Segnung des Eherings. (Bild: Gisela Giraldo Fotografía/cathopic)

Neuevangelisierung

«An Gottes Segen ist alles gelegen»

Ende August fand im österreichischen Aigen (Mühlkreis) die 33. Internationale Theologische Sommerakademie statt, die vom Linzer Priesterkreis und der Kardinal-Scheffczyk-Gesellschaft organisiert wurde. Dabei ging es um die Sakramentalien, also die heiligen Zeichen der Kirche, die keine Sakramente sind, aber doch eine Wirkung haben, die für das Heil und Wohl des Menschen wichtig ist.

Etymologisch sind die sacramentalia sozusagen die «kleinen» sacramenta. Unter «Sakrament» verstehen wir seit der begrifflichen Präzisierung im 12. Jahrhundert heilige Zeichen mit drei Kennzeichen: die innere Gnade, ein äusseres Zeichen und die Einsetzung durch Jesus Christus.
Ein Sakrament vermittelt heiligmachende Gnade für die Empfänger, die bereit sind, sie aufzunehmen. Während die einschlägige Definition von «Sakrament» nur auf sieben heilige Zeichen zutrifft, umfassen die Sakramentalien einen sehr weiten Bereich. Dazu gehören etwa das Kreuzzeichen, das Weihwasser, geweihte Bilder und Rosenkränze. Das Zweite Vatikanische Konzil definiert die «Sakramentalien» folgendermassen: Es sind «heilige Zeichen, durch die in einer gewissen Nachahmung der Sakramente Wirkungen, besonders geistlicher Art, bezeichnet und kraft der Fürbitte der Kirche erlangt werden. Durch diese Zeichen werden die Menschen bereitet, die eigentliche Wirkung der Sakramente aufzunehmen; zugleich wird durch solche Zeichen das Leben in seinen verschiedenen Gegebenheiten geheiligt» (Sacrosanctum Concilium, 60).

Der von den «Sakramentalien» bezeichnete Bereich umfasst Segnungen, die den Beistand Gottes vermitteln möchten, beispielsweise für die Kinder bei der Einschulung oder für eine neu bezogene Wohnung. Segnungen verändern den Rechtscharakter der gesegneten Personen, Sachen und Orte nicht.
Die Weihungen hingegen sondern Personen, Sache oder Orte für Gott aus und entziehen sie einer bloss weltlichen Zweckbestimmung. Das gilt etwa für die Weihe eines Abtes, einer Kirche oder eines Friedhofs.
Neben den Segnungen und Weihungen gibt es auch die Beschwörungen (Exorzismen), die im Namen Gottes die Macht des Bösen vertreiben sollen.
Die Segnungen, die den Beistand Gottes herabrufen, werden in der lateinischen Fachsprache als benedictiones invocativae bezeichnet, während die Weihungen benedictiones constitutivae heissen (sie begründen einen neuen Zustand). Die begriffliche Unterscheidung ist in der deutschen Sprache freilich nicht immer sehr klar. So spricht man etwa von «Palmsegnung» und von «Palmweihe», auch wenn es sich um eine «Weihe» handelt (benedictio constitutiva).
 


Die genaue Abgrenzung zwischen Sakramenten und Sakramentalien ist nicht ganz einfach. Oft wird gesagt, die Sakramente seien von Christus eingesetzt und die Sakramentalien von der Kirche. Das stimmt bei der übergrossen Mehrzahl der Sakramentalien. Es gibt aber auch heilige Zeichen, die Christus selbst eingesetzt hat, nämlich die Fusswaschung (Joh 13,14 f) und den Exorzismus, der zum Kern der apostolischen Sendung gehört (vgl. Mt 10,1; Mk 6,7 u. a.). Der entscheidende Unterschied zwischen Sakramenten und Sakramentalien liegt in der Gnadenwirkung: Nur die Sakramente bewirken «aus sich heraus» (ex opere operato) die heiligmachende Gnade, die den Menschen innerlich heiligt. Für die Gnadenwirkung der Sakramentalien ist die Beteiligung des Menschen entscheidend (ex opere operantis), die freilich auch für den fruchtbaren Empfang der Sakramente unverzichtbar ist.

