In Seegräben im Zürcher Oberland führt er alljährlich im Herbst auf seinem Betrieb eine Kürbisausstellung durch: eine der farbenprächtigsten und originellsten ihrer Art. Der Andrang, auch aus dem Ausland, ist riesig. Auf seiner Homepage ersucht Martin Jucker deshalb alle Interessierten, doch bitte den Bus zu benutzen, denn die Parkplätze sind beschränkt. Doch nicht alle Autofahrer halten sich an diesen buchstäblichen Wink mit dem Zaunpfahl. Entsprechend genervt, ja unflätig reagieren manche von ihnen, wenn sie zurückgewiesen werden. Vorzugsweise auf den sozialen Medien. «Wer sich über etwas ärgert, tippt, und zwar sofort» nennt Jucker solche im Affekt geschriebenen Reaktionsmuster, wobei die obligaten Schuldzuweisungen nicht fehlen dürfen. «Völlig inkompetent»; «So was von unfähig» sind die gängigen Vokabeln, die dem Obstbauer aus dem Zürcher Oberland an den Kopf geworfen werden. Martin Jucker ist zu Recht frustriert, weil dies insbesondere auch seine mittlerweile über 100 Mitarbeitenden demoralisiert.
Weit davon entfernt, frustriert zu sein, erinnern mich als Redaktionsleiter von «swiss-cath.ch» Juckers Worte doch unweigerlich an ähnlich gelagerte Phänomene in unseren Kommentarspalten. Martin Meier-Schnüriger hat diesen Befund kongenial auf den Punkt gebracht: «
Herzlichen Dank für diesen erfrischenden Bericht über den Zürcher Klostermarkt! Dass ich hier offenbar als einziger einen Kommentar absetze, während es bei Berichten über eher negative Themen von Kommentaren nur so wimmelt, ist irgendwie symptomatisch für unsere Zeit und unsere Kirche: Was schlecht läuft, wird begierig wahr- und aufgenommen, die vielen positiven Aufbrüche, die es eben auch gibt, werden gerne übersehen. Eigentlich schade! Umso erfreulicher, dass swiss-cath.ch solche positiven Aufbrüche auch thematisiert.»
Schaut man sich die Themen in der Rubrik «Meist gelesen» der Mainstream-Medien an, scheint eine Präferenz für negative oder negativ empfundene Ereignisse geradezu in der Natur des Menschen zu liegen. Mich persönlich irritiert, dass allzu viele Kommentare nicht oder nur am Rande auf den jeweiligen Beitrag eingehen und stattdessen diesen vielmehr als Vehikel instrumentalisieren, um ein Desiderat aufs Tapet zu bringen, das man schon lange loswerden wollte. Als typisches Beispiel möchte ich meinen Beitrag «Des Papstes Leo XIV. erstes Lehrschreiben: Zweite, verbesserte Auflage erbeten» erwähnen. Mein Hauptanliegen war es, der Ursache auf den Grund zu gehen, weshalb es in Lateinamerika den Evangelikalen gelingt, der Katholischen Kirche unzählige Gläubige abspenstig zu machen. In den zahlreichen Kommentaren nahm niemand zu dieser essentiellen Frage Stellung. Stattdessen wurde in extenso fachkundig darüber disputiert, welche ökonomischen und theologischen Koryphäen sich innerhalb der kirchlichen Soziallehre bewegen und welche nicht. Mein unvergesslicher Deutschlehrer hätte in einem solchen Falle meinen Aufsatz mit der Bemerkung retourniert: «Thema verfehlt».
Zurück zu Obstbauer Martin Jucker. Er empfiehlt nicht nur den Parkplatzsündern, sondern allen Menschen guten Willens, den Fehler zuerst einmal stets bei sich selbst zu suchen. Ein Ratschlag, dem ich vorbehaltlos zustimmen kann. Denn es ist ein Ratschlag ganz ohne Frusterlebnis, aber mit unfehlbarer Erfolgsgarantie: Finde ich keine eigenen Fehler, irgendein Internet-User findet sie ganz bestimmt!
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
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