Felix Manz wird am 5. Januar 1527 als Täufer in der Limmat ertränkt.

Hintergrundbericht

Zürich: Am Ursprung ihrer Ver­fol­gung geden­ken Täu­fer ihrer 500-​jährigen Geschichte

Mit der im Januar 1525 in Zürich voll­zo­ge­nen Erwach­se­nen­taufe beginnt die Geschichte der Täu­fer­be­we­gung. Es ist eine Jahr­hun­derte dau­ernde Geschichte der Ver­fol­gung und Ver­trei­bung. Am Auf­fahrts­tag, den 29. Mai 2025, tra­fen sich in Zürich Täu­fe­rin­nen und Täu­fer zu einem Gross­an­lass, um ihre leid­volle Ver­gan­gen­heit in Erin­ne­rung zu rufen und gleich­zei­tig ihr heu­ti­ges Selbst­ver­ständ­nis zu klären.

Am 21. Januar 1525 spendeten sich Konrad Grebel, Felix Manz und Georg Blaurock (Jörg Cajakob) in Zürich gegenseitig die Taufe. Dieser Tag gilt als die Geburtsstunde der Täuferbewegung. Für die damaligen Zeitgenossen eine Ungeheuerlichkeit, ein Affront sondergleichen. Nicht zuletzt für Zwingli, zu dessen engsten Mitarbeitern die Genannten in der Frühzeit der Reformation gehört hatten. Ihr Verständnis eines erneuerten Christentums lässt sich in folgenden Stichworten zusammenfassen:

  • Freiwilligkeit des Glaubens und der Kirchenmitgliedschaft
  • Ablehnung der Kindertaufe
  • Aufbau eigener, staatsunabhängiger Kirchgemeinden
  • Verweigerung von Eid und Kriegsdienst

Für Zwingli kamen diese in der Tat revolutionären Postulate einer eigentlichen Kriegserklärung gleich, stellten es doch sein Glaubens- und Kirchenverständnis geradezu auf den Kopf. Er verstaatlichte die Kirche, sprach ihr jegliches Recht auf Eigenständigkeit ab. Staats- und Kirchenvolk waren für ihn ein und dasselbe, wobei die weltliche Obrigkeit Garant eines nach christlichen Prinzipien organisierten Volkes sein soll. Der Kirche kam lediglich noch die Aufgabe zu, der als Vollzugsorgan des Evangeliums verstandenen Obrigkeit gehorsame Untertanen zu gewährleisten. Allfälliges fehlbares Verhalten hatten die Pfarrer auf Geheiss der Obrigkeit von der Kanzel herab zu rügen, woher das heute noch gebräuchliche Wort «abkanzeln» stammt. Dieses Kirchen-und Staatsverständnis war über Jahrhunderte prägend. So war noch bis zum Beginn der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts die reformierte Kirche im Kanton Zürich Teil der kantonalen Staatsverwaltung ohne Anspruch auf eine eigene Rechtspersönlichkeit. Demgegenüber hätte das Selbstverständnis der Täufer insbesondere mit der Ablehnung der Kindertaufe, welche mit der Begründung der bürgerlichen Existenz einherging, der Reformation im Sinne Zwinglis den Boden unter den Füssen weggezogen. Zwingli, der mit dem Schwert in der Hand in den Krieg zog, ist das pure Gegenteil der Täufer mit ihrer auf Friedfertigkeit und Gewaltverzicht beruhenden Spiritualität.

Bitte keine Geschichtsklitterung
Es ist deshalb ausgesprochen unredlich, wenn Exponenten der reformierten Landeskirchen behaupten, «in den Hauptstücken des Glaubens gäbe es kaum Differenzen zum Täufertum». Vielmehr handelt es sich dabei um eine Schutzbehauptung, um die Jahrhunderte andauernde Verfolgung der Täufer vorab in den Kantonen Zürich und Bern zu relativieren bzw. davon abzulenken.

Wie sehr anti-täuferische Ressentiments in Kreisen der protestantischen Landeskirchen immer noch nachwirken, illustriert der anlässlich der 500-jährigen Wiederkehr der Reformation am 17. Januar 2019 in die Kinos gelangte Film «Zwingli – Der Reformator». Dessen Regisseur Stefan Haupt zeichnet in diesem der Hagiographie Zwinglis verpflichteten Film von den Täufern das Bild von vertrottelten Sonderlingen. Täufer Felix Manz, so vermittelt es die Bildmontage, läuft nicht das Taufwasser über das Gesicht, sondern trieft ihm aus den Mundwinkeln.