Der ganze weite Bereich der Sakramentalien wurde in der Aigener Tagung in neun Vorträgen aus verschiedenen Perspektiven beispielhaft behandelt (durch Männer und Frauen, Kleriker und Laien). Eine baldige Veröffentlichung der Tagungsvorträge ist angezielt[1]. Hier seien einige Hinweise gegeben über die Segnung oder Weihe von Gegenständen und Orten.

Teresa von Avila und Papst Gregor der Grosse und das Weihwasser
Als Beispiel sei zunächst das Weihwasser genannt, dessen feierlichste Weihe in der Osternacht geschieht. Es erinnert uns an die Taufe, aber es hilft uns auch, unser Leben zu heiligen und die Mächte des Bösen zu vertreiben. Was seine Wirkung betrifft, so lohnt es sich, das Leben und die geistliche Erfahrung der Heiligen zu befragen.

Der Unterschied zwischen benedictio invocativa und benedictio constitutiva wird sehr deutlich in den Schilderungen der heiligen Theresa von Avila, die im 31. Kapitel ihrer Autobiografie den Unterschied zwischen dem Kreuzzeichen und dem Weihwasser beschreibt. Dazu gehört ihre Erzählung von dem Gebet des Totenoffiziums in einem Oratorium während der Allerseelennacht. Sie hatte gerade eine Nokturn beendet und wollte noch einige Gebete hinzufügen, da – so schreibt sie  – «setzte sich der böse Feind auf das Buch, um mich an der Vollendung dieser Gebete zu hindern. Ich bekreuzte mich, und er verschwand. Als ich wieder zu lesen anfing, kam er wieder; und so geschah es, dass ich, wie ich glaube, dreimal anfing und nicht fertig werden konnte, bis ich endlich zu seiner Verscheuchung Weihwasser gebrauchte. In demselben Augenblick sah ich, wie einige Seelen, denen nur noch etwas Weniges zu ihrer Befreiung gefehlt haben mochte, aus dem Fegfeuer gingen; dies hat wohl, wie ich meinte, der böse Feind verhindern wollen» (Leben, Kap. 31,10).
 


Noch älter ist das Zeugnis des heiligen Papstes Gregor des Grossen. Er lebte in einer äusserst bewegten Zeit, in der viele Menschen das Ende der Welt erwarteten. In den Jahren 593 und 594, drei Jahre nach der grossen Pest, die 590 Rom verwüstete, schrieb er das Werk «Dialogi» (Gespräche), das seitdem zu einem Bestseller geworden ist und sogar ins Griechische übersetzt wurde. Darin beschreibt er die Wunder der Heiligen Italiens, soweit sie ihm durch eigene Kenntnis oder als zuverlässig betrachtete Zeugen bekannt geworden waren. Natürlich können wir die Bedeutung der Weihen nicht nur durch Wunder erschliessen, aber die von Gregor damit verbundenen aussergewöhnlichen Ereignisse können dafür ein Gespür vermitteln.

Ein eigenes Kapitel der «Dialogi» widmet Gregor dem Bischof von Tudertum (dem heutigen Todi in Umbrien), Fortunatus, der bis zum Jahre 565 lebte. Seine Informationen bezieht Gregor von einem engen Freund des Fortunatus, der vor kurzer Zeit im Rom gestorben war. Fortunatus trieb Dämonen aus, heilte durch das Kreuzzeichen einen Blinden und bändigte auf die gleiche Weise ein wildes Pferd (Dialogi I, 10,1–9). Von einem alten Mann aus Todi, den Gregor nach Wundern von Fortunatus befragte, erfuhr er von einer dramatischen Begegnung des Bischofs mit einem Goten: Der germanische Ostgotenführer hatte zwei Kinder entführt und widerstand dem guten Zureden des Bischofs, die Kinder freizulassen. Da fiel der Gote vor der Bischofskirche vom Pferd und brach sich den Oberschenkel. Erst dann liess er die Kinder frei. Daraufhin sandte Bischof Fortunatus seinen Diakon, um ihn mit geweihtem Wasser zu besprengen (aqua benedicta). Durch die Besprengung wurde der Gote sofort geheilt und konnte seine Reise fortsetzen, als ob nichts geschehen wäre (Dialogi I, 10,11–15).

