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Kommentar

Wenn es den Pries­tern an den Kra­gen geht …

«Ach, was wir Sie noch fra­gen woll­ten: Tra­gen Sie den Kra­gen immer?» Spä­tes­tens jetzt ent­schei­det sich, wie die Chan­cen des Kan­di­da­ten ste­hen, die ange­strebte Stelle eines Pfar­rers in der Gemeinde X. zu bekom­men. Gute Refe­ren­zen, ein her­vor­ra­gen­der Stu­di­en­ab­schluss, selbst ein Dok­tor­ti­tel ver­kom­men zur Maku­la­tur, wenn der Gefragte mit «Ja» ant­wor­tet. Für viele Anstel­lungs­be­hör­den ist der Pries­ter­kra­gen ein abso­lu­tes No Go.

Erst kürzlich fühlte sich der Redaktor eines offiziellen kirchlichen Presseorgans bemüssigt, die (rhetorische?) Frage zu stellen, ob es den Kragen tragenden Priestern nicht in erster Linie darum gehe, in der Öffentlichkeit als «etwas Besseres» dazustehen. Wenn der gute Mann einen Tag lang selbst im Priesterkragen herumlaufen würde, bekäme er eine passende Antwort.

Abgesehen davon, dass dieser Kragen kein bequemes Ding ist, den Hals einengt, kratzt und im Sommer Schweiss treibend wirkt und sogar Entzündungen hervorrufen kann, ist es für jemanden, dem es um sein Ansehen geht, wenig ratsam, sich als Priester zu «outen». Die weltlichen Medien, eifrig sekundiert von kirchlichen Präventionsbeauftragten beiderlei Geschlechts, tun derzeit alles, um den Begriff «Priester» negativ zu konnotieren. Guter Hirt, Seelenführer, Spender der Sakramente, Tröster in schwierigen Lebenslagen, stellvertretender Beter – das war einmal! Heute steht ein Priester unter dem Generalverdacht, ein Sittlichkeitsverbrecher und/oder ein machtbesessener Mensch zu sein. Unter solchen Umständen den Kragen zu tragen, erfordert grossen Mut.

Und doch tun sich auch heute noch ältere und vor allem jüngere Priester diesen täglichen Spiessrutenlauf an. Warum? Weil sie «etwas Besseres» sein wollen? Wohl kaum. Um ihre Motivation zu verstehen, ist zunächst ein Blick ins Kirchenrecht angesagt. Can. 284 des geltenden «Codex Iuris Canonici» von 1983 formuliert recht grosszügig: «Die Kleriker haben gemäss den von der Bischofskonferenz erlassenen Normen und den rechtmässigen örtlichen Gewohnheiten eine geziemende kirchliche Kleidung zu tragen.» Die Deutsche Bischofskonferenz präzisiert in ihrer Partikularnorm Nr. 5 zum erwähnten Can. 284: «Der Geistliche muss in der Öffentlichkeit durch seine Kleidung eindeutig als solcher zu erkennen sein.»

Diese Vorschriften verpflichten den Priester somit nicht explizit, das Kollar, also den «römischen Kragen», zu tragen. Da dieser jedoch ein eindeutiges Erkennungszeichen für einen katholischen Priester ist – obwohl er auch von Geistlichen anderer Konfessionen verwendet wird –, erfüllt er die Verpflichtung. Der Kragen signalisiert demnach nicht, dass sein Träger «etwas Besseres», sondern schlicht und einfach, dass er ein katholischer Priester ist.

Kein Job, sondern eine Berufung
Warum aber soll ein Priester als solcher zu erkennen sein? Die Antwort hängt eng mit dem Verständnis des Priestertums zusammen. Wer im Priesteramt lediglich einen Job wie tausend andere sieht, wird dem Priester zugestehen, dass er nach «Feierabend» gewöhnliche Klamotten anziehen und anonym durch die Stadt spazieren darf, ähnlich wie ein Polizist oder eine Ärztin nicht verpflichtet ist, in der Freizeit seine Uniform bzw. ihren weissen Kittel zu tragen. Nun ist das Priesteramt aber kein Job wie tausend andere, sondern eine Berufung, eine Erwählung durch Gott. Ein Priester übt nicht in erster Linie einen Beruf aus, sondern hat sich als Mensch ganz in den Dienst Gottes gestellt. So gesehen gibt es für ihn keinen «Feierabend»: Als Pfarrer, Vikar, Hochschuldozent oder Religionslehrer mag er seine fest umrissene Arbeits- und Freizeit haben, aber als Priester steht er ab seiner Weihe bis zu seinem Tod jederzeit im Dienst Gottes.

