(© ® Katarzyna Artymiak)

Weltkirche

Welt­bi­schofs­syn­ode – Mehr Gläu­bige am syn­oda­len Pro­zess beteiligen

Im Bericht über die Synthesen der Synode wies der australische Theologe Ormond Rush darauf hin, dass das Zweite Vatikanische Konzil die Kirche auffordert, «stets auf die Bewegungen des offenbarenden und rettenden Gottes zu achten, der im Laufe der Geschichte gegenwärtig und aktiv ist, indem sie im Licht des lebendigen Evangeliums auf die ‹Zeichen der Zeit› achtet. Die Unterscheidung der Zeichen der Zeit in der Gegenwart zielt darauf ab, festzustellen, was Gott uns – mit den Augen Jesu – in den neuen Zeiten zu sehen auffordert; sie fordert uns aber auch auf, auf die Fallen zu achten – wo wir in Denkweisen hineingezogen werden könnten, die nicht ‹von Gott› sind. Diese Fallen könnten darin bestehen, dass wir ausschliesslich in der Vergangenheit oder ausschliesslich in der Gegenwart verankert sind oder dass wir nicht offen sind für die zukünftige Fülle der göttlichen Wahrheit, zu der der Geist der Wahrheit die Kirche führt. Den Unterschied zwischen Chancen und Fallen zu erkennen, ist die Aufgabe aller Gläubigen – der Laien, der Bischöfe und der Theologen – aller, wie Gaudium et spes 44 lehrt: ‹Mit Hilfe des Heiligen Geistes ist es die Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, besonders der Hirten und Theologen, die vielen Stimmen unserer Zeit zu hören, zu unterscheiden und zu deuten und sie im Licht des göttlichen Wortes zu beurteilen, damit die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer durchdrungen, besser verstanden und besser zur Geltung gebracht werden kann.› Diese ‹offenbarte Wahrheit› ist eine Person, Jesus Christus. Mögen wir uns also auf dem Weg zu unserer endgültigen Synthese von der Aufforderung des Hebräerbriefs 12,2 leiten lassen: ‹Lasst uns unsere Augen auf Jesus richten.›»

Im geistlichen Beitrag «Der Samen keimt» weist Fr. Timothy Radcliffe O.P. auf die kommende Zwischenzeit bis zur Fortsetzung der Synode über die Synodalität hin. «In ein paar Tagen werden wir für elf Monate nach Hause gehen. Dies wird scheinbar eine Zeit des leeren Wartens sein. Aber es wird wahrscheinlich die fruchtbarste Zeit der Synode sein, die Zeit des Keimens. Jesus sagt uns: ‹Das Reich Gottes ist, als ob jemand Samen auf die Erde streute und schliefe und stünde Tag und Nacht auf, und der Same würde keimen und wachsen, ohne dass er wüsste, wie.›

Wir haben in den vergangenen drei Wochen Hunderttausende von Worten gehört. Manchmal haben wir gedacht: ‹Zu viele!› Die meisten von ihnen waren positive Worte, Worte der Hoffnung und der Motivation. Dies sind die Samen, die in den Boden der Kirche gesät werden. Sie werden in diesen Monaten in unserem Leben, in unserer Vorstellungskraft und in unserem Unterbewusstsein wirksam sein. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werden sie Früchte tragen.»

Für Fr. Radcliffe ist dies eine Zeit des «aktiven Wartens» und er lässt Simone Weil sprechen: «Die wertvollsten Gaben erlangt man nicht, indem man sie sucht, sondern indem man auf sie wartet [...] Diese Art des Schauens ist in erster Linie eine aufmerksame. Die Seele entleert sich von all ihren eigenen Inhalten, um den Menschen, den sie betrachtet, so zu empfangen, wie er ist, in seiner ganzen Wahrheit.»

