Der Mont Saint-Michel (Manche, Basse-Normandie, France) bei Nacht (Bild: Wikimedia Commons).

Hintergrundbericht

1300 Jahre Geschichte – der «Mont Saint-​Michel»

Der «Mont Saint-​Michel» nahe der Grenze zwi­schen Nor­man­die und Bre­ta­gne ist ein ein­zig­ar­ti­ges Denk­mal mit­tel­al­ter­li­cher Klos­ter– und Fes­tungs­ar­chi­tek­tur; er gehört zum Welt­kul­tur­erbe der UNESCO, seit 1998 ist er auch Teil des Welt­er­bes «Wege der Jakobs­pil­ger in Frank­reich.» Jähr­lich kom­men rund drei Mil­lio­nen Besu­che­rin­nen und Besu­cher zu der eins­ti­gen Klosterinsel.

Der Ort soll bereits im sechsten Jahrhundert von einem Einsiedler bewohnt worden sein. Die Legende datiert den Anfang des Klosters auf das Jahr 708. Ihr zufolge erschien der Erzengel Michael dem heiligen Bischof Autbert von Avranches im Traum mit dem Auftrag, eine Kirche auf der Felseninsel zu bauen, die vordem den Kelten als Totenberg gedient hatte. Bischof Autbert liess aus Süditalien Reliquien zur Ausstattung der Kirche holen. Doch kurz darauf suchte die grosse Flut von 709 die Küste der Normandie heim. Bei ihrer Rückkehr fanden die zuvor geflüchteten Bewohner anstelle von Wäldern nur noch eine nackte Insel aus Granit inmitten von Sand vor. Dennoch errichteten sie ihre Kirche für anfangs zwölf Kanoniker. Weil der Erzengel Michael den Auftrag zum Bau einer Kirche gegeben hatte, wurde ihm zu Ehren der Ort «Mont Saint Michel» genannt.

Von Beginn an zog er Pilgerinnen und Pilger aus allen Himmelsrichtungen an; zudem bot die Abtei Schutz gegen die Wikinger. So entstand im neunten Jahrhundert auch ein Dorf am Fusse des Klosters. 966 liessen sich 30 Benediktiner aus dem Reformkloster Saint-Wandrille auf dem «Mont Saint-Michel» nieder.

1017 wurde die karolingische Kirche zur Krypta «Notre-Dame-sous-Terre» umgebaut; auf dem Unterbau von vier solcher Krypten ruht die grossartige Konstruktion bis heute. Sechs Jahre später begannen die Arbeiten an der heutigen, ursprünglich siebenjochigen Abteikirche.

Im Hochmittelalter entwickelte sich die Benediktinerabtei zur meistbesuchten Wallfahrtsstätte Frankreichs nach dem Grab des heiligen Martin in Tours; Wilhelm der Eroberer sowie französische Herzöge und Könige statteten das Kloster mit grossen finanziellen Mitteln aus.

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts gelang eines der grossen architektonischen und logistischen Meisterwerke des Mittelalters: die dreigeschossigen gotischen Bauten der «Merveille» (Wunder), gekrönt von einem Kreuzgang mit 227 Säulen. Der Bau der Klosteranlage war eines der umfangreichsten, schwierigsten und kostspieligsten Bauprojekte des gesamten Mittelalters.

Niedergang, Gefängnis, Neubeginn
Jedem Eindringling hielt die Gottesburg während Jahrhunderten stand. Nach einer kulturellen Hochblüte setzte die erste Phase des Niedergangs ein, als im Verlauf des 100-jährigen Krieges die Engländer die umliegende Ortschaft wie auch das Kloster selbst zum grossen Teil zerstörten. In den Wirren der Reformationszeit beschleunigte sich der Niedergang.

Dem noch vorhandenen spirituellen Leben setzte die Französische Revolution ein brutales Ende, indem sie den «Mont Saint-Michel» zu einem Gefängnis für Regimegegner, v.a. aus den Reihen des Klerus, umfunktionierte. Der Ort erhielt den Ruf eines der abscheulichsten Gefängnisse Frankreichs. Zwischen 15 000 und 18 000 Häftlinge wurden in diesem Gefängnis eingekerkert. Eine Gegenbewegung setzte in der Zeit der Romantik ein. Vor allem der berühmte Schriftsteller Victor Hugo setzte sich für das unvergleichliche architektonische Erbe von Mont Saint-Michel ein. 1863 wurde das Gefängnis geschlossen. 1874 erhielt es den Status eines Nationaldenkmals, womit die Basis für die erforderliche finanzielle Unterstützung zum Wiederaufbau gelegt wurde.

1879 erfolgte die Fertigstellung eines Dammes, um einen gezeitenunabhängigen Zugang zum Mont Saint-Michel zu schaffen, also unabhängig von Ebbe und Flut. Mit der fatalen Folge, dass die natürlichen Meeresströmungen unterbrochen wurden und die Bucht zunehmend versandete und schliesslich der Inselcharakter dieser Klosterburg verloren ging.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entschloss sich der französische Staat als Eigentümer des Mont Saint-Michel mit enormem Aufwand, diesen brutalen Eingriff in die Natur wieder rückgängig zu machen. Aus dem Projektwettbewerb ging das «Stelzenprojekt aus Stahl» als Sieger hervor. Im Juli 2014 wurde die einen Kilometer lange Stelzenbrücke «Jetée du Mont-Saint-Michel» eröffnet. Die Brücke steht auf dünnen runden Stahlstützen, zwischen denen das Wasser frei durchfliessen kann. Die Gezeitenkräfte sind in dieser Gegend sehr hoch: Zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wasserstand beträgt der Unterschied bis zu 14 Meter.

Zu den rund drei Millionen jährlichen Besuchern gehört eine kontinuierlich wachsende Zahl von Pilgerinnen und Pilgern. Sie werden von den «Fraternités monastiques de Jérusalem» (Gemeinschaft von Jerusalem) betreut, welche 2001 die Seelsorge von den zuvor seit 1966 ansässigen Benediktinern übernommen haben.


KNA/Redaktion


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