Zwinglis Verfolgungswahn forderte nur wenige Monate nach der Geburtsstunde der Täuferbewegung im Jahre 1525 die ersten Opfer. Noch im selben Jahr wurden am oberen Zürichsee zwei Täufer verbrannt. Der spektakulärste Fall war der Täufer und ursprüngliche Gesinnungsgenosse Zwinglis Felix Manz, der am 5. Januar 1527 in Anwesenheit zahlreicher Schaulustiger gefesselt und in der Limmat ertränkt wurde. Erst 1614 erfolgte mit der Hinrichtung des Hans Landis die letzte Täufer-Exekution auf dem Hoheitsgebiet der Stadt Zürich. In der Folge wurden die noch verbliebenen Täufer mit Landesverweisungen bestraft – Vermögenskonfiskation inklusive.
 


Wie buchstäblich todernst es Zwingli mit der Verfolgung der Täufer meinte, erhellt sich aus den Vorgängen rund um die Berner Disputation im Jahre 1528. An der Spitze einer grossen Delegation machte sich Zwingli auf nach Bern und setzte alles daran, damit acht Täufer, die ebenfalls an der Disputation teilnehmen wollten, nicht zugelassen, sondern verhaftet wurden. Zwingli versuchte, sie im Nachgang zur Disputation ihres «Irrtums» zu überführen. Als ihm dies misslang, wurden sie des Landes verwiesen. Drei von ihnen kehrten gleichwohl zurück und wurden im Juli 1529 in der Aare ertränkt (vgl. Bund Evangelischer Schweizer Jungscharen – Die Jagd nach den Täufern).

Schweizweit wurden die Täufer im Untertanengebiet des alten Bern am erbittertsten verfolgt. Die Geschichte des bernischen Täufertums liest sich wie eine Jahrhunderte dauernde Leidensgeschichte, eine via crucis im wahrsten Sinne des Wortes. Bis zum Jahr 1571 sind 40 Hinrichtungen bezeugt. Hunderte kamen anschliessend durch Folter, Krankheit oder auf Galeeren ums Leben. Die Massnahmen zur Ausrottung der Täufer verschärften sich nach dem Dreissigjährigen Krieg, insbesondere nach der Niederschlagung des Bauernaufstandes von 1653.

1669 erliess die Berner Regierung eine geheime Weisung zur Anwerbung von Spitzeln und Täuferjägern, die pro verhafteten Täufer mit einem Kopfgeld belohnt wurden. In der Folge flohen über 700 Täuferinnen und Täufer in die Pfalz und nach Holland. Noch 1699 deportierte Bern einheimische Täufer nach Ostindien. 1714 wurden fünf Täufer nach Sizilien mit «Endstation Galeeren» verbannt. Erst mit der Verfassung der Helvetik zu Beginn des 19. Jahrhunderts besserte sich die Lage der Täufer. Die Bundesverfassung von 1874 bekannte sich zum Grundsatz «Gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle». Die darin vorgeschriebene Militärdienstpflicht veranlasste allerdings nochmals manche Täufer, vor allem aus dem Jura, zur Auswanderung.

Die Botschaft der Täufer fiel gerade in der Berner Landbevölkerung wie im Emmental, Oberaargau und der Umgebung von Thun auf besonders fruchtbaren Boden, galt doch das Berner Patriziat in der alten Eidgenossenschaft als besonders autoritär. So heisst es in einem Gutachten der Berner Pfarrerschaft zuhanden der staatlichen Obrigkeit, dass nichts Kritisches über die Täufer gesagt werden dürfe, weil fast jedermann ihnen so wohl gewogen war, dass «sie es nicht hören mochten, wenn wir etwas wider sie predigten».

Basler Fürstbischof gewährt verfolgten Täufern Asyl
Im Vorfeld des Anlasses vom 29. Mai berichteten zahlreiche Medien ausführlich über Entstehung und Geschichte der Täuferbewegung. Doch ob «Berner Zeitung», «Neue Zürcher Zeitung» oder Fernsehen SRF: totgeschwiegen wurde durchs Band die Tatsache, dass zahlreiche um ihres Glaubens willen verfolgte Täuferinnen und Täufern ausgerechnet im damaligen Fürstbistum Basel eine Zufluchtsstätte fanden. Klar, der Bereitschaft der Basler Fürstbischöfe zur Aufnahme lagen auch wirtschaftliche Motive zugrunde: den Täufern wurden vorwiegend karge, wirtschaftlich wenig ertragreiche Gebiet im heutigen Südjura zugewiesen. Bald einmal beschwerten sich die Einheimischen über die leidige Konkurrenz der arbeitsamen und fleissigen Täufer: «Nehmen uns den Wohnraum weg und können sich höhere Pachtzinsen leisten.»

Nichtsdestotrotz kann die Bereitschaft der Basler Fürstbischöfe zur Aufnahme von Täufern in einer Zeit, in der diese rundherum erbarmungslos verfolgt wurden, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Als im Gefolge des Wiener Kongresses von 1815 die bischöflich-jurassischen Territorien dem Kanton Bern zugeschlagen wurden, entschlossen sich zahlreiche Täufer zur Auswanderung.
 