Nicht selten berichten Priester, die den Kragen tragen, dass sie von wildfremden Menschen auf der Strasse angesprochen und um einen seelsorgerlichen Dienst, etwa ein Beichtgespräch, gebeten werden. Niemand würde einen Mann im Schlabberlook um so etwas angehen, selbst wenn jener ein Priester wäre, da man ihn ja nicht als solchen erkennen würde.

Wollte man bösartig sein, könnte man dem eingangs erwähnten Redaktor die Gegenfrage stellen, ob allenfalls Priester, die sich völlig «zivil» kleiden, nicht einfach ihren Auftrag vernachlässigen.

Weisser Kragen als rotes Tuch
Bleibt noch die Frage, weshalb denn der Priesterkragen auf gewisse Leute wie ein rotes Tuch auf den Stier wirkt. Eine mögliche Antwort findet sich im Alten Testament, genauer im Buch der Weisheit (2, 12–14), wo es heisst:

«Lasst uns dem Gerechten auflauern! Er ist uns unbequem und steht unserem Tun im Weg. Er wirft uns Vergehen gegen das Gesetz vor und beschuldigt uns des Verrats an unserer Erziehung. Er rühmt sich, die Erkenntnis Gottes zu besitzen, und nennt sich einen Knecht des Herrn. Er ist unserer Gesinnung ein lebendiger Vorwurf, schon sein Anblick ist uns lästig.»

Kragen tragende Priester sind meistens solche, die es mit den Geboten Gottes und den Vorschriften der Kirche ernst meinen. Sie lieben die Sünder, aber heissen die Sünde nicht gut. Sie lehren nicht die «breite Strasse, die ins Verderben führt», sondern den «schmalen Weg zum Himmel». Das macht sie bei denen, die auf der breiten Strasse unterwegs sind, unbeliebt, ihr Anblick – eben der Kragen – ist ihnen lästig.

Umgekehrt ist der Kragen für die gläubige Katholikin resp. den gläubigen Katholiken ein Vertrauensbeweis: Diesem Priester kann ich mich anvertrauen, er wird mich nicht mit Vertröstungen und Halbwahrheiten abspeisen, sondern mir den Weg zum Himmel zeigen.


Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.

 

 


