Die Himmelfahrt der Jungfrau Maria von Francesco Botticini, 1475/76, National Gallery London.

Neuevangelisierung

«Als Erste emp­fing sie von Chris­tus die Herrlichkeit»

Als Papst Pius XII. 1950 das Dogma der leib­li­chen Auf­nahme Mari­ens in den Him­mel ver­kün­dete, war die­ser Glaube bereits seit Jahr­hun­der­ten fest in der Kir­che verwurzelt.

Das Hochfest «Mariä Aufnahme in den Himmel»[1] geht auf das 5. Jahrhundert zurück. Bischof Cyrill von Alexandrien legte die Feier, die zunächst als «Tag der Gottesmutter Maria» begangen wurde, neu als Fest «Natale Mariae» («Marias Geburtstag zum ewigen Leben») auf den 15. August fest. Als Papst Pius XII. am 1. November 1950 mit «Munificentissimus Deus» das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete[2], war dieser Glaube unter den Gläubigen bereits viele Jahrhunderte lang verbreitet. Dies zeigt auch die Tatsache, dass bei der 1946 vorgenommenen Umfrage unter den Bischöfen 1181 für das Dogma votierten bei nur 22 Gegenstimmen.
Anlässlich der Kalenderreform von 1970 wurde «Mariä Aufnahme in den Himmel» in den Rang eines Hochfestes erhoben.

Marias Schicksal auch für uns von Bedeutung
Die letzte Erwähnung Marias in der Bibel ist unmittelbar vor dem Pfingstfest: «Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern» (Apg 1,14). Manche Theologen identifizieren Maria auch mit der Frau aus der Offenbarung, «mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füssen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt» (Offb 12).[3]
Zu ihrem Tod gibt es keine sicheren Informationen. Einige apokryphe Evangelien enthalten ausführliche Darstellungen der Entschlafung Mariens: Die Apostel hätten Maria nach deren Tod bestattet und ihr Grab mit einem grossen Stein verschlossen. Doch darauf sei Christus mit seinen Engeln erschienen, hätten den Stein weggewälzt und Christus habe Maria herausgerufen.

Das Schicksal Marias als Mutter Gottes ist für uns Christinnen und Christen jedoch glaubensrelevant. Aufgrund ihrer einzigartigen Verbindung mit Jesus Christus und seiner Erlösungstat dürfen wir davon ausgehen, dass «Maria als Mensch schon bei Gott ganzheitlich vollendet ist, und dass sich in ihrem Schicksal exemplarisch und typologisch das von Gott jedem Menschen zugedachte Schicksal abzeichnet»[4].

Bereits einige der Kirchenväter erklärten, dass Maria «ganz» erlöst war, vom ersten Augenblick ihres Lebens bis zum Lebensende. So z. B. Johannes von Damaskus: «Es musste die, welche in der Geburt die Jungfrauschaft unversehrt bewahrt hatte, auch nach dem Tode ihren Leib von aller Verwesung frei bewahren. Es musste die, welche den Schöpfer als Kind in ihrem Schoss getragen hatte, in den Zelten Gottes weilen. Es musste die Braut, die sich der Vater angelobt hatte, in dem himmlischen Brautgemach Wohnung nehmen. Es musste die, welche ihren Sohn am Kreuze geschaut hatte und damals ihr Herz durchbohrt fühlte vom Schwert der Schmerzen, die sie bei der Geburt nicht erduldet hatte, ihn jetzt an der Seite des Vaters sitzen sehen. Es musste die Mutter Gottes besitzen, was ihrem Sohne gehört, und von jeglicher Kreatur als Mutter Gottes und seine Magd verehrt werden.»[5]

Die Scholastik ging von den Worten des Engels Gabriel aus: Sei gegrüsset, du voll Gnade. Der Herr ist mit dir» (Lk, 1,28). Die Aufnahme Marias in den Himmel stellte die Vollendung der Gnadenfülle dar, die Maria zuteilgeworden war.

Die zweite Lesung des Festtages (1 Kor 15,20–27a) gibt der Hoffnung auf unsere eigene Auferweckung Ausdruck: «Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen […] Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören» Auf diesen letzten Satz nimmt die Präfation des Festtages Bezug, wenn es dort heisst: «Denn heute hast du die jungfräuliche Gottesmutter in den Himmel erhoben, als Erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen verheissen ist, und wurde zum Urbild der Kirche in ihrer ewigen Vollendung. Dem pilgernden Volk ist sie ein untrügliches Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes. Denn ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen.»

Maria darf aufgrund ihrer Nähe zu Jesus Christus bereits mit Leib und Seele in der Herrlichkeit des Auferstandenen sein. An ihr als «Ersterlösten» zeigt sich die Zukunft aller Christen.

Der bekannte Schweizer Psychiater C. G. Jung, Sohn eines protestantischen Pfarrers, nannte das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel in einem an der Universität Zürich gehaltenen Seminar «eine geniale Antwort der Kirche auf das Erleben der Menschenverachtung und scheinbaren Wertlosigkeit des menschlichen Lebens während des Zweiten Weltkriegs». Zugleich verstand C. G. Jung dieses Dogma auch als Antwort auf die zu dieser Zeit (1950) vorherrschende Geistesrichtung des sogenannten Existenzialismus (Sartre). Dieser hatte auf die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges mit einem Daseinsekel reagiert. Die absolute Sinnlosigkeit und Absurdität des Daseins wurden in existenzialistischen Kreisen zum bestimmenden Lebensgefühl. Gegen den Nihilismus setze nun die Kirche die bejahende Kraft des christlichen Glaubens. In dieser einen jüdischen Frau solle der unvergängliche und zur Ewigkeit berufene Wert eines jeden menschlichen Lebens aller Welt vor Augen gestellt werden.

 

Seit dem 10. Jahrhundert ist im deutschsprachigen Raum der Brauch der Kräutersegnung an diesem Tag bekannt. «Die Heilkraft der Kräuter soll durch die Fürbitte der Kirche dem ganzen Menschen zum Heil dienen. Dieses Heil ist an Maria besonders deutlich geworden.»[6]

Nach der Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel wurde die Anrufung «du Königin, in den Himmel aufgenommen» in die «Lauretanische Litanei» eingefügt.

Seit 1979 fand auf dem Bodensee am 15. August die «Fatima-Schiffsprozession» statt. In den 1970er-Jahren wurde dort eine Kopie der Muttergottes von Fatima versenkt. Von Deutschland, Österreich und der Schweiz aus starteten jeweils Schiffe, die sich in der Mitte trafen. Seit der Coronapandemie ist diese Tradition leider sistiert.

 


[1] In den Ostkirchen heisst das Fest «Hochfest des Entschlafens der allheiligen Gottesgebärerin».
[2] «Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Gott geoffenbartes Dogma, dass die Unbefleckte, allzeit jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.»
[3] Dieser Text bildet die erste Lesung am Hochfest (Offb 11,19;12,1–6a.10ab).
[4] Gerhard Ludwig Müller, Katholische Dogmatik, Freiburg i. Br. 62005, 506.
[5] Encomium in Dormitionem Dei Genetricis Semperque Virginis Mariae, Hom. II, n. 14.
[6] Benediktionale, Freiburg i. Br. 2007, 63.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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  • user
    John Henry 18.08.2023 um 06:54

    Sehr guter Kommentar. Ich freue mich wie ein Kind, wenn ich glaubenstreue Kommentare finde. Der HERR segne sie!