Am Dienstag, den 19. März 2024, gab Charles Martig, Direktor und Redaktionsleiter in Personalunion des Katholischen Medienzentrums, seine Abschiedsvorstellung. Während 45 Minuten zog er in einer Endlos-Polemik gegen alles vom Leder, was auch nur entfernt mit Hierarchie und Klerus im allgemeinen und Bischöfen im Besonderen zu tun hat. Zwar hatte er sich bereits per 30. November 2023 aus der Redaktionsleitung verabschiedet und sich durch Jacqueline Straub und Annalena Müller vertreten lassen, steht aber bis Ende März 2024 weiterhin auf der Lohnliste des Katholischen Medienzentrums. Insofern lag also Martig mit dem 19. März als Datum für seinen «Blick zurück im Zorn» durchaus richtig. Und tatsächlich wäre dies für ihn der gegebene Anlass gewesen, um sich Asche aufs Haupt zu streuen.
Gründe gab und gibt es zuhauf. Zwar hatte die von der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der «Römisch-katholischen Zentralkonferenz» (RKZ) und dem Katholischen Medienzentrum unterzeichnete «Gemeinsame Erklärung zum Abschluss der Mediation» vom 22. Dezember 2022 festgehalten: «Die an den Redaktionsleiter und die gesamte Redaktion von kath.ch gerichteten Erwartungen werden auch für die Nachfolge von Raphael Rauch ihre Gültigkeit haben.» Charles Martig interpretierte diese «Erwartungen» wie unschwer vorauszusehen als frommen Wunsch, den zu erfüllen er dem lieben Gott überlies. In Tat und Wahrheit war das Niveau der kirchlichen Publizistik unter der Führung von Raphael Rauch auf einen in der Schweiz historischen Tiefpunkt gesunken. Ständige Verbalinjurien («Weihbischof Eleganti: ein Horrorclown»; «Was verzapfen da die Bischöfe für einen Unsinn») wurden zum «Markenzeichen» von «kath.ch» ebenso wie der Abdruck von Primitivkarikaturen. Kurz nach dem Tode von Papst Benedikt XVI. publizierte «kath.ch» beispielsweise eine Karikatur der deutschen Satirezeitschrift «Titanic» – mit einem gelb markierten Fleck auf der weissen Soutane sollte dessen Inkontinenz illustriert werden. Martig verteidigte diese strafrechtlich relevante Entgleisung mit den Worten: «Wegen der weltweiten Bedeutung von Satire im Kontext von Religion beurteile ich die Berichterstattung von kath.ch als gerechtfertigt.» Es handle sich dabei um einen popkulturellen Zugang, der als Dokument der Zeitgeschichte gewertet werden könne. Die Suchmaschine Google teilte die jenseits von Gut und Böse zu verortende Fehldiagnose Martigs nicht und nahm dieses «Dokument der Zeitgeschichte» umgehend vom Netz.
Bewusst provozierter Eklat
Dass die «Fortsetzung des Krieges mit andern Mitteln», sprich die kaltschnäuzige Ignorierung der «Erwartungen der Bischofskonferenz» unter Rauchs Nachfolger und Bruder im Geiste Charles Martig nicht lange gut gehen würde, lag auf der Hand. Das Fass zum Überlaufen brachte eine Artikelserie von «kath.ch»-Journalistin und Nicht-Theologin Annalena Müller, in der sie die Mariendogmen der katholischen und orthodoxen Kirche zu schieren Fiktionen herabwürdigte. Nach Protesten weiter Kreise des Kirchenvolkes sah sich die Bischofskonferenz veranlasst, am 12. Juni 2023 mit folgendem Statement an die Öffentlichkeit zu treten: «Die Bischöfe und Territorialäbte sind seit längerem besorgt über einige Artikel, die auf kath.ch veröffentlicht werden. Erst kürzlich waren Artikel über die Jungfrau Maria, die Diözese Chur oder die Diözese Lausanne, Genf und Freiburg in mehrfacher Hinsicht sehr problematisch. Diese wiederholten Veröffentlichungen verletzen Gläubige und führen bei diesen zu Unverständnis und Wut. Weil das Rahmenstatut sowieso angepasst werden muss, überlegen sich die Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz, ob und in welchem Rahmen es sinnvoll ist, den diesem Medium erteilten Auftrag beizubehalten.»