Heute leben Täuferinnen und Täufer in allen fünf Kontinenten verteilt auf 75 Länder und zählen gesamthaft rund 2,2 Millionen Gläubige. In der Schweiz sind es 13 Gemeinden mit rund 2400 Mitgliedern. Im deutschsprachigen Raum ist der Begriff «Täufer» weitgehend vom nicht unumstrittenen Begriff «Mennoniten» abgelöst worden. Er leitet sich ab vom holländischen Taufältesten Menno Simons. Über die leidvolle Geschichte, in der auch Richtungsstreitigkeiten nicht ausblieben, und ihr heutiges Selbstverständnis gibt die von Markus Rediger und Erwin Röthlisberger herausgegebene Schrift «Täuferführer der Schweiz» einen ebenso umfassenden wie faszinierenden Einblick.

Kardinal Kurt Koch überbringt Grusswort von Papst Leo XIV.
Aus Anlass des 500-jährigen Bestehens der Täuferbewegung hat die Mennonitische Weltkonferenz am Auffahrtstag, dem 29. Mai 2025, zu einer Gedenkveranstaltung nach Zürich eingeladen. Rund 3500 Gläubige aus aller Welt haben sich zu diesem Jubiläumsanlass eingefunden. In zahlreichen Gesprächsrunden, Ausstellungen und Konzerten wurde die Geschichte des Täufertums in Erinnerung gerufen. Zwanzig Workshops galten Themen der Gegenwart und Zukunft: gewaltfreies Engagement, ökumenische Zusammenarbeit und soziales Zeugnis.

Den Höhepunkt des Gedenkanlasses bildete der Abschlussgottesdienst im Grossmünster. Es war ein ökumenisches Ereignis im besten Sinn des Wortes. Kardinal Kurt Koch überbrachte Grussworte von Papst Leo XIV. Der Präfekt des «Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen» zeigte sich gegenüber «swiss-cath.ch» besonders erfreut darüber, dass das Nizänische Glaubensbekenntnis von allen Anwesenden mitgebetet wurde. Auffallend war die Präsenz vieler Gläubigen schwarzer Hautfarbe aus Afrika und Amerika. Lukas Amstutz, Co-Präsident der Konferenz der Mennoniten der Schweiz, zog mit folgenden Worten Bilanz dieses denkwürdigen Anlasses: «Der Begegnungstag war für mich ein Zeichen neuer Verbundenheit. Es hat mich bewegt zu sehen, wie in 500 Jahren eine weltweite Gemeinschaft gewachsen ist, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und gelebte Nächstenliebe einsetzt. Besonders berührend war das ökumenische Miteinander – ein Zeichen dafür, dass Versöhnung möglich ist.»


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Martin Meier-Schnüriger 04.06.2025 um 13:15
    In diesem Zusammenhang wäre auch Rudolf von Tavels Roman "Dr Frondeur" zu erwähnen, dessen Protagonist Oberst Herbort, selbst Angehöriger des bernischen Patriziats, in seinem Herrschaftsbereich seine schützende Hand über die Täufer hält. Von Tavel, auch er Spross einer Berner Patrizierfamilie, findet auch sonst in seinen Werken lobende Worte für die Dissidenten des protestantischen Staatskirchentums und übrigens auch für die katholische Kirche.
  • user
    Joseph Laurentin 04.06.2025 um 07:00
    Die sogenannte „ökumenische Versöhnung“, die hier gefeiert wurde – mit Grussworten aus Rom und gemeinsamem Gebet im Grossmünster –, suggeriert eine Einheit, die nicht existiert. Es handelt sich nicht um blosse geschichtliche Missverständnisse, sondern um fundamentale Glaubensgegensätze, die auch nach 500 Jahren nicht überwunden sind. Die Leugnung der Kindertaufe, die Ablehnung des Weihesakraments, die Verwerfung jeder sakramentalen Kirche: Das alles stellt keinen legitimen Weg des Christseins dar, sondern einen Bruch mit dem von Christus gestifteten Glauben.
    Wenn heute Vertreter der katholischen Kirche den Eindruck erwecken, man könne dies alles unter dem Banner von „Nächstenliebe und Frieden“ relativieren, dann wird nicht nur die Wahrheit verwässert, sondern auch der Auftrag der Kirche verraten, „alle Völker zu Jüngern zu machen“ (Mt 28,19) und „die Wahrheit in Liebe“ zu verkünden (Eph 4,15).
    Die Täufer haben gelitten, das ist wahr. Doch sie litten nicht als Märtyrer für Christus, sondern als Irrlehrer, die von der göttlich eingesetzten Ordnung abwichen. Es ist daher befremdlich, wenn heute ihre Irrtümer unter dem Titel eines „ökumenischen Miteinanders“ gleichsam rehabilitiert werden. Echter Friede kann nur in der Wahrheit bestehen – nicht in der Vernebelung jahrhundertealter Glaubensspaltung.