Ausgetretene Pfade? Von wegen! Geht es um tatsächliche oder vermeintliche sexuelle Missbräuche im Umfeld der Katholischen Kirche, sind sie (fast) alle wieder da. Rund 25 Journalistinnen und Journalisten fanden sich am Vormittag des 27. Mai 2024 in Zürich ein, um sich aus erster Hand über den aktuellen Stand der Aufarbeitung sexueller Missbräuche ins Bild zu setzen.
Die stattliche Journalistenschar durfte sich geehrt fühlen, zählte sie doch biblisch gesprochen nicht nur zu den vielen Berufenen, sondern zu den wenigen Auserwählten: «Am Montag werden ausgewählte Medien zum aktuellen Stand der im September 2023 beschlossenen, nationalen Massnahmen zur Aufarbeitung und gegen die Vertuschung von Missbrauch im kirchlichen Umfeld informiert», hiess es in der Medienmitteilung der Diözese Chur vom 26. Mai 2024. Und dazu ergänzend: «Regional tätige Journalisten sind nicht anwesend und können sich, unter anderem, an Bezugspersonen ihrer Region wenden.»
Besonders in Szene setzten sich die Leute vom Schweizer Fernsehen, die mit mehreren Kameras bestückt auf der Jagd nach einschaltträchtigen Sujets pausenlos herumwuselten. Die verantwortlichen Kirchenleute machten es ihnen aber auch ausgesprochen leicht. Nein, kein simples Mediencommuniqué war gut genug, da musste schon ein veritables Werkstattgespräch her. Diese Gelegenheit zur Profilierung als «Mister Proper» wollten sich Bischof Joseph Maria Bonnemain von der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und Abt Peter von der KOVOS[1] (ein weiteres Mal) nicht entgehen lassen. Leicht getrübt wurde die «Saubermänner-Aura» durch die dauerpräsente Vreni Peterer, Präsidentin der «Interessengemeinschaft für missbrauchsbetroffene Menschen im kirchlichen Umfeld» (IG MikU), deren Selbststilisierung als «mater dolorosa» zunehmend exhibitionistische Züge anzunehmen droht. Flankiert wurden die Kirchenvertreter von Roland Loos, Präsident der «Römisch-Katholischen Zentralkonferenz» (RKZ), und Stefan Loppacher, Leiter der Geschäftsstelle «Fachgremium sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Schweizer Bischofskonferenz.
Um es vorwegzunehmen: Die Zahl der anwesenden Journalisten war indirekt proportional zum Ertrag des Werkstattgesprächs, erschöpfte sich dieses doch weitgehend in unverbindlichen Absichtserklärungen, Zielvorstellungen und vagen Zeithorizonten, hatte also auf gut Deutsch gesagt wenig Fleisch am Knochen (pars pro toto-Wording: «Die Gewährung von Aktenzugang aufgrund berechtigter Anfragen, beispielsweise von Betroffenen oder zu weiteren Forschungszwecken, ist hingegen noch nicht geregelt»).
Selbstverpflichtung zum Verzicht auf Aktenvernichtung
Am konkretesten waren die Informationen zum Umgang mit Missbrauchsakten. Im Sinn einer Selbstverpflichtung haben sich alle Bistümer bereit erklärt, entgegen der Vorschrift von can. 489 § 2 CIC keine Akten zu vernichten, die im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen stehen oder den Umgang damit dokumentieren. Die Selbstverpflichtung der Ordensgemeinschaften steht noch aus. Abt Peter von Sury ortete ein spezifisches Problem bei den Ordensgemeinschaften infolge des erodierenden Mitgliederbestandes. In unseren Breitengraden seien die Orden oft nicht mehr in der Lage, die Aufarbeitung der dunklen Seite ihrer Geschichte professionell zu bewerkstelligen. Dennoch dürfe diese keinesfalls vernachlässigt werden. Abt von Sury bemühte das Bild der «Bodensanierung». Denn damit die Verkündigung des Evangeliums auf fruchtbaren Boden fallen könne, müsse dieser Boden zuerst saniert werden. Damit erwies er sich alles andere als bibelfest, ist es doch dem Wesen von Gottes Wort inhärent, dass es notgedrungen auch unter Dornen und Disteln fallen kann (vgl. Mt 13,22). «Was, wenn ein römischer Vorgesetzter auftaucht und die kirchenrechtlich vorgeschriebene Aktenvernichtung trotzdem anordnet?», lautete die Frage eines «CH Media»-Journalisten. «Dies wird einer der grossen Knacknüsse sein», beschied ihm der Präventionsverantwortliche Loppacher.
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