«We have a Pope», titelte die Pendlerzeitung «20 Minuten» in ihrem Bericht zur Wahl des neuen Papstes. Eine Anspielung gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen auf die Tatsache, dass mit Robert F. Prevost zum ersten Mal in der Kirchengeschichte ein US-Amerikaner zum Papst gewählt wurde. Zum andern eine Anspielung auf den unvergesslichen Slogan der «Bild»-Zeitung anlässlich der Papstwahl von Kardinal Joseph Ratzinger vor 20 Jahren: «Wir sind Papst.»
Robert F. Prevost hat sich für Leo XIV. als Papstnamen entschieden. Er tritt damit in die Fusstapfen von Leo dem Grossen und Leo XIII., zwei der herausragendsten Gestalten der Papstgeschichte. Eine zu grosse Schuhnummer? Keineswegs. Weiss er sich doch in seiner Zuversicht und Vision gestärkt von der Kraft des Heiligen Geistes, unterstützt von den Kardinälen und getragen vom Gebet unzähliger Gläubigen. Diese «solidarische Dreifaltigkeit» wird ihm eine unentbehrliche Hilfe sein bei der Bewältigung der gewaltigen Herausforderungen, die auf sein Pontifikat zukommen.
Schwere Hypotheken
Einen Rucksack vollgepackt mit tonnenschweren Hypotheken hat ihm sein Vorgänger Franziskus hinterlassen. Um ein Beispiel zu nennen: Nichts könnte dessen desaströse Aussenpolitik besser veranschaulichen als die Reaktion des russischen Machthabers Wladimir Putin auf die Wahl von Robert F. Prevost: «Ich bin sicher, dass sich der konstruktive Dialog und die Interaktion zwischen Russland und dem Vatikan auf der Grundlage christlicher Werte, die uns verbinden, weiterentwickeln werden.» Zynischer und menschenverachtender geht es kaum noch. Und doch trägt Papst Franziskus eine gehörige Portion Mitschuld an dieser verqueren Optik, hat er doch den seit nunmehr drei Jahren andauernden russischen Angriffskrieg nie verurteilt und stattdessen die Ukraine aufgefordert, die weisse Fahne zu hissen.
Aber auch innerkirchlich steht Papst Leo XIV. menschlich gesehen vor unüberwindbaren Hindernissen, denn sein Vorgänger hat in seiner Amtszeit diametral entgegengesetzte Erwartungen geschürt. Sie sind, so NZZ-Redaktor Thomas Ribi, so verschieden und in sich widersprüchlich wie noch nie in der Geschichte der Kirche. «Leo wird diese Erwartungen nie erfüllen können», lautet sein Fazit des totalen Dilemmas. Ein Befund, dem Papst Franziskus bei seiner Kreuzwegmeditation am Karfreitag sozusagen die kirchliche Approbation erteilte: Das Gewand der Kirche sei zerrissen, die Jünger gespalten, Einheit und Friede in der Kirche seien gefährdet. Ob er sich bewusst war, in welchem Masse er selbst zu dieser beklagenswerten Situation beigetragen hat?
Zur schweren Erblast des Pontifikats von Papst Franziskus gehört auch dessen Anordnung, im Oktober 2028(!) eine sogenannte «Kirchliche Versammlung» durchzuführen, um Ergebnisse der Weltsynode zu bewerten und den Umsetzungsprozess der Empfehlungen zu überprüfen. Papst Franziskus dekretierte diese Versammlung im März 2025, als er wusste, dass ihm nur noch eine kurze Lebensspanne beschieden sein würde. Die eigene Agenda über den Tod hinaus seinem Nachfolger diktieren zu wollen, ist eine Anmassung, die wohl nur ein Jesuitenpapst für sich reklamieren konnte.
Zuversicht trotz allem
Umso bemerkenswerter ist es, mit welch einer besonnenen, sorgfältig abgewogenen und programmatischen Rede sich Papst Leo XIV. gleich nach seiner Wahl auf der Benediktionsloggia an die Menschen auf der ganzen Welt gewandt hat: «La pace sia con voi tutti» (Der Friede sei mit euch allen) waren seine ersten Worte. Und präzisierte sogleich: «Das ist der Friede des auferstandenen Christus, ein entwaffneter Friede und ein entwaffnender, demütiger, beharrlicher Friede.» Zuversichtlich fuhr der Papst fort: «Gott liebt uns, Gott liebt euch alle, und das Böse wird nicht siegen! Wir sind alle in Gottes Hand. Deshalb lasst uns ohne Angst, Hand in Hand mit Gott und miteinander vereint, voranschreiten. Wir sind Jünger Christi. Christus geht uns voraus. Die Welt braucht sein Licht. Die Menschheit braucht ihn als Brücke zu Gott und seiner Liebe […] Ihr alle, Brüder und Schwestern von Rom, von Italien, der ganzen Welt – wollen wir eine synodale Kirche sein, eine Kirche, die geht, eine Kirche, die immer den Frieden sucht, die immer die Nächstenliebe sucht, die immer die Nähe vor allem zu denen sucht, die leiden.»
Von tiefer marianischer Spiritualität geprägt, schloss Papst Leo seine erste Ansprache mit dem Aufruf an alle Gläubigen, «Maria, unsere Mutter», um ihren Segen für diese Mission und den Frieden in der Welt zu bitten.
Von dieser marianischen Spiritualität inspiriert war auch sein am Samstag erfolgter Besuch des Heiligtums der «Mutter vom Guten Rat» in Genazzano. Dieses vom Augustinerorden betreute Heiligtum beherbergt ein antikes Bildnis der Jungfrau Maria, das dem Orden besonders am Herzen liegt. Zuvor hatte Papst Leo XIV. am Samstagvormittag in seiner ersten Ansprache an die Kardinäle die Beweggründe seiner Namenswahl erläutert und damit eine klare inhaltliche Linie für sein kommendes Pontifikat vorgegeben. Inhaltlich knüpfte er an die bahnbrechende Enzyklika «Rerum Novarum» seines Vorgängers Papst Leo XIII. an, mit welcher dieser die Soziallehre der Kirche begründete und damit auf die Herausforderungen der industriellen Revolution mit ihren schweren sozialen Erschütterungen reagierte. Diesen Ansatz will Papst Leo XIV. aktualisieren und erweitern: Es gelte, im Lichte der christlichen Botschaft eine Antwort zu finden auf die Herausforderungen der technologischen Revolution, sprich vor allem der Künstlichen Intelligenz und der damit einhergehenden Gefahren für die Gerechtigkeit, die Arbeit und die Menschenwürde.
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