Zisterzienserinnenabtei Mariastern-Gwiggen. (Bild: Friedrich Böhringer, CC BY-SA 3.0 AT via Wikimedia Commons)

Kirche Schweiz

Zei­chen der Ver­bun­den­heit über Gren­zen hinweg

Meh­rere Thur­gauer Pfar­reien besu­chen alle zwei Jahre die Zis­ter­zi­en­se­rin­nen­ab­tei Mariastern-​Gwiggen (Gemeinde Hohen­wei­ler, Vor­arl­berg). Der Grund für die­sen Besuch – «Thur­gau­er­tag» genannt» – liegt darin, dass das Klos­ter sei­nen Ursprung im Thur­gau hat.

Die Klöster im Kanton Thurgau kamen im 19. Jahrhundert nach den napoleonischen Kriegen und vor allem durch die zunehmend kirchenfeindliche Säkularisierungswelle immer mehr unter Druck: Sie wurden finanziell unter staatliche Aufsicht gestellt und duften keine neuen Kandidaten mehr aufnehmen. 1848 beschloss der Grosse Rat des Kantons Thurgau – auch wegen des chronischen Geldmangels des Kantons – die Aufhebung aller Klöster.[1] Treibende Kraft hinter der klosterfeindlichen Politik war der protestantische Pfarrer Thomas Bornhauser, der im Kantonsparlament bereits 1835 den Klöstern jegliche Existenzberechtigung abgesprochen hatte.

Unter diesen Klöstern waren auch drei Zisterzienserinnenklöster aus dem 13. Jahrhundert.

Das Zisterzienserinnenkloster Mariazell zu Kalchrain (Hüttwilen) wurde zwischen 1324 und 1331 gegründet. Als Erbauer und Stifter des Klosters wird Bischof Konrad von Freising genannt. Nach einem teilweisen Verfall im Gefolge der Reformation – 1556 wohnten nur noch fünf Konventualinnen und drei «alte Frauen» in Kalchrain – erlebte der Konvent im 17. und 18. Jahrhundert eine religiöse, personelle und finanzielle Blüte. Der barocke Neubau des Klosters entstand nach Plänen des berühmten Caspar Moosbrugger. Das Kloster Kalchrain, das mehrere Brandkatastrophen, die Reformation und selbst ein Erdbeben überstanden hatte, wurde 1848 durch die thurgauische Regierung aufgehoben. Die Nonnen kamen vorübergehend im bereits 1836 aufgehobenen Klarissenkloster Paradies unter.
Heute ist in den ehemaligen Klostergebäuden das «Massnahmenzentrum Kalchrain» untergebracht, das der Ausbildung von straffälligen jungen männlichen Erwachsenen dient.

Das Kloster Feldbach (bei Steckborn) wurde 1253/1254 gegründet. Ursprünglich eine Beginengemeinschaft, lebten die Schwestern ab 1253 nach der Ordensregel der Zisterzienser, 1260/1262 wurden sie als Nonnen in den Orden inkorporiert. Dank fähiger Äbtissinnen und der Gunst des Adels erlangte die Abtei Feldbach bald ansehnlichen und weitläufigen Besitz sowie einen eigenen geschlossenen Gerichtskreis. Die blühende Abtei[2] wurde ebenfalls 1848 aufgehoben, das Klostervermögen zugunsten des Kantons enteignet. Die Nonnen kamen zunächst im Zisterzienserinnenkloster Tänikon unter.
Die Klostergebäude brannten 1895 fast vollständig ab. Erhalten blieb nur das Altkloster, das heute als Teil eines Hotels dient.

