Die Fresken der Sixtinischen Kapelle werden zu stummen Zeugen jeder Papstwahl. (Bild: Burkhard Mücke, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Kommentar

Wie klingt ein Konklave?

«Extra omnes!» Alle hin­aus – kurz, scharf und end­gül­tig. Die­ser Ruf hallt heute durch die Six­ti­ni­sche Kapelle wie ein Rie­gel, der vor­ge­scho­ben wird. Zum ers­ten Mal erklang er wohl 1455. Seit­her mar­kiert er den Beginn jener Stun­den, in denen die Kir­che schweigt, um zu hören. Ein letz­ter metal­li­scher Nach­hall, dann fällt die Tür ins Schloss. Die Welt bleibt draus­sen. Das Kon­klave beginnt. Was nun folgt, ent­zieht sich dem Blick – aber nicht dem Ohr. Denn das Kon­klave, so ver­bor­gen es auch ist, spricht. Oder bes­ser: Es lässt sich hören.


Es ist der Moment, in dem sich zwei Welten trennen: Öffentlichkeit und Innerlichkeit, Politik und Gebet, Macht und Ohnmacht. Wer die Schwelle der Kapelle überschreitet, lässt – zumindest symbolisch – alles hinter sich: Titel, Ambitionen, Kalkül. Der erste Klang ist der von Schritten: Leder auf Marmor. Gleichmässig. Gemessen. Wie das Echo eines Rituals, das älter ist als jeder, der es vollzieht. Dann: das Rascheln der Soutanen. Ein Räuspern. Der schwere Atem eines alten Kardinals. Vielleicht sogar ein Flüstern: «Domine, non sum dignus...» «Herr, ich bin nicht würdig …»

Wo der Zweifel flüstert und die Berufung nachhallt
Die Sixtinische Kapelle ist nicht nur ein Kunstwerk – sie ist ein Resonanzkörper. Schon beim Konklave 1978, als zum ersten Mal seit Jahrhunderten ein Nicht-Italiener gewählt wurde, flüsterte man unter Fresken und Deckengemälden. Damals wie heute klangen die Gebete ähnlich, selbst wenn Namen und Sprachen wechselten. Stimmen tragen weiter als Worte gemeint waren. Jeder Zweifel, jede Überzeugung bekommt akustisches Gewicht. Die Fresken schweigen – und doch scheinen sie zu hören: «Ego Cardinalis Pizzaballa promitto, voveo ac iuro, me Christum Dominum, qui me iudicaturus est, testem invocando, me suffragium daturum esse illi, quem secundum Deum iudicavero eligi debere». – «Ich, Kardinal Pizzaballa, verspreche, gelobe und schwöre, unter Anrufung Christi, des Herrn, der mich richten wird, dass ich demjenigen meine Stimme geben werde, von dem ich vor Gott überzeugt bin, dass er gewählt werden soll.» Die Sixtinische Kapelle trägt diese Stimmen, hallt nach, bewahrt jedes Zögern. Man vernimmt das Kratzen einer Feder auf Papier. Das gedämpfte Geräusch beim Falten der Stimmzettel. Das kaum hörbare Geräusch einer Urne, wenn sie bewegt wird. Der Moment, in dem ein Name ausgesprochen wird, hat Schwere. Er ist nicht mehr nur ein Wort. Er kann zum Schicksal werden.

Herzklang und Weltenrauschen
In dieser kontrollierten Äusserlichkeit beginnt der innere Lärm. Denn manche Geräusche erklingen nicht im Raum, sondern im Herzen. Zweifel, Hoffnung, Angst. Der Dialog mit sich selbst. Bin ich bereit? Warum nicht ein anderer? Was will Gott und was will die Kirche? Die eigentliche Lautstärke des Konklaves entsteht in diesen Fragen. Wer genau hinhört, vernimmt das Ringen zwischen Berufung und Versuchung. Zwischen göttlicher Eingebung und menschlicher Strategie.
Während drinnen gebetet und gewählt wird, steht die Welt in gespannter Erwartung. Draussen, auf dem Petersplatz, ist die Spannung anders, aber nicht weniger intensiv. Ein Ozean aus Regenschirmen, Pilgern, Journalisten. Viele Sprachen. Viele Erwartungen. Viele Gebete. Dann steigt Rauch auf. Schwarz. Noch. Es murmelt. Jemand beginnt zu beten. Der Wind fährt durch die Menge. Rom hält den Atem an.

Der Klang des Anfangs
Später wird Weiss kommen. Glocken. Jubel. Ein Chor aus Erwartung, Erleichterung und vielleicht auch Skepsis. Vielleicht Trommeln aus Nigeria, Gesänge aus Polen. Gongs aus Manila, begleitet von einem Ave in Tagalog. Italienische Nonnen summen Melodien. Ein jugendlicher Chor singt ein Halleluja, das nach Olivenbäumen und orientalischer Liturgie duftet. Und irgendwo fragt ein Kind: «Papa, wer ist jetzt der Papst?»
Der letzte Klang des Konklaves ist der erste Klang eines neuen Pontifikats. Der Moment, in dem sich der Vorhang öffnet und eine Stimme anhebt: «Fratelli e sorelle...» Vielleicht ist sie fest. Vielleicht zitternd. Vielleicht brüchig vor Rührung. Aber sie ist sicher neu. Ein Klang, den die Welt noch nicht kennt. Der Anfang eines Pontifikats – hörbar, fühlbar, neu.


Mike Qerkini


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Bemerkungen :

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    Pizzaballa 07.05.2025 um 17:29
    Beim Lesen fühle ich mich grad in diesen wunderschönen Raum versetzt und spüre förmlich die Hoffnung und die Spannung. Möge der heilige Geist wehen und sich über Kardinale ausgiessen, sie mit seiner göttlichen Weisheit erfüllen und sie in ihrer Entscheidungskraft leiten, damit sie mit seinem heiligen Willen handeln.
    • user
      Michael Dahinden 08.05.2025 um 12:18
      Ach könnte ich vorher sterben, ausgesöhnt mit Gott und bereit für mein persönliches Gericht. Wenn aber vorher noch Zeugnis verlangt wird, so hört, dass die Kirche während Jahrtausenden den Exklusiven Monothismus verkündet hat, dass sie durch die Abwendung Verrat begeht und dass sie nur von dieser Fessel loskommt, wenn sie den Willen dazu klipp und klar äussert, was ihr apokalyptische Widerstände einbringen muss! Kreuz nennt man das.