Folgenlose Rügen des Schweizer Presserates
Martig reagierte mit gespielter Verwunderung. Er könne die Kritik der Bischofskonferenz nicht nachvollziehen, da «kath.ch» «nach wie vor» nach journalistischen Qualitätsstandards wie «Fairness, Transparenz und Wahrhaftigkeit» arbeite. Die Redaktion von kath.ch «orientiert sich dabei am Rahmenstatut der katholischen Medienzentren. Zudem bildeten die Richtlinien des Schweizer Presserates den Rahmen der journalistischen Arbeit von kath.ch.»
Man wähnt sich im falschen Film, hatte doch eben dieser Presserat in seinem Entscheid 78/2021 die Verletzung des Wahrheitsgebotes durch «kath.ch» gerügt. Mehr noch: Wenig später, im August 2023, musste «kath.ch» vom Schweizer Presserat ein weiteres Mal gerügt werden (Entscheid 22/2023): «kath.ch» hatte sich unlauterer Methoden bei der Informationsbeschaffung bedient. Konkret hatte die «kath.ch»-Journalistin Sarah Stutte den Initiator und Hauptdarsteller der populären Fernsehserie «Tschugger», David Constantin, betreffend Weiterverwendung des mit ihm geführten Interviews hinters Licht geführt. Die Vorwürfe der Verletzung des Wahrheitsgebotes sowie der unlauteren Informationsbeschaffung wiegen gerade für ein im Auftrag der Bischofskonferenz tätiges Medienportal besonders schwer. Ebenso zum Markenzeichen von «kath.ch» gehören regelmässige Gegendarstellungen, zu deren Publikation sich «kath.ch» infolge tatsachenwidriger Behauptungen genötigt sieht.
Gründe sonder Zahl also, sich Asche aufs Haupt zu streuen und Besserung zu geloben. Doch weit gefehlt. Begnügte sich Martigs Vorgänger Rauch noch mit der Forderung «Treten Sie zurück, Herr Gmür» (SoBli vom 17. September 2023), geht Martig selbst gleich allen Bischöfen an den Kragen. Die Forderung nach einem Kollektivrücktritt hätte er selbst nach der Publikation der Pilotstudie im September 2023 nicht zu stellen gewagt, doch heute sei dies unumgänglich. Martig macht seinen kategorischen Imperativ fest an der vermeintlichen Untätigkeit der Bischöfe bei der Bewältigung der Missbrauchsfälle sowie ihrer Unfähigkeit zur Transparenz.
A propos Untätigkeit der Bischöfe: Ein solcher Vorwurf ist blanker Unsinn. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von hierarchieunabhängigen Meldestellen für Betroffene, ebenso unabhängige Fachorgane für Prävention im Bereich sexueller Übergriffe. Der mediale Dauerbeschuss, dem die Bischöfe nicht zuletzt unter massgeblicher Beteiligung von «kath.ch» an vorderster Front permanent ausgesetzt sind, hat mittlerweile dazu geführt, dass diese geradezu übereifrig und kopflos reagieren: Da lässt ein Bischof verlauten, er habe Strafanzeige gegen acht bereits verstorbene (!) Beschuldigte wegen des Verdachts sexueller Übergriffe bei den zuständigen Staatsanwaltschaften eingereicht. Und ein Territorialabt tat es ihm gleich wegen einer mutmasslichen, vor 60 Jahren begangenen Straftat.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
vielleicht nicht gerade auf dem Niveau Pater Michel Amgwerd selig über die Filmsprache als Kulturform oder gar das einzigartige Buch von Büchner-Preisträger Arnold Stadler über Pasolinis Jesus. Martig gehört wohl nicht zu den bedeutenden Katholiken der Schweiz, scheint mir publizistisch von zu geringem Gewicht zu sein, um sagen wir mal als Gegner mit anregenden Ideen oder gründlichem Wissen gelten zu können.