Das Zisterzienserinnenkloster Tänikon (Aadorf) wurde um 1249 gegründet. Aus der Zeit vor der Reformation ist nicht viel bekannt. Es muss sich aber um eine grössere Klosteranlage gehandelt haben. Der Dachstuhl der Klosterkirche stammt aus dem Jahr 1363 und macht sie zu einem der ältesten noch erhaltenen Gebäude im Thurgau. Während der Reformation (1525–1550) erlosch das klösterliche Leben vorübergehend. Das wiederbelebte Kloster erfuhr im 17. Jahrhundert eine grosse Blüte; zahlreiche Gebäude wurden erbaut und die Äbtissinnen übten in den umgebenden Ortschaften die niedere Gerichtsbarkeit aus. Von 1829 bis 1831 – kurz vor der Klosteraufhebung 1848 – wurde die Klosterkirche im klassizistischen Stil umgebaut.
Heute ist in den ehemaligen Klostergebäuden die Forschungsanstalt «Agroscope Reckenholz-Tänikon» (ART) untergebracht.
 


Gemeinsamer Neubeginn im Vorarlberg
1856 erwarben die Priorin Ida Schäli des Kalchrainer Konvents und die Feldbacher Äbtissin Augustina Fröhlich gemeinsam das Schlösschen Gwiggen bei Hohenweiler in Vorarlberg. Nach einigen Umbauarbeiten konnten sie dort das reguläre Klosterleben wieder aufnehmen. Unterstützung erhielten sie durch die ebenfalls aus dem Thurgau vertriebenen Mönche der Zisterzienserabtei Wettingen. Diese hatte sich erst zwei Jahre zuvor (1854) als Kloster Mehrerau-Wettingen im österreichischen Exil neu gegründet.

Der Tänikoner Konvent war 1853 ins ehemalige Kapuzinerkloster Frauenfeld gezogen und hatte auf eine Rückkehr ins Heimatkloster gehofft. Als diese nicht möglich war, schloss sich der Konvent 1869 den in Gwiggen lebenden Nonnen von Feldbach und Kalchrain an. Die drei Zisterzienserinnenkonvente gründeten den «Konvent der vereinigten thurgauischen Abteien Feldbach, Kalchrain und Tänikon in Marienstern». Die letzte Feldbacher Äbtissin, Maria Augustina Fröhlich, wurde Gründungsäbtissin des neuen Klosters.

Den «Thurgauertag» gibt es seit Anfang der 1970er-Jahre. Die damalige Äbtissin von Gwiggen, M. Agnes Fabianek, hatte die Idee dazu. Ihr ging es darum, mit den Pfarreien der Ursprungsklöster in Kontakt zu kommen. Anlässlich ihres 150-Jahr-Jubiläums besuchte die Klostergemeinschaft 2006 im Rahmen ihres Konventausfluges die Stammklöster. Die Gemeinschaft wurde von den Menschen, die dort leben, sehr herzlich aufgenommen und es sind Freundschaften entstanden, berichtet Sr. M. Anastasia.

Alljährlich im August nehmen die Thurgauer-Pfarreien die Kollekte für das Kloster Mariastern-Gwiggen auf. Und auch die Landeskirche Thurgau hat sich schon finanziell an der Renovierung eines Klostergebäudes beteiligt. Vielleicht darf dies auch als eine Art Wiedergutmachung für die Klosteraufhebungen verstanden werden, bei denen der Kanton Thurgau den Nonnen ihren ganzen Besitz und ihr Vermögen weggenommen hat.

Bis jetzt fand der «Thurgauertag» jeweils im September in den ungeraden Kalenderjahren statt, letztmals 2019. Nach einer Unterbrechung werden dieses Jahr wieder Gläubige der Pfarreien Tänikon und Aadorf, St. Anna Frauenfeld und des Pastoralraums Thurtal-Seerücken-Untersee den «Thurgauertag» im Kloster Marienstern-Gwiggen begehen.

 


[1] Mit Ausnahme des Klosters St. Katharinental, das im Jahre 1869 aufgehoben wurde.
[2] Dort wurde z. B. der berühmte «Feldbacher Altar» aufgefunden, ein spätgotisches Passions-Retabel (Mitte des 15. Jahrhunderts). Es gilt als herausragendes Beispiel für eine zukunftsweisende Entwicklung der spätmittelalterlichen Tafelmalerei.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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