Martin Meier-Schnüriger


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    Koller Eugen 28.11.2022 um 08:26
    Das Pfarreiblatt Uri Schwyz ist kein "offizielles kirchliches Presseorgans" wie fälschlicherweise im Artikel geschrieben wurde. Der Herausgeber ist ein Verein (Verband), Mitglieder sind hauptsächlich die angeschlossenen Pfarreien.
    Dies zur Richtigstellung.
  • user
    Don Michael Gurtner 13.11.2022 um 23:23
    Ich ziehe oft und gerne die Soutane an. Da ist es mir in der Schweiz auch schon passiert daß wildfremde Leute kommen und sich bedanken weil sie sich freuen "daß es sowas wieder gibt", oder daß sie einen ansprechen weil sie eine Frage oder ein Anliegen haben das sie aus verschiedenen Gründen nicht mit ihrem Pfarrer besprechen können oder möchten.
    Da sind sie froh jemand fremden zu treffen und den auch zu erkennen.
    Oftmals sagt man mir auch mit dem eigenen Pfarrer können sie nicht sprechen weil er sich nicht mehr innerhalb des Katholischen bewege und die Leute nicht ernst nimmt und als frömmlerisch oder ewig gestrig abtut und nicht einmal anhört oder ernst nimmt.
    Was ich direkt oder indirekt an schier unerträglicher klerikaler Arroganz mitbekomme, die den Glauben der "Kleinen" mit Füßen tritt (etwa öffentliches Lächerlichmachen von Leuten die mit Recht die Mundkommunion wollen, und ähnliches mehr) ist wirklich skandalös und wird oft totgeschwiegen.
    Dann ist es verständlich daß Leute froh sind wenn sie jemanden treffen und sozusagen gleich erkennen daß sie vielleicht etwas mehr Gehör finden.
    Wenn viele Leute kein Vertrauen mehr in den Klerus haben: ich kann es wirklich verstehen, was ich so mitbekomme
  • user
    Edi Arnold 13.11.2022 um 21:11
    Bekam im Wallis noch nie ernsthaft Probleme wegen dem Kragen, nur einige ganz wenige, denen kaum was in der katholischen Kirche passt, rümpfen die Nase…
  • user
    Sonja Bizzotto 13.11.2022 um 20:46
    Wenn ich einen Priester sehe,wird es mir warm ums Herz , ich danke Gott und bitte ihn,diesen Gott geweihten Mann zu beschützen!
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    Manuel Sebastian 13.11.2022 um 16:14
    Ein sehr guter und hervorragender Artikel. Ich wünschte mir immer so eine katholische Medien in der Schweiz , wo es um Klarheit, Wahrheit und die Lehre der Kirche eine Rolle spielt. Danke !
    Zum Glück muss ich keine polemischen Medien mehr folgen.
  • user
    Stefan Fleischer 13.11.2022 um 11:48
    Nur so nebenbei:
    Wie viele Arbeitnehmer sind heute verpflichtet (und akzeptieren es ganz selbstverständlich) dass sie im Diesnt öffentlich als Mitarbeiter einer bestimmten Firma, teilweise sogar in ihrer Funktion und ihrem Rang, erkennbar sein müssen? Vielleicht sollten wir Katholiken nicht alle eigentlich auch an unserem Outfit erkennbar sein.
  • user
    Daniel Ric 13.11.2022 um 09:48
    Das Priestertum wird tatsächlich sehr stark angefeindet in der heutigen Gesellschaft und man muss sich der psychologischen Gründe bewusst werden, weshalb dieser Widerstand so gross ist. Dass sich Männer entschliessen, Priester zu werden, ist ein Zeichen, dass es Menschen in unserer Gesellschaft gibt, die ihre individuelle Freiheit, ihren materiellen Reichtum und ihre Sexualität bewusst einschränken, um Gott und den Mitmenschen zu dienen. Jeder Priester ist daher auch für einen Laien und auch einen Nicht-Christen ein Beweis, dass wir nicht einfach durch Triebe und Macht gesteuerte Wesen sind, sondern unseren Leib beherrschen können. Ob nun ein Priester einen Römerkragen trägt oder ein einfaches Kreuz, muss wohl der Situation angepasst werden. Es gibt sicherlich Momente, in denen es gut sein kann, möglichst dezent aufzutreten und andere, in denen es wichtig ist, klar als Priester erkennbar zu sein. Auf jeden Fall ist es völlig falsch, einem Priester eine Anstellung zu verwehren, weil er sich gegen aussen sichtbar als Priester zeigt. Wie Herr Meier-Schnüriger richtig schreibt, ist das Priestertum eine Berufung und kein Beruf. Bei dieser Gelegenheit ist dies jedoch auch allen Laien in Erinnerung zu rufen, dass wir alle Berufene sind. Auch Laien sind nicht nur "Freizeit-Christen" in der Kirche, sondern auch im Alltag aufgerufen, unseren Glauben zu bezeugen.
  • user
    stadler karl 13.11.2022 um 00:22
    Es stört keineswegs, wenn ein Priester einen Römer-Kragen trägt. Aber der Römer-Kragen als solcher ist so wenig eine Garantie dafür, dass der betroffene Priester ein vertrauenswürdiger Seelsorger ist wie der dunkle Anzug eines Anwalts beim Auftritt vor den Schranken des Gerichts eine Garantie dafür darstellt, dass er dem Recht, geschweige denn der Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen will. Das sind alles völlig unbedeutende Akzidentien bei der Ausübung ihrer Tätigkeit, die keine weitere Beachtung verdienen. Und wer über die Fähigkeit verfügt, ein bisschen kritisch und analytisch zu denken, lässt sich das Bild des Priesters durch Präventionsbeauftragte und Medien nicht im Ansatz pauschal negativ konnotieren.
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      Kirchenkätzchen 13.11.2022 um 08:49
      Tja,
      wenn die Anstellungsbehörden das auch so sähen...
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      Christina Gamper 05.04.2023 um 07:56
      Ihrer Aussage, der Priesterkragwn und ähnliches seien völlig bedeutungslos muss ich widersprechen. Es ist hilfreich und angemessen einen Priester auch in der Öffentlichkeit als solchen zu erkennen. Natürlich ist der Kragen kein Garant für die Vertrauenswürdigkeit, aber doch dafür, einen Priester vor sich zu haben. Dieser hat gewisse Befugnisse und Pflichten. Er ist bspw. an das Beichtgeheimnis gebunden. Weiters kann ich von einer gewissen theologischen Bildung ausgehen, und, heutzutage gerade, wenn er Römerkragen oder gar Soutane trägt, dass er seine Berufung ernst nimmt. Ich kann ihn also auf der Straße erkennen, evtl. ansprechen, wenn ich etwas auf dem Herzen oder eine Frage habe. Dies ist nicht möglich, wenn ich ihn als Priester gar nicht erkenne. Ich persönlich freue mich, wenn ich einen Priester in der Öffentlichkeit sehe, grüße, und spreche ein kurzes Gebet für ihn.