An der heutigen Pressekonferenz richtete sich der Fokus der Ausführungen der eingeladenen Synodenteilnehmer auf die Zeit nach Abschluss dieser Synode. Wie alle der bisher vom vatikanischen Pressesekretariat zu Pressekonferenzen aufgebotenen Gäste – so u. a. am vergangenen Samstag auch von Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien – wurde erneut der bereichernde Wert des Zuhörens auf die offenen und freien Worte der Synodenteilnehmer aus aller Welt betont. Doch es mischten sich auch Anfragen ein, die nach Beendigung dieser ersten Synode zu vertiefen seien. So warf Erzbischof Timothy Paul Andrew Broglio, seit 2022 Präsident der amerikanischen Bischofskonferenz, die Frage der Repräsentativität auf. Am synodalen Prozess hätten weltweit bislang lediglich rund 1 % der Gläubigen teilgenommen. Zudem vermisse er noch die Präsenz von Pfarrern mit ihren Erfahrungen in ihren Pfarreien. Dies sei eine Lücke – «lacuna».

 

Kardinal Roberto Francis Prevost, seit April dieses Jahres Präfekt des «Dikasteriums für die Bischöfe», erwähnte, dass das Thema Frauen in der Kirche ein «work in progress» sei. Dieses Thema sei eingebettet in die lange bedeutende Tradition der Kirche. Diese Synode sei nicht einberufen worden, um die bisherigen Wege und Strukturen infrage zu stellen, sondern um den Prozess der erweiterten Partizipation aller Gläubigen an der Weiterführung des Wortes Gottes zu befördern. Die Einbindung der Frauen in neue Rollen des Leadership in der Kirche wie der Vollmitgliedschaft in den vatikanischen Dikasterien gehe weiter. Erzbischof Broglio ergänzte, dass die Frauen schon seit je eine entscheidende Rolle in der Kirche hätten. Ein Grossteil der Glaubenshüter habe ihren Weg zu Gott und zur Kirche durch gläubige Frauen auch in den Schulen und Kollegien gefunden. 

Kommentar
Die Bekundungen von Teilnehmenden an der Weltbischofssynode zeugen davon, dass der synodale Prozess des offenen Wortes und des Zuhörens eine Bereicherung für das Erleben des Glaubens und die kirchliche Gemeinschaft sein kann. Betont wird aber auch, dass dieser Prozess bis zur nächsten Weltbischofssynode im 2024 weiterzugehen habe – mit grösserer Beteiligung der Gläubigen. Erzbischof Broglio bemängelte, das bislang erst 1 % aller Gläubigen teilgenommen hat. Diese tiefe Rate wird in der Schweiz noch unterboten, und zwar markant. In den Bistümern Basel, Chur und St. Gallen haben sich bislang erst 8961 Gläubige beteiligt. Das macht bei 1,56 Millionen Katholiken und Katholikinnen in diesen Bistümern eine Partizipationsrate von 0,57 % aus, im Bistum Chur von gar nur 0.27 % (Quellen: gfs.bern, Synodaler Prozess zur Synode 2023, Bistum Basel, Bistum St. Gallen, Bistum Chur, Januar 2022; kath.ch). Da kann man noch nicht vom erwünschten synodalen Prozess sprechen – und schon gar nicht nicht von demokratischen Verhältnissen. Dieses Manko vermag auch das in vielen Kantonen vorherrschende dualistische System nicht zu beheben. Wege zu finden, dass Männer und Frauen, Priester mit Pfarreierfahrung, Laienseelsorgende im synodalen Prozess in weitaus grösserer Beteiligung als bisher aufeinander zugehen, könnte ein Auftrag der Weltbischofssynode an die Bischöfe sein.


Franz Xaver von Weber


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Bemerkungen :

  • user
    Don Michael Gurtner 26.10.2023 um 13:41
    Den Eindruck habe ich auch: man sollte vielleicht mehr auf die Gläubigen hören und nicht so sehr auf die Ungläubigen 🤔