Die Wirkungen der Segenszeichen
Die Wirkungen der Segnungen und Weihungen lassen sich ablesen in den dafür verwandten liturgischen Texten, insbesondere in den epikletischen Teilen der Segensgebete (die den Beistand Gottes herabrufen). Bei der gleichen Art der Weihe kann es durchaus Unterschiede geben, je nachdem welches Formular verwandt wurde. Die einzelnen Wirkungen sind sodann einzuordnen in eine theologische Gesamtperspektive, die ausgeht vom Geheimnis des dreifaltigen Gottes. Die Sakramentalien besitzen ihren Quellpunkt in der Inkarnation des Sohnes Gottes sowie in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi; sie nehmen die Gaben der Schöpfung in Dienst, die freilich durch die Folgen der Sünde gefährdet sind; sie werden gelebt innerhalb der Gemeinschaft der Kirche, sie heiligen den ganzen Menschen mit Leib und Seele und sie richten ihn aus auf das endzeitliche Heil. Sie sind Zeichen für die personale Begegnung zwischen Gott und Mensch im Geheimnis der Kirche.

Der natürliche Einfluss des Segenszeichens (anthropologischer Aspekt)
Die erste Wirkung von Segnungen und Weihen betrifft bereits den natürlichen Einfluss auf die Sinne und dadurch auf die Seele. Es geht um den anthropologischen Aspekt. Der Mensch ist eine Einheit von Leib und Seele. Er will sichtbar vor Augen haben, was er glaubt, und ausdrücken, was in seinem Inneren vorgeht. Die tieferen Schichten der Seele werden durch Handlungen, Dinge und Zeichen tiefer berührt als durch blosse Worte. Das gilt besonders für die Weihen von Gegenständen, die betrachtet und betastet werden können, wie beispielsweise die Palmzweige in der Karwoche oder das Wasser zur Tauferneuerung.
 


Die Vermittlung von Beistandsgnaden (charitologischer Aspekt)
Bei der zweiten Wirkung geht es um die Vermittlung von übernatürlicher Gnade (charitologischer Aspekt; «charis» ist das griechische Wort für Gnade). Hierbei gilt es freilich zu unterscheiden zwischen der heiligmachenden Gnade (gratia gratum faciens), die für unsere eigene Heiligung bestimmt ist, und der Gnade für den Dienst an anderen, den Charismen (gratiae gratis datae). Die heiligmachende Gnade wiederum zeigt sich in bleibenden Wirkungen (der habituellen Gnade) und in einer vorübergehenden Wirkung (der aktuellen Gnade).
Bei den Sakramentalien kann es nicht um die heiligmachende Gnade gehen, die durch das Segenszeichen aus sich heraus vermittelt wird. Wenn bei den Sakramentalien von heiligmachender Gnade die Rede ist, dann geht es um deren Erlangung durch die Fürbitte der Kirche. Im Vordergrund stehen die Beistandsgaben, aktuelle Gnaden, durch die Gott unser Leben begleitet.

Die Hilfe bei der Aufarbeitung von Schuld (soteriologischer Aspekt)
Eine dritte Wirkung ist die Kraft, kleinere («lässliche») Sünden zu tilgen, so etwa beim andächtigen Gebrauch des Weihwassers oder beim Schuldbekenntnis der Messfeier. Diesen «soteriologischen Aspekt», wie wir ihn nennen können (von soteria = «Heil»), erklärt Thomas von Aquin: Die Vergebung lässlicher Sünden geschehe bei der Aussprengung des Weihwassers durch die Regungen des Abscheus gegenüber den Sünden und der Ehrfurcht gegenüber Gott, die vom Segenszeichen geweckt werden (STh III q. 87 a. 3; De malo q. 7 a. 12).

Die Abwehr böser Mächte (apotropäischer Aspekt)
Die Abwehr böser Mächte wurde bereits erwähnt. Das deutsche Benediktionale bemerkt: «Die Kirche bittet Gott durch ihr vom Heiligen Geist getragenes Gebet, die schöpfungswidrige Macht des Bösen zu zerstören und die Dinge dieser Welt in die Ordnung der Schöpfung und des Heiles einzufügen» (S. 13).

