«Rund 50 Missbrauchsfälle gemeldet», lautet der Titel eines Artikels im Tages-Anzeiger vom 7. September 2024. Der Untertitel präzisierte: «Missbrauch. Über eine anonyme Meldeplattform der katholischen Kirche Zürich können Betroffene von Übergriffen berichten.» Die Katholische Kirche im Kanton Zürich (recte: Römisch-Katholische Körperschaft des Kantons Zürich) hatte nach der Publikation der Pilotstudie «Sexueller Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts» im September 2023 eine flächendeckend plakatierte Meldeplattform angekündigt. Sie nennt sich «Kirche schaut hin» und soll verhindern, dass in Zukunft in Sachen Missbrauchsfälle nichts mehr unter den Teppich gekehrt wird.
«Ein Klick führt zu einem Meldeformular: Wem die katholische Kirche unrecht angetan hat, kann dort anonym eine Nachricht hinterlassen», heisst es weiter im TA-Artikel. Seit dem 20. November 2023 wird diese Meldestelle unabhängig von der Kirche geführt. Zuständig für die Entgegennahme und Bearbeitung der Fälle ist die Juristin und GLP-Kantonsrätin Andrea Gisler.
Helene Obrist, Autorin des TA-Artikels, gelangt zum Befund: «Die Juristin Gisler verzeichnete seither vier Meldungen, in denen es gesichert um sexuelle Übergriffe ging. Der Grossteil aller gemeldeten Fälle habe sich im Umfeld von Pfarreien abgespielt, sagt Gisler. Mehr ins Detail gehen kann sie nicht.»
Wie bitte? Dass auch im Kanton Zürich das Öffentlichkeitsprinzip gilt (Auszug aus dem Merkblatt des Kantons Zürich: «Jede Person hat grundsätzlich Anspruch auf alle Informationen, die bei öffentlichen Organen des Kantons Zürich vorhanden sind. Dieses Recht besteht voraussetzungslos.») dürfte auch dem ansonsten auf seine Recherchen so erpichten Tages-Anzeiger nicht unbekannt sein. Aber wohl in der zutreffenden Vermutung, solche Recherchen hätten in casu zu einem unerwünschten, dem eigenen Narrativ konträren Ergebnis geführt, liess man davon lieber die Finger. Irritatonen löste aber auch die im gleiche Artikel enthaltene Aussage der Ansprechperson Andrea Gisler selbst aus, wonach einige Meldungen den «Kern der Sache nicht ganz (!) treffen würden», so die Beschwerde, wonach das «Evangelium von einer Frau verlesen wurde».
Zwei von 26 Fällen
Grund genug also für swiss-cath.ch, gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip der Sache auf den Grund zu gehen. Der Befund förderte Überraschendes zutage:
Die von der Kirche unabhängige Ansprechperson Andrea Gisler hat in der Zeitspanne von ihrem Stellenantritt (20. November 2023) bis zum 31. Mai 2024 26 Meldungen erhalten.
Sieben dieser Fälle beschränkten sich auf die Rüge technischer Mängel des neu eingerichteten Melde-Pools, was knapp 27 Prozent aller Fälle ausmacht.
Verbleiben noch 19 Meldungen, in denen Fehlverhalten im kirchlichen Umfeld geltend gemacht wurde. Von diesen 19 Fällen bezogen sich vier Meldungen auf ausserkantonale Sachverhalte.
Bleiben noch 15 Fälle im Zuständigkeitsbereich der katholischen Kirche des Kantons Zürich übrig. Darunter fallen Meldungen wegen unangemessener Witze eines Pfarrers, antisemitische Äusserungen anlässlich einer Sitzung, das Verlesen des Evangeliums durch eine Frau sowie Veruntreuung von Geschenken – allesamt Meldungen, die mit sexuellem Missbrauch bzw. sexuellen Übergriffen nichts zu tun haben.
Gemäss Auskunft von Anwältin Andrea Gisler wurden lediglich in zwei Fällen sexuelle Belästigungen in Form von unerwünschten Berührungen geltend gemacht, in einem dritten Fall ging es um Zoophilie, also sexuelle Handlungen an/mit einem Tier.
Unter dem Strich verbleiben noch zwei von 26 Meldungen, welche als sexuelle Missbrauchsfälle (im weiteren Sinne) einzustufen sind.
In der am 12. September 2023 veröffentlichten Pilotstudie zum sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche wird behauptet, man habe 1‘002 Fälle sexuellen Missbrauchs «identifiziert und teilweise analysiert». Aus wissenschaftlicher Sicht stossend dabei ist insbesondere, dass der Begriff «sexueller Missbrauch» (und damit das zentrale Studienobjekt!) in der Pilotstudie nirgends definiert wird, was einer willkürlichen Interpretation der gemeldeten Fälle Vorschub leistet.
Es ist selbstredend nicht davon auszugehen, dass in der Pilotstudie prozentual sich ebenso viele Meldungen als Falschmeldungen entpuppen wie im genannten Melde-Pool der katholischen Kirche im Kanton Zürich. Aber es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich unter den geltend gemachten 1‘002 sexuellen Missbrauchsfällen auch solche befinden, welche das Kriterium des «sexuellen Missbrauchs» nicht erfüllen. Es ist deshalb ein Gebot der Stunde, diese Fälle unter Wahrung der Anonymität aller Betroffenen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – nicht zuletzt um der Glaubwürdigkeit eben dieser Pilotstudie willen.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Nicht verheirateten Frauen wurden die Kinder weggenommen, Männern die sie geschwängert haben waren oft gut situiert und mussten dennoch keinen Unterhalt bezahlen.
Ja, damals war alles besser, auch wenn längst nicht alles gut war. Es gab da noch Gott, unseren Vater und Herrn, von dem die meisten Menschen sich bewusst waren, dass sie seinen Geboten folgen sollten, dass er es auch dort gut mit ihnen meint, wo er ihnen sagen muss: «bis hierher und nicht weiter!» Diesen Gott zu verkünden, das vernachlässigt unsere Kirche ganz massiv. Und die Folge davon ist, dass jeder macht, was er (für sich) als richtig und gut empfindet, und kaum jemand sich fragt, was nun effektiv richtig und was falsch oder gar böse ist. Oder anders gesagt, die meisten Menschen fragen nur noch nach dem, was wir Menschen wollen, aber nicht mehr nach dem, was Gott will. Solchen aber führt zu jenem Chaos sondergleichen, welches wir heute erleben.
Ich habe kein Wort von Missbrauchsfällen geschrieben. Ich weiss auch nicht, was Sie mit "s. Missbrauchsfällen" meinen.
Aber ich vertrete klar die Meinung, dass früher nicht alles besser war, sondern das Leben für den grössten Teil der Menschen war viel härter als heute. Da bin ich wohl nicht gleicher Meinung wie Sie oder Herr Fleischer.
Und wenn Sie fragen, was das mit der kath. Kirche zu tun hatte, wenn Frauen die Kinder weggenommen wurden, so informieren Sie sich doch über die katholisch geführten Heime in Irland.