Die Prozessionen der Erwählten. Teil eines Freskos von Giotto in der Scrovegni-Kapelle in Padua. (Bild: Rosmarie Schärer/swiss-cath.ch)

Neuevangelisierung

Zwi­schen Ostern und Vollendung

Der dritte Teil der Serie zum Nach­syn­oda­len Apos­to­li­schen Schrei­ben «Vita con­se­crata» beschäf­tigt sich mit der öster­li­chen und escha­to­lo­gi­schen Dimen­sion des geweih­ten Lebens.

Die Bibel berichtet uns, dass während der Verklärung von Jesus Mose und Elia bei ihm waren und über sein Ende sprachen, das sich in Jerusalem erfüllen sollte (Lk 9, 31).1 Während Petrus, Jakobus und Johannes ihn in seiner strahlenden Verklärung sehen, denkt Jesus bereits an das Kreuz, das ihn erwartet. Dort wird die Liebe Christi zum Vater und zu allen Menschen ihren höchsten Ausdruck finden, dort wird Jesus Christus alle an sich ziehen und jedem das neue Leben der Auferstehung schenken. Am Kreuz nehmen alle Gnadengaben und somit auch Berufungen ihren Ausgang.

«Der Mensch, der sich Gott geweiht hat, macht in den verschiedenen Lebensformen, die vom Heiligen Geist im Laufe der Geschichte eingegeben wurden, die Erfahrung der Wahrheit über den Gott der Liebe um so unmittelbarer und intensiver, je mehr er sich unter das Kreuz Christi stellt. Er, der in seinem Tod den menschlichen Augen so entstellt und unschön erscheint, dass die Anwesenden vor ihm das Gesicht verhüllen, offenbart gerade am Kreuz die Schönheit und die Macht der Liebe Gottes in Fülle» («Vita consecrata» 24).

Diese Liebe und Treue zum Kreuz zeigt sich besonders in Schwierigkeiten. Denken wir an die vielen Missionarinnen und Missionare, die unter den widrigsten Umständen in andere Länder reisten und oft wussten, dass sie ihre Heimat, ihre Familien nie wieder sehen würden; die unter klimatischen und hygienischen Bedingungen lebten, die sie nicht gewohnt waren. Und nicht wenige dieser Missionarinnen und Missionare starben, weil sie Jesus Christus verkündeten. Auch heute noch sterben Frauen und Menschen des geweihten Lebens, weil sie sich für die Schwachen und Ausgegrenzten einsetzen.

All diese Opfer und Entbehrungen erhalten ihren Sinn nur aus der Liebe zu Christus. Leid und Martyrium darf nicht gesucht werden – die Treue zu Gott und seiner Liebe liegt einzig darin, alles anzunehmen, was Gott für uns bereithält und in Treue auszuharren im Vertrauen darauf, dass Gott uns liebt.

Österliche Dimension
Das Ostergeheimnis trägt eine missionarische Dimension in sich; diese umfasst das ganze Kirchenvolk, alle ihre Gläubigen. Gemäss dem Nachapostolischen Schreiben «Vita consecrata» findet sich aber eine besondere Verwirklichung im geweihten Leben. Man könne sagen, «dass der missionarische oder Sendungscharakter jeder Form des geweihten Lebens zutiefst innewohnt. In dem Masse, in dem der Geweihte ein Leben lebt, das ausschliesslich dem Vater gewidmet von Christus ergriffen, und vom Geist beseelt ist, arbeitet er wirksam mit an der Sendung des Herrn Jesus und trägt in besonders intensiver Weise zur Erneuerung der Welt bei» (25).

Für die Frauen und Männer des geweihten Lebens beginnt die Mission zunächst bei ihnen selbst. Sie sollen ihr Herz dem Wirken des Geistes Christi öffnen, damit sie glaubhafte Zeuginnen und Zeugen dafür sein können, dass an erster Stelle der Dienst an Gott steht. Diese missionarische Dimension ihrer Berufung fordert von den Personen des geweihten Lebens, dass sie jeden Tag neu wieder das Bewusstsein vertiefen, von Gott berufen und erwählt worden zu sein. Und sie müssen sich von allem befreien, dass sie daran hindert, auf seine Liebe zu antworten.

Gerade in der heutigen säkularisierten Welt muss sich die Kirche bemühen, ihre Anwesenheit im Alltagsleben sichtbar zu machen. Einen bedeutsamen Beitrag in diesem Sinne erwartet sie zu Recht von den Personen des geweihten Lebens, die berufen sind, in jeder Situation konkret von ihrer Zugehörigkeit zu Christus Zeugnis abzulegen. Dazu gehört auch das Ordensgewand als Zeichen der Weihe, der Armut und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ordensfamilie.

Eschatologische Dimension des geweihten Lebens
Unsere Heimat ist der Himmel. «Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die zukünftige» (Hebr 13,14). In der Urkirche wurde die Erwartung der Wiederkunft des Herrn besonders intensiv gelebt, doch die Kirche hat während all der Jahrhunderte nicht aufgehört, diese Hoffnungshaltung aufrecht zu halten.

Die meisten Frauen und Männer des geweihten Lebens sind durch das Leben in der Gemeinschaft von den irdischen Sorgen grösstenteils befreit und können sich dadurch mehr den himmlischen Gütern zuwenden und so den Gläubigen gegenüber bezeugen. «Die Menschen, die ihr Leben Christus geweiht haben, müssen in der Sehnsucht leben, ihm zu begegnen, um endlich und für immer bei ihm zu sein. Daher die brennende Erwartung, daher das Verlangen, ‹einzutauchen in das Feuer der Liebe, das in ihnen brennt und das nichts anderes ist als der Heilige Geist›, Erwartung und Sehnsucht, gestärkt von den Gaben, die der Herr freigiebig denen gewährt, die nach dem streben, was im Himmel ist» («Vita consecrata» 26).

In den Ostkirchen werden die Mönche als «Engel Gottes auf Erden» betrachtet, die die Erneuerung der Welt in Christus verkünden. Bei uns im Westen hat das Mönchtum zwei Dimensionen: ein feierliches Gedächtnis der von Gott vollbrachten Wunder und eine «Vigil», eine nächtliche Gebetswache, der letzten Erfüllung der Hoffnung zu sein. Silja Walter hat diese Funktion des Wachens sehr eindrücklich in ihrem Text «Kloster am Rande der Stadt» dargelegt.

Wer wachsam und mit frohem Herzen auf die Erfüllung der Verheissungen Christi wartet, wird auch in seinen Mitmenschen Hoffnung wecken können. Hoffnung auf den «neuen Himmel und die neue Erde» (Offb 21,1), wo der Herr «alle Tränen von ihren Augen abwischen wird: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal» (Offb 21,4). «Das geweihte Leben steht im Dienst dieser endgültigen Ausstrahlung der göttlichen Herrlichkeit, wenn alle Menschen das Heil sehen werden, das von Gott kommt (vgl. Lk 3,6; Jes 40,5)» (Vita consecrata 27)

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Sendung «Das geweihte Leben» auf Radio Maria. Die Sendung in voller Länge kann unter diesem Link angehört werden.

Die Sendung «Das geweihte Leben» ist eine Ko-Produktion von Radio Maria und swiss-cath.ch. Sie wird monatlich auf Radio Maria ausgestrahlt. Zeitgleich wird jeweils auf swiss-cath.ch eine Zusammenfassung der Sendung publiziert.

 


1 Der dritte Teil der Serie reflektiert die Kapitel 23 bis 28 des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens «Vita consecrata».

 


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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