Die Vermittlung irdischer Güter und der Schutz vor zeitlichem Schaden (temporärer Aspekt)
Die zeitlich begrenzten Wirkungen können sich auch auf das irdische Wohlergehen beziehen, beispielsweise auf die Heilung von Krankheiten (temporärer Aspekt). Zeitliche Güter und irdische Vorteile können freilich nur insofern vermittelt werden, als sie direkt oder indirekt das ewige Heil des Menschen fördern.
 


Die Weihe von Gegenständen und Orten für den Gottesdienst (konsekratorischer Aspekt)
Bei der Weihe einer Kirche oder eines Altares, um nur diese Beispiele zu nennen, geht es um eine bleibende Wirkung, wobei die Weihe eine reale Beziehung grundlegt. Dies ist keine «Magie». Um Magie würde es sich handeln, wenn der Mensch von sich aus Praktiken anwenden würde, die den ihn überragenden Bereich betreffen und den er eigenmächtig manipulieren möchte. Die nichtsakramentalen Weihen hingegen setzen das von der Kirche vermittelte Handeln Gottes voraus und sind nicht wirksam ohne die gläubige Bereitschaft dessen, der die Wirkungen des Ritus erbittet. Die Wirksamkeit der Weihen ist objektiv begründet, bringt aber (abgesehen vom Geweihtsein selbst) keine automatische Wirkung mit sich. Die Weihen sind dann wirksam, wenn sie eingefügt werden in das persönliche Verhältnis zu Gott.

Die Verbindung mit der Menschwerdung Gottes (inkarnatorischer Aspekt) und dem Kreuz (staurologischer Aspekt)
Die Sakramentalien gehören letzten Endes zur Auswirkung der Menschwerdung Gottes, worin das ewige Wort Fleisch angenommen hat. Jesus selbst hat bei seinen Heilungen und Exorzismen konkrete Zeichen benutzt, die seine göttliche Macht übermittelten (Mt 8,3.15.26; 9,20.25.29; 20,34). Der Blick auf die Gaben der Schöpfung, wofür die Segensgebete danken, und deren Verbindung mit der Inkarnation, ist freilich zu verbinden mit dem Hinweis auf das Ostergeheimnis von Tod und Auferstehung Jesu. Wichtig ist hier vor allem das Geheimnis des Kreuzes, der «staurologische Aspekt». So bemerkt der deutsche Jesuit Klaus Schatz gegenüber der Deutung der Sakramentalien bei Alfons Auer, dem Urheber der «autonomen Moral»: «Die Dimension von Kreuz und Auferstehung» werde übersehen «zugunsten eines verkürzten und auf bruchlose Weltbejahung hinauslaufenden Verständnisses von Inkarnation» (Kirchengeschichte der Neuzeit II, 161).

Die Segnung materieller Dinge (kosmologischer Aspekt)
Es werden nicht nur Menschen gesegnet, sondern auch Dinge und Gegenstände, die freilich durchaus einen Bezug zum Menschen haben. Der Bedeutung der geweihten Dinge in ihrem relativen Eigenwert gegenüber der sie gebrauchenden Personen können wir als «kosmologischen Aspekt» der Weihen bezeichnen. Die Dinge werden gesegnet (mit dem Kreuzzeichen und dem geweihten Wasser), nicht nur die Benutzer.

Die Fürbitte der Kirche (ekklesiologischer Aspekt)
Die Segenszeichen sind nicht individualistisch zu deuten, sondern als Segenszeichen der Kirche (ekklesiologischer Aspekt). Insofern die Gemeinschaft der Kirche beteiligt ist, spricht die Theologie von auch opus operantis Ecclesiae, was eine blosse subjektive Disposition vonseiten des Empfängers überragt. Segnungen und Weihen haben für die gesegneten Gegenstände gewissermassen eine «atmosphärische Wirkung», die eine Befreiung von den Mächten des Bösen und eine heiligende Erhöhung mit sich bringt.

 


[1] Helmut Prader (Hrsg.), Die Sakramentalien, Fe-Medienverlag, Kisslegg 2023 oder 2024.


Prof. Dr. Manfred Hauke


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