Die für die Weltjugendtage charakteristische, ja einzigartige Atmosphäre beeindruckt auch Aussenstehende jedes Mal aufs Neue, so auch dieses Jahr. Spontane, unbeschwerte Begegnungen zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Provenienz, gemeinsam gefeierte Gottesdienste, anspruchsvolle Workshops, Konzerte der Bands «New Horizons» und «Les Guetteurs» sowie berührende Lebenszeugnisse prägten den dreitägigen Anlass. Kurz: Ein Fest des Glaubens und des Lebens, das aus dem Kirchenkalender nicht mehr wegzudenken ist. Klar auch, dass die sprichwörtliche Gastfreundschaft der lateinischen Kultur die ideale Basis für das weit über die üblichen Small-Talks hinausgehende «Wir-Gefühl» der Teilnehmenden bildete. So hatten 73 Tessiner Familien in ihren Wohnungen insgesamt 170 Schlafplätze für kostenlose Übernachtungen zur Verfügung gestellt. Hinzu kamen Schlafplätze im Seminar San Carlo und einer Schule des Salesianerordens.
Workshop «Gewissensfreiheit»
Mit zum Gelingen dieses nationalen Weltjugendtages trug auch das vielfältige Angebot von 34 Workshops bei. Einer hatte die Gewissensfreiheit zum Inhalt. Nicht gerade ein «Sexy-Thema» für junge Menschen. Dennoch hatten sich 18 interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer für diese «anspruchsvolle Kost» entschieden. Tatsächlich garantiert zwar unsere Bundesverfassung die Glaubens- und Gewissensfreiheit, in der Praxis gerät sie jedoch zunehmend unter Druck. Im Katechismus der Katholischen Kirche heisst es, dass der Mensch dem sicheren Urteil seines Gewissen, seines «Heiligtums», stets folgen muss, selbst wenn es irrt. Dabei ist der Mensch aber verpflichtet, sein Gewissen durch das Hören auf das Wort Gottes und die Lehre der Kirche zu bilden und gestützt darauf seine Entscheide zu fällen.
Anhand eines Beispiels aus dem Kanton Solothurn veranschaulichte Niklaus Herzog den Erosionsprozess dieses zentralen Menschenrechtes: Inskünftig sollen alle Alters- und Pflegeheime verpflichtet werden, den assistierten Suizid in ihren Räumlichkeiten zuzulassen, gleichgültig, ob sie vom Staat Subventionen erhalten oder nicht. Zudem bleibt das Recht des Pflegepersonals unberücksichtigt, sich unter Berufung auf die Gewissensfreiheit von der Mitwirkung an einem assistierten Suizid zu befreien ebenso wie die Wirkung dieser Suizidpraxis auf die anderen Heiminsassen. Pfarrer Dr. Roland Graf erläuterte an einem konkreten Beispiel des Sterbefastens die Problematik des auf die Spitze getriebenen Rechts auf Autonomie und Selbstbestimmung: Ein 86-jähriger, noch rüstiger Mann will nicht zum Pflegefall werden und der Allgemeinheit zur Last fallen. Er verlangt deshalb in seiner Patientenverfügung, dass vom Moment der absehbaren Urteilsfähigkeit an ihm weder zu essen noch zu trinken gegeben werden darf, selbst wenn er durch nicht verbale Gesten danach verlangen würde. Es stellt sich hier die Frage: Wie rechtsverbindlich ist eine solche Patientenverfügung noch, wenn sie im Ernstfall sozusagen gegen ihren eigenen Willen durchgesetzt werden soll. Und macht sich das Pflegepersonal für diesen Fall nicht der unterlassenen Hilfeleistung auf Verlangen schuldig?
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