In der heutigen Weltwoche gibt es übrigens einen nicht uninteressanten kritischen Artikel über Martig vom erfahrenen Altjournalisten Rothenbühler, der seinerseits aber leider kein Katholizismus-Kenner ist. Im Ernst schreibt er, man dürfe in einem katholischen Organ nicht wissenschaftlich-kritisch über die Unbefleckte Empfängnis schreiben; wahrscheinlich glaubt er, das hätte mit Gynäkologie zu tun. Dabei handelt es sich um das historisch und theologisch wohl komplexeste Dogma der Theologie-Geschichte, wie man zum Beispiel im Standardwerk der Historikerin K. Utz Tremp über das Verständnis der befleckten und der unbefleckten Empfängnis nachlesen kann, die Grundlage der grössten je vorgekommenen Streitigkeit um das Verständnis der Muttergottes, u.a. bei einem jahrelangen Prozess in Bern, der mit vier Hinrichtungen von Priestern endete . Es gibt in der Schweiz mutmasslich keinen einzigen Journalisten, der den Unterschied zwischen der Theorie von der Befleckten Empfängnis im Vergleich zur Unbefleckten Empfängnis erklären kann, die Basis des fundamental unterschiedlichen Glaubensverständnisses der Franziskaner und der Dominikaner in der hohen Zeit der Scholastik. So vertraten zum Beispiel Augustinus, Bernhard von Clairvaux und noch Thomas von Aquin die Lehre von der Befleckten Empfängnis, hingegen der heilige Bonaventura, über den Papst Benedikt seinerzeit habilitiert hat, gehört zu den frühen Verfechtern der Unbefleckten Empfängnis. Das Dogma hat nichts mit Entjungferung zu tun, sondern führt zentral in das Geheimnis der Erbsünde, also ein Hauptthema des Glaubensverständnisses, was z.B. auch in den Debatten zwischen Luther und Zwingli eine Rolle spielt. Auch das Ablass-Verständnis der katholischen Kirche ist ohne die Auseinandersetzung um dieses Dogma nicht zu verstehen. Diese Zusammenhänge gehören heute freilich kaum mehr zur theologischen Ausbildung, sie haben auch nicht entfernt mit der "Gleichberechtigung" von Mann und Frau incl. der "übrigen Geschlechter" in der Kirche zu tun. Zurück zu Rothenbühler: Jenseits der Schwierigkeiten mit den katholischen Dogmen muss man ihm jedoch recht geben, dass in einem Portal, wo "katholisch" draufsteht, auch katholisch "drin" sein müsste.
Werte Damen und Herren
Für Ihren Artikel zur Sache kath.ch danke ich Ihnen bestens. Schon letztes Jahr habe ich Herrn Martig Mails zu seinen unobjektiven Beiträgen und nicht kompetenten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zugestellt. Wir können nur hoffen, dass es nun bei kath.ch besser wird. Ich habe ihm öfters empfohlen sich am Geiste vom damaligen Leiter von cath.ch Herr Bernard Litzler zu orientieren.
Leider kenne ich Ihre Organisation noch nicht. Ihr heutiger Beitrag zu Martig war für mich Ostern vor Ostern. Kann ich über Sie, resp. ihre Organisation mehr erfahren?
Ein gesegnetes Osterfest wünscht Ihnen Werner F. Wägli,
Die von Ihnen aufgedeckte Doppelmoral macht mich sprachlos!