Anna Katharina Emmerick, Gabriel von Max, 1885, Neue Pinakothek in München (geschnitten). (Bild: Public domain via Wikimedia Commons)

Hintergrundbericht

Anna Katha­rina Emme­rick: Mit­ar­bei­te­rin an der Erlösung

Vor 200 Jah­ren starb die selige Anna Katha­rina Emmerick.

Anna Katharina Emmerick wird im September 1774 als fünftes von neun Kindern einer armen Familie in der Nähe von Coesfeld (Nordrhein-Westfalen) geboren. Als ältestes Mädchen in der Familie ist sie schon als kleines Kind in die Arbeiten im Haushalt eingespannt und kann nur wenige Monate eine Schule besuchen. Doch sie vertieft ihre Bildung durch die Teilnahme an den kirchlichen Feiern, den Gesprächen mit den Eltern und vor allem dadurch, dass sie jede freie Stunde zum Lesen nutzt.
Sie hat eine grosse Sensibilität für die Not ihrer Mitmenschen und teilt oft das Wenige, das sie besitzt, mit Menschen, die noch weniger haben.

Schon früh zeigt sich ihre eidetische Begabung, d. h. die Fähigkeit, alles in Bildern zu sehen und diese in ihrem Gedächtnis zu speichern. Dieses sehende Erleben führt zu einer intensiven Teilnahme am religiösen Leben: «Durch lebendiges Schauen waren alle Kirchenfeste mir gegenwärtige Ereignisse», erzählt sie später. So wundert es nicht, dass ihr Beten vor allem in der Betrachtung besteht.

Bald schon erwacht in ihr der Wunsch, in ein Kloster einzutreten. Dies scheint jedoch ein unerfüllbarer Wunsch, da Klöster zu dieser Zeit nur den wohlhabenden Schichten offenstehen – eine Mitgift ist Voraussetzung für den Eintritt.

Da Anna Katharina aufgrund ihrer schwachen Konstitution für die schwere Landarbeit nicht geeignet ist, geben die Eltern sie bei einer Näherin in Coesfeld in die Ausbildung. Anschliessend kehrt sie nach Hause zurück und arbeitet von dort aus als Näherin. Wegen ihrer Geschicklichkeit und ihres Fleisses ist sie sehr gefragt und kann so auch einige Ersparnisse erwerben.

Ihr Lebenswunsch erfüllt sich
Ihren Wunsch, in ein Kloster einzutreten, gibt sie nicht auf, obwohl sie immer wieder Absagen erhält. Eines Tages hört sie, dass ein Kloster in Münster eine Organistin sucht. In der inzwischen 25-Jährigen entsteht der Plan, den Beruf als Näherin aufzugeben und als Haushälterin beim Organisten in Coesfeld zu arbeiten; als Entlöhnung soll er ihr das Orgelspiel beibringen. Die Familie ist jedoch durch die lange schwere Krankheit der Ehefrau des Organisten hoch verschuldet. Anna Katharina setzt ihre ganze Arbeitskraft, aber auch all ihr Erspartes ein, damit die Familie überleben kann. Unter diesen Bedingungen ist das Erlernen des Orgelspiels unmöglich. Obwohl damit ihre Chance für einen Klostereintritt schwindet, bleibt sie bei der Familie. «Da ich die unverschuldeten Leiden der Familie erkannte, erwachte die Überzeugung in mir, dass Gott mich als seine Magd hierher schickt, mit allem zu helfen, was er mir gegeben.»
Doch das vermeintliche Unglück zeigt sich als Glücksfall. Clara, die Tochter des Hauses, eine ausgebildete Lehrerin und Organistin, fühlt sich ebenfalls zum Ordensleben berufen. Aufgrund ihrer Fähigkeiten wird sie im Kloster Agnetenberg in Dülmen aufgenommen. Clara erklärt, dass sie nur zusammen mit Anna Katharina ins Kloster eintritt. 1802 werden die beiden in das Kloster der Augustiner-Chorfrauen aufgenommen.

