Hintergrundbericht

Zwangs­kol­lek­ten für «Fas­ten­ak­tion» – noch zeitgemäss?

Wäh­rend der Fas­ten­zeit sind die Pfar­reien in der Deutsch­schweiz an zwei Sonn­ta­gen ver­pflich­tet, die Kol­lekte für die «Fas­ten­ak­tion» auf­zu­neh­men. Das Hilfs­werk leis­tet wert­volle Arbeit; so unter­stützt es aktu­ell 350 Pro­jekte in Län­dern des Glo­ba­len Südens. Doch ist die­ses Obli­ga­to­rium auch gerechtfertigt?

Die «Fastenaktion» ist eine von der Schweizer Bischofskonferenz am 8. Mai 1964 ursprünglich unter dem Namen «Fastenopfer, Katholisches Hilfswerk Schweiz» errichtete kirchliche Stiftung mit Sitz in Luzern. Der Nachsatz «Katholisches Hilfswerk Schweiz» ist gemäss Stiftungsstatut noch immer Teil des Namens – man findet ihn aber auf der Webseite bezeichnenderweise nirgends.

Gemäss dem gleichen Statut vom 6. Dezember 2021 dient die «Fastenaktion» folgendem Zweck:

  • die Arbeit der Kirche und Projekte von Entwicklungsorganisationen zugunsten wirtschaftlich und sozial benachteiligter Menschen weltweit zu unterstützen;
  • Mittel bereitzustellen, um in Zusammenarbeit mit der Bischofskonferenz und den staatskirchenrechtlichen Organisationen pastorale Projekte für die Arbeit der Kirche in der Schweiz zu unterstützen;
  • sich an der entwicklungspolitischen Meinungs- und Entscheidungsbildung zu beteiligen;
  • durch Information und Bewusstseinsbildung in ökumenischer Zusammenarbeit die weltweite Solidarität der Schweizer Bevölkerung zu fördern;
  • durch Anregungen und Bildungsunterlagen einen Beitrag zur Gestaltung der Fastenzeit zu leisten.

Katholisches Hilfswerk mit diffusem Glaubensbegriff
Obwohl die «Fastenaktion» ein katholisches Hilfswerk ist, hat gemäss dem Papier «Strategie 2017–2024» der «Fastenaktion» nur rund ein Drittel aller Vergabeprojekte einen Bezug zur Kirche. Aufschlussreich auch die Angaben im gleichen Dokument unter dem Stichwort «Grundhaltung»: «Fastenopfer ist in der katholischen Kirche verankert und leistet seinen Beitrag in diesem Umfeld in ökumenischer Offenheit und darüber hinaus. Fastenopfer versteht in seiner Programm- und Sensibilisierungsarbeit Glaube und Spiritualität als eine wertvolle Quelle, für soziales und entwicklungspolitisches Engagement.»

Glaube und Spiritualität sozusagen als Motivationsspritze für entwicklungspolitisches Engagement. Dies würde bedingen, dass erläutert wird, was unter den Begriffen «Glaube» und «Spiritualität» verstanden wird. Die unabdingbare Bezugnahme auf das, was den christlichen Glauben in seinem Kern ausmacht, ist jedoch nirgends auszumachen.

Der Theologe Thomas Staubli hatte den letztjährigen «Fastenkalender» als «trauriges Zeugnis der Verödung des Christentums» bezeichnet. Ein hartes, aber zutreffendes Verdikt. Es gilt, dies sei vorweggenommen, auch für den aktuellen «Fastenkalender», der alljährlich zu Beginn der Fastenzeit veröffentlicht und von «Fastenaktion» und HEKS verantwortet wird. Unter dem Motto «Hunger frisst Zukunft» werden auf 22 Seiten (digitale Version) Projekte vorgestellt sowie thematische Informationen und Tipps gegeben, unterlegt mit Zitaten. Was man jedoch vergebens sucht, ist der Bezug zur Kirche.

