualmoral: Seit 50 Jahren, wahrscheinlich noch länger, hat die kirchliche Vorstellung einer geglückten Geschlechtlichkeit keinen grossen Einfluss mehr auf die grosse Masse der Menschen. Lässt sich nun wirklich sagen, dass die paradiesischen Zustände, die sich einige progressive Sexualpädagogen erhofft haben, eingetreten sind? Heute ist es so, dass gerade viele Jugendliche extreme psychische Probleme haben, da sie überfordert sind durch die (säkularen) Normen, die an sie herangetragen werden. Einerseits wird ihnen suggeriert, alles sei normal, von Homosexualität bis Transgender, etc., andererseits sind die Körperideale, die in den Medien omnipräsent sind, für den Normalsterblichen unerreichbar. So ist der heutige Jugendliche ganz im Gegensatz zu dem, was die Feinde der katholischen Sexualmoral wollten, nicht sinnesfreudiger als die früheren Generationen, sondern verklemmter und viel unglücklicher mit seiner eigenen Geschlechtlichkeit. Die Realität hat die Kritik an der katholischen Kirche widerlegt. Was die Antike anbelangt, müssen wir aufpassen, nicht Opfer von Narrativen zu werden. Ähnlich wie unsere architektonischen Vorstellungen der griechischen Welt von Winckelmann geprägt wurden, ist unsere Meinung, wie das Intimleben der Griechen aussah, auch von einigen Autoren beeinflusst worden. Sicherlich war die Bandbreite damals gross, aber wahrscheinlich nicht so extrem, wie wir uns dies heute vorstellen. Recht gebe ich Ihnen bei Ihrer Aussage, dass das Christentum eine andere Moral in diesem Bereich lehrte, nur bewerte ich dies anders. Es ist für mich der Beweis, dass die immer wieder getätigte Aussage, wonach die katholische Sexuallehre sich an die damaligen Verhältnisse anpasste, falsch ist. Ganz im Gegenteil hat die Kirche aufbauend auf dem Evangelium eine neue Moral in diesem Bereich gelehrt, die sich durchgesetzt hat. Das sollte allen Anhängern des synodalen Weges, die eine "Weiterentwicklung" fordern, zu denken geben.
      Und zu ihrer letzten Aussage, wonach man die Mittel nicht den Seelsorgern vorenthalten soll, die hoffnungsstiftend an der Front arbeiten, möchte ich nur anmerken, dass der Grossteil der Kirchengelder eben nicht an die Front, sondern in die Bürokratie geht. Zudem frage ich mich, welche Hoffnung vermittelt werden kann, wenn viele der Seelsorger, hier sind vor allem die Laienseelsorger gemeint, grosse Teile der katholischen Lehre, inklusive den Glauben an die Auferstehung, ablehnen?
      • user
        stadler karl 08.12.2022 um 17:28
        Herzlichen Dank für Ihre Antwort, Herr Ric. Habe sie erst jetzt gesehen. Persönlich hatte ich vor gut fünfzig Jahren nie den Eindruck, als wollte man uns das Paradies auf Erden versprechen. Zumindest in den Kreisen, in denen ich damals verkehrte, hätten solche Visionen kaum Beachtung gefunden. Die Welt war ja auch damals alles andere als eine friedliche. Trotz der kulturellen Aufbruchstimmung und der gesellschaftlichen Umbrüche, die sich anzubahnen begannen, kam vermutlich bei den allermeisten Jugendlichen nie die ernsthafte Überzeugung auf, Sexualität sei ein Bereich menschlichen Daseins, der schrankenloser Freiheit und Beliebigkeit unterliege. Wohl aber stellten sich mit der Zeit tiefe Zweifel an althergebrachten, nicht zuletzt von der Kirche vertretenen Normen ein, welche sexuelle Präferenzen einer "objektiv gültigen" Wertskala beiordneten und die Geltung dieses Skala mit naturrechtlichen oder theologischen Konstrukten zu begründen suchten. Homosexuelle Präferenzen wurden bekanntlich mit einer negativen Konnotation versehen. Persönlich bin ich überzeugt, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit beruflichen Erfahrungen, dass die Kirche damit nicht wenig Unheil anrichtete. Und solches Unheil reicht in der Kirchengeschichte zurück bis zu den Anfängen.

        Persönlich hänge ich, was das klassische Griechentum und den späteren Hellenismus anbelangt, nicht einfach Narrativen an. Aber sowohl das Griechentum als auch der Hellenismus vertraten diesbezüglich eine offenere Haltung als das frühe Christentum. Dabei gilt es zu beachten, dass die Denkrichtungen, die im damaligen Heidentum grossen Einfluss ausübten, teilweise ja übrigens auch im Christentum von Kirchenvätern und -lehrern rezipiert wurden, das sokratische Denken, der Platonismus und Aristotelismus, nicht zuletzt aber auch die etwas spätere Stoa etc. alles Schulen waren, die um die zentrale Bedeutung und Sinnhaftigkeit menschlichen Daseins bemüht waren und soweit es ihnen möglich erschien, deren Aufklärung und Einsichtigkeit anstrebten. Es ging schlichtweg allen Denkschulen um eine Bewältigung menschlicher Existenz. Bereits in der älteren Stoa (Zenon, Chrysippos), also gut zweihundert Jahre vor Christus, wurden Denkansätze entwickelt, auf die sich die Wurzeln von Begriffen wie Kosmopolitismus oder Menschenwürde, wichtige Begriffe im Kontext moderner Menschenrechts-Diskurse, zurückführen lassen. Gedanken also, die nicht erst mit Paulus in Galater 3,28 vorgetragen wurden. Aber im Gegensatz zu ihm wurden in all diesen Denkrichtungen Fragen der sexuellen Präferenz bei weitem nicht eine derartige Bedeutung zugemessen. Den Menschen im Griechentum wie im Hellenismus war bewusst, dass es sich um anthropologische Phänomene handelt, die überall zu beobachten sind und denen im Gesamtkontext menschlichen Daseins eine eher akzidentelle Bedeutung zukommt. Darum wurde ihnen auch kaum Gewicht beigemessen.
        Herr Ric, ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende.
        • user
          Daniel Ric 10.12.2022 um 10:02
          Lieber Herr Stadler, ich gebe Ihnen recht, dass man alle Fragen, welche die menschliche Existenz tangieren, ganzheitlich betrachten soll. Der Heilige Vater, Papst Franziskus, macht auch immer wieder darauf aufmerksam. Die katholische Kirche lässt sich hier in eine Ecke drängen, welche ihr nicht gerecht wird und ihr schadet. Man versucht alles auf die Sexualmoral der Kirche zu reduzieren, obwohl die katholische Ethik auch in anderen Fragen rund um das menschliche Leben (Ökonomie, Ökologie, etc.) interessante Positionen besitzt. Es ist wichtig, dass die Kirche zu Fragen der Sexualmoral eine Stellung bezieht, ohne dass sie es unterlässt, sich auch zu anderen Themen zu äussern. Ob die katholische Kirche mit ihren Auffassungen Unheil gestiftet hat, ist eine Frage, die nur beantwortet werden kann, wenn man sich die Alternativen zur katholischen Moral betrachtet. Hier möchte ich alle Kritiker der katholischen Moral aufrufen, vorurteilslos der Frage nachzugehen, ob es denn heute wirklich besser ist als früher. Und ich gehöre nicht zu denen, die irgendein Zeitalter verklären. Mir ist auch klar, dass das Alt-68er Bashing, welches oft von konservativer Seite betrieben wird, im Grunde unsinnig ist. Es gibt hier Untersuchungen, die aufzeigen, dass sich die Sexualmoral bereits in den 50er und frühen 60er Jahren stark verändert hat. Ähnlich wie die Katholiken, die glauben, vor dem zweiten Vatikanum war die Welt noch heil, hängen einige Menschen Narrativen an, die in Tat und Wahrheit falsch sind. Unabhängig davon, wie es zu diesem Wandel in Fragen der Sexualmoral kam, ist es jedoch wichtig zu betonen, dass wir nie in einem moralischen Vakuum leben, in dem das einzelne Individuum sich frei von allen Einflüssen entfalten kann. Besetzt die katholische Kirche nicht wichtige Themen, wird dies von anderen Weltanschauungen getan. Es ist an den Befürwortern einer anderen Weltanschauung aufzuzeigen, dass die Moral, welche die katholische beerben soll, besser ist. Momentan sehe ich wenig Anzeichen, dass es diesen Befürwortern gelingt, empirisch diesen Nachweis zu bringen. Ein Rückgriff auf die Antike ist dabei wenig hilfreich, weil wir doch wenig über das normale Alltagsleben der damaligen Menschen wissen. Einen Vergleich zu ziehen wäre so, wie wenn in 2000 Jahren spätere Zivilisationen irgendeinen Liebesfilm oder Liebesroman aus dem Jahre 2022 sehen und dann ein Urteil darüber fällen, wie das Liebesleben unserer Zeit war. Die Griechen hatten grossartige und vielfältige Gedanken und es stimmt, dass die katholische Kirche viel davon rezipiert hat. Gott hat den Menschen Vernunft geschenkt und damit auch die Fähigkeit, seinen Willen zu erkennen. Viele der Fragen, die heute diskutiert werden und auf die unsere Moderne so stolz ist, sind bereits von den Griechen thematisiert worden. Daher ist es für jeden Katholiken ein Muss, sich mit der antiken Gedankenwelt zu beschäftigen. Ihre Beiträge, Lieber Herr Stadler, sind deswegen immer sehr wichtig. Ich wünsche Ihnen ebenfalls ein schönes Wochenende.
  • user
    Franz Killer 06.12.2022 um 16:06
    Es ist m.E. verdienstvoll, dieses Thema aufzugreifen und Vielem kann ich zustimmen. Dass in den letzten 15 Zeilen des Kapitels "Korruption des Herzens" der perfide Angriff auf "Bischof Felix wie andere Verantwortungsträger" in einer inakzeptablen Weise erfolgt, darf nicht unwidersprochen sein. Man fängt leise an: "stellt sich die Frage". OK. fragen kann man immer.
    "Es besteht viel Grund zur Annahme, dass Bischof Felix wie andere Verantwortungsträger der Schweizer Kirche seine die kirchliche Lehre missachtenden An- und Absichten schnell revidieren würde, müsste er finanzielle Einbussen für sich und seine Mitarbeiter befürchten". Die dialektische Theorie kennt dieses Vorgehen: Hypothetische Frage stellen und gewünschte Antwort als wahrscheinlich zu beschreiben. Weit unter Deinem Niveau, Daniel!
    • user
      Daniel Ric 08.12.2022 um 06:09
      Es handelt sich nicht um einen Angriff auf Personen, dies habe ich in meinem Text klargemacht. Ich möchte die Katholiken ermutigen, unabhängig von den Taten der Verantwortungsträgern, der Kirche treu zu bleiben und eine Neuevangelisierung anzustreben. Diese Treue kann sich auch darin zeigen, kein Geld mehr für Aktivitäten zu geben, die gegen die Kirche gerichtet sind. Die Aussagen von Bischof Felix oder anderen Verantwortungsträgern lassen sich nachlesen. Ich sehe nicht ein, weshalb für einen Bischof oder Bischofsvikar andere Moralregeln gelten sollten als für Normalsterbliche. Wenn der Vatikan zu einem Thema wie der Segnung homosexueller Paare oder der Leitung innerhalb der Pfarreien eine Entscheidung trifft, die der Ortsbischof kritisiert, darf ein Katholik nachfragen, mit welchem Recht dies getan wird. Dementsprechend darf er in dieser Situation auch die finanziellen Mittel entziehen. Die Vorstellung, man sei ein Nestbeschmutzer, wenn man die Ortskirche kritisiert, steht in Widerspruch zum Zweiten Vatikanum, das die Katholiken auffordert, mündig zu handeln.
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        Franz Killer 08.12.2022 um 17:06
        Ich kann jedem Buchstaben des Kommentars vom 8.12. zustimmen, nur hatte ich keinen einzigen Punkt kommentiert gehabt, man musste mir also auch nichts richtigstellen. Hingegen, dass der Teil des ursprünglichen Artikels betr. " Bischof Felix" nicht persönlich sein soll" kann ich nicht verstehen.
        Der Satz "Es besteht viel Grund zur Annahme, dass Bischof Felix wie andere Verantwortungsträger der Schweizer Kirche seine die kirchliche Lehre missachtenden An- und Absichten schnell revidieren würde, müsste er finanzielle Einbussen für sich und seine Mitarbeiter befürchten", ist m.E. unsachlich und beleidigend und eine reine Behauptung ohne Begründung, die allein ich in meinem ersten Kommentar als "perfiden Angriff" und als "in inakzeptabler Weise bezeichnet hatte. Und dabei bleibe ich.
  • user
    Tobias Maier 05.12.2022 um 08:42
    Was es bräuchte, wäre:
    Ein unternehmerisches Talent, das die durch den Bundesgerichtsentscheid ermöglichte Option zu einem Weg für viele macht.
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    Claudio Tessari 05.12.2022 um 07:44
    Der Heilige Paulus beschreibt die aktuelle Zeit passend: 2Tim 4,3 Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Begierden Lehrer sucht, um sich die Ohren zu kitzeln;

    Heute ist Gender, LGBT, Klimaaktivismus, Sozialismus, Humanismus etc die neue Götze. Die gesunde geoffenbarte Lehre will man als überholt ansehen. Der Heilige Papst Pius X sagte vor hundert Jahren bereits: DER MODERNISMUS IST DAS SAMMELBECKEN ALLER HÄRESIEN.