Die Schwestern lassen Anna Katharina zu Beginn spüren, dass sie nur ungern aufgenommen wurde, doch diese hat ihre Erfüllung gefunden und ist glücklich. Sie kann durch die Gebetszeiten und die tägliche Messfeier Gott nahe sein und dem Geheimnis der Liebe Gottes nachspüren.
In den Jahren 1802 bis 1811 wird Anna Katharina häufiger krank. Eine schwere Lungenkrankheit sowie Magen- und Darmerkrankungen verursachen ihr grosse Schmerzen. Trotz ihrer Krankheiten schont sie sich nicht und übernimmt auch schwere Arbeiten.

1811 wird das Kloster Agnetenberg infolge der Säkularisation aufgehoben. Anna Katharina findet eine Anstellung als Haushälterin bei Abbé Martin Lambert, einem aus Frankreich geflüchteten Priester, der in Dülmen wohnt. Sie kann den Haushalt nur ein halbes Jahr führen, dann erkrankt sie so schwer, dass sie bis zu ihrem Tod 1824 fast ständig ans Bett gefesselt ist. Sie verbindet ihr Leiden mit den Leiden Christ und bringt die Not und die Sünden der Welt vor ihn. In ihren inneren Bildern sieht sie den am Kreuz leidenden Gottessohnes und wie die Sünden der Menschen ihm Wunden zufügen. In diesen Betrachtungen erfährt sie ihre Stigmatisation.
 


Der Öffentlichkeit preisgegeben
Schon früher war Anna Katharina beim Gebet vor dem Kreuz von den Schmerzen Christi ergriffen worden und hatte ihn gebeten, ihm etwas von dem Schmerz abnehmen zu können. Tatsächlich erlebte sie darauf am eigenen Körper die Schmerzen der Wundmale Christi (innere Stigmatisation).

1812 entstehen nun aus diesen Schmerzen die offenen Wundmale; sie kann diese nicht verbergen. Ein junger Arzt, Dr. Franz Wesener, sieht nach ihr und ist von ihr so beeindruckt, dass er ihr in den folgenden elf Jahren ein treuer Freund wird. Er führt auch ein Tagebuch über seine Begegnungen mit ihr.

Durch eine Indiskretion wird die Stigmatisation öffentlich bekannt. Es folgen 1813 Untersuchungen durch die Kirche und 1819 durch eine staatliche Behörde. In der Zeit der Aufklärung steht man solchen Dingen äusserst skeptisch gegenüber. Während der Untersuchungen wird sie Tag und Nacht bewacht; man kann keinen Betrug nachweisen. Ihr wird vorgehalten, sollte sie am kommenden Freitag wieder bluten, würden viele Menschen zur Katholischen Kirche zurückkehren. Ihre Antwort: «Wenn diese Umänderung der Denk- und Sinnart auf nichts anderem, als auf meinem Bluten sich gründen sollte; so ist ein solcher Katholizismus nichts wert.»

Mit dem Bekanntwerden der Stigmatisation beginnt für Anna Katharina eine schwere Zeit, da sie die Stille und das Gebet liebt. Doch jetzt kommen Neugierige, um sie zu sehen, Wundersüchtige, um sie zu berühren, Ärzte, um diese medizinische Sensation zu untersuchen. Aber auch Leidende suchen die Hilfe von Anna Katharina und sie betet für sie und spendet ihnen Trost. In der wenigen freien Zeit näht sie Kleider für die Armen.

Anna Katharina erhält auch Besuch von berühmten Personen ihrer Zeit wie der Schriftstellerin Luise Hensel (Verfasserin des Gebetes «Müde bin ich geh zur Ruh»), Bischof Johann Michael Sailer, Kardinal Melchior von Diepenbrock oder des Dichters Clemens Brentano. Dieser trifft in einer Lebenskrise auf die Mystikerin; Anna Katharina führt ihn zum Glauben zurück. «Viele Nächte hab’ ich geweint und Gott gebeten, mir doch etwas zu geben, nur etwas, woran ich mich halten könnte. Dann kam die närrische Fügung, dass ich die Emmerick kennen lernte.»

Clemens Brentano besucht sie erstmals 1818; daraus wird ein fünfjähriger Aufenthalt in Dülmen. Fast täglich besucht er Anna Katharina, um ihre Visionen aufzuzeichnen. Ihre mystischen Bilder betreffen das Leben von Heiligen, biblische Erzählungen und einzelne Motive wie Fegefeuer oder Sakramente, vor allem aber das Leben und die Passion