Selbst bei den von Andreas Schalbetter SJ verfassten Karwochenmeditationen bleibt die biblische Botschaft aussen vor:
Am Hohen Donnerstag wird die Kluft zwischen Überfluss und Unterernährung überwunden.
Am Karfreitag schenkt Jesus Leib und Leben – solidarisch mit den Ärmsten. «Aus seiner liebenden Hingabe wächst ein Baum. Dessen Blätter und Blüten schützen Entrechtete. Die Früchte nähren alle, die hungern nach Gott und Gerechtigkeit.» Kein Wort darüber, dass Jesus Christus für unsere Sünden starb, den Tod besiegte und uns das ewige Leben erwarb.
Sogar die Ostermeditation drückt sich in konfusen Wort-Girlanden um den Kern der christlichen Botschaft herum: «Jesus, steh auf, Jesus steigt hinab in das Totenreich, zieht heraus die im Schatten wandeln, die Gott verachten, die hungernd verzweifeln. Der Frühling kommt, ein Lichtstrahl erhellt den Horizont. Steh auf! Dein Bräutigam kommt! Jesus lebt und du mit Ihm!»

Der Fastenkalender – mit einer deutschsprachigen Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren – könnte genauso gut von einer x-beliebigen säkularen Institution stammen.

Ein Viertel der Spenden geht nicht an Projekte
Die Pfarreien sind verpflichtet, in der Fastenzeit Kollekten zugunsten der «Fastenaktion» aufzunehmen. In vielen Pfarreien finden Suppentage oder ähnliche Veranstaltungen statt, um die «Fastenaktion» zusätzlich zu unterstützen. Dabei wird stets suggeriert, diese Spenden würden vollumfänglich Menschen in wirtschaftlich schwachen Ländern zugutekommen. Doch ist dem wirklich so?

«Rund 9 von 10 Franken fliessen direkt in unsere Projekte», wird auf der Webseite der «Fastenaktion» behauptet. Der Faktencheck[1]:

Direkter Projektaufwand 20 705 325 (87,1 %)
Administration 896 822 (3,8 %)
Mittelbeschaffung 2 167 938 (9,1 %)
 


Mogelpackung «Direkter Projektaufwand»
Nimmt man den «Direkten Projektaufwand» genauer unter die Lupe, findet sich darunter auch die Position «Sensibilisierung». Im oben erwähnten Strategiedokument heisst es unter diesem Stichwort: «Fastenopfer will in der Schweiz die Öffentlichkeit, kirchliche und kirchennahe Kreise sowie politische Entscheidungsträger über Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung informieren – auf der Grundlage der Erfahrungen seiner Partnerorganisationen.» Darunter fällt zum Beispiel das Engagement von «Fastenaktion» für die Konzernverantwortungsinitiative. Im Interview mit der NZZ vom 14. März 2025 erklärt der Direktor von «Fastenaktion», Bernd Nilles, dazu: «NGO wie die Fastenaktion sind nicht bloss dazu da, bei Hungersnöten Reislieferungen zu organisieren. Unser Auftrag ist, langfristig Wirkung zu entfalten. Wenn wir zu viel CO2 ausstossen und sich deshalb die Taifune auf den Philippinen vervielfachen, müssen wir das ansprechen. Dasselbe gilt für Menschenrechtsverletzungen im Umfeld des Rohstoffabbaus, an dem Schweizer Firmen beteiligt sind.»[2]

Eine langfristige Wirkung ist zweifelsohne wünschenswert. Trotzdem ist es grob irreführend, in der Schweiz durchgeführte «Sensibilisierungs»-Kampagnen als «Direkten Projektaufwand» zu etikettieren. Zieht man den Beitrag (12,7 %) vom «Direkten Projektaufwand» ab, beträgt dieser nur noch 74,4 %, das heisst, rund 25 % der Einnahmen kommen nicht direkt Projekten zugute.

Dies zeigt sich auch in der Zusammensetzung der Stellenprozente, die für die einzelnen Ressorts eingesetzt werden

Projektbearbeitung 32 %
Programmentwicklung 9 %
Administration 15 %
Sensibilisierung 44 %

Fazit: 59 % der Stellenprozente haben keinen direkten Bezug zu Projekten.

Interessanterweise finden sich auf der Projektliste 2023 die Positionen «Institutionelle Beitragsvereinbarung JUBLA Schweiz Fr. 40 000» oder «Beitrag an die Allianz Gleichwürdig Katholisch Fr. 10 000». Es ist nicht das erste Mal, dass «Fastenaktion» Spenden für eine Gruppierung zweckentfremdet, die im Widerspruch zur katholischen Lehre steht. So unterstützte sie 2015 ein Projekt des «European Forum of Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Christian Groups» mit 7000 Franken.

Einnahmen: 6,7 Millionen stammen vom Staat (DEZA)
Werfen wir einen Blick auf die Einnahmen. Diese setzten sich 2023 wie folgt zusammen:

8,5 Mio. freien Spenden und Beiträge (38,4 %)

13,5 Mio. zweckbestimmte Spenden und Beiträge (60,7 %), davon
6,7 Mio. von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA (30,3 %) und 1,1 Mio. von der öffentlichen Hand (5,2 %)

185 993 weitere Erträge

Ein Drittel der Einnahmen stammen von der DEZA und der öffentlichen Hand. Die DEZA ist zuständig für die Gesamtkoordination der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit mit anderen Bundesämtern sowie für die humanitäre Hilfe des Bundes; sie hat keine religiösen Aufgaben. «Fastenaktion» erhält Kernbeiträge und Aufträge für konkrete Leistungen. Es darf deshalb davon ausgegangen werden, dass diese Beiträge nicht für kirchliche Projekte, sondern für allgemeine Unterstützungen verwendet werden.

Fazit
Aus dem Gesagten ergibt sich für die «Fastenaktion» ein Bild, das sich stark von anderen katholischen Hilfswerken unterscheidet.

Nehmen wir das Beispiel «Aktion ‹Unsere Spende›». Hier handelt es sich ausnahmslos um Projekte mit einem christlichen Hintergrund. Die Spenderinnen und Spender können auswählen, welches Projekt sie unterstützen möchten, wobei das Geld direkt an die Hilfsbedürftigen geht, deren Vertrauenspersonen dem Hilfswerk persönlich bekannt sind. Da alle Beteiligten ehrenamtlich arbeiten, lagen 2024 die Unkosten bei nur gerade einmal 0,03 %, resp. 99,97 % der Spenden gingen an die Projekte. Erwähnt sei ein Projekt in Nigeria, wo Pater Daniel Onuorah in seinem Heimatdorf eine Grundschule für mittellose Kinder aufbaut, und das Projekt der Albertiner-Schwestern in Lemberg, wo aus dem Kriegsgebiet geflohene Mütter und Schwangere eine Unterkunft und kostenlose Mahlzeiten erhalten.
Selbstverständlich können für die beiden Hilfswerke nicht die gleichen Massstäbe angewandt werden, da die «Aktion ‹Unsere Spende›» viel kleiner als die «Fastenaktion» ist und alle ehrenamtlich arbeiten, was bei der «Fastenaktion» nicht möglich ist.

Es darf und muss aber die Frage stellt werden, warum die Pfarreien gezwungen werden, die «Fastenaktion» zu unterstützen,

  • bei der nur rund ein Drittel aller Vergabeprojekte einen Bezug zur Kirche haben
  • bei der 25 % der Spenden nicht Projekten zugutekommen
  • die vom DEZA und der öffentlichen Hand jährlich einen Beitrag von rund 7 Millionen erhält[3]
  • die ihr Engagement mit einem sehr diffusen Begriff von christlichem Glauben begründet.

Es wäre zielführender und katholischer – im Sinn von Vielfalt –, wenn die Pfarreien an zwei Sonntagen eine Kollekte für Projekte oder Organisationen aufnehmen müssten, die Menschen in wirtschaftlich prekären Gebieten unterstützen, sie aber frei entscheiden dürften, wem die Spenden zugutekommen. (Katholische) Organisationen und Projekte, die ohne staatliche Unterstützung allein von Spenden leben und ebenfalls wertvolle Arbeiten leisten, gibt es genügend.
 

Quellen
https://fastenaktion.ch/wp-content/uploads/2024/10/Strategie-17-24_def_d.pdf

https://fastenaktion.ch/wp-content/uploads/2024/10/2209_Leitbild_Fastenaktion.pdf

https://fastenaktion.ch/wp-content/uploads/2024/10/FA_Jahresrechnung_2023_DE.pdf

https://fastenaktion.ch/wp-content/uploads/2024/10/FA_Jahresbericht_2023_DE.pdf

https://stories.fastenaktion.ch/Jahresbericht-2022/

https://stories.fastenaktion.ch/geschaeftsbericht_2021/

https://stories.fastenaktion.ch/Fastenopfer-Jahresbericht-2020/index.html

https://fastenaktion.ch/wp-content/uploads/2024/10/Projektliste_2023.pdf

 


[1] Alle Zahlen betreffen das Jahr 2023. Die Zahlen 2024 sind noch nicht veröffentlicht.

[2] https://www.nzz.ch/panorama/der-direktor-des-katholischen-hilfswerks-fastenaktion-sagt-wir-sind-nicht-bloss-da-um-bei-hungersnoeten-reislieferungen-zu-organisieren-ld.1874085

[3] Das Parlament hat das Budget 2025 gekürzt, was für die «Fastenaktion» 700 000  Franken weniger Beiträge bedeutet.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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Bemerkungen :

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    Johanna-Jessica OFS 06.04.2025 um 20:00
    Ich danke von Herzen, für die beleuchtende Aufstellung, samt besser wirkender Alternative! Auch als junger Mensch missfällt mir das Streichen der Hostie im Logo; das "FastenAKTION" wirkt auf mich deutlich negativer als liebevolles Aufopfern... Es klingt, für mich, nach Krawall, nach verkrampftem Modernismus, vor allem aber wirkt es, als habe sich das Fastenopfer von seinem Ursprung entfernt — leider, gemäss den Zahlen, nicht nur im wörtlichen Sinne... Unheimlich schade, auch für kommende, gläubige Generationen.
  • user
    Ute Schmidt 28.03.2025 um 12:28
    Mit Fotos von schwarzen Frauen kann man das Geld abmelken und damit machen was man will
    • user
      Michael Dahinden 29.03.2025 um 14:18
      Sehr geehrte Ute Schmidt,

      so deutlich hatte ich es nicht sagen wollen. Aber Klarheit ist immer gut : )
  • user
    Michael 28.03.2025 um 10:53
    Wie wäre es mit einem Hilfswerk, die in den nächsten 50 Jahren als Gegengewicht zum Ex-Fastenopfer künftig lauter Initiativen der SVP und der FDP unterstützt? Und für diejenigen, die jetzt husten: Es würde bestimmt sehr deutlich "Opfer" genannt, weil es sich nicht zu vornehm und zu antikatholisch dafür wäre, und dann wäre es auch wirklich als Opfer zu verstehen. Jedem, dem die Ausrichtung wehtäte, könnte man zurufen: "Busse, Busse, echte Busse!"
    • user
      Johanna-Jessica OFS 06.04.2025 um 19:56
      Auch nicht besser als Fastenaktion und SP, nur halt "anders untragbar". Warum zwei Parteien unterstützen, deren Mitglieder 1) bereits nachweislich genug Mammon haben und 2) Menschen systematisch und willig Schaden zufügen? Und dabei rede ich bewusst nicht einmal von der Asylfrage, sondern auch von Schaden im Alltag. Die FDP spart zB bei Witwen. Und die SVP fährt die Pflege bewusst jeden Tag mehr an die Wand, das merke ich beruflich wie privat, als pfleg. Angehörige... Echte Busse würde gut tun — unabhängig politischer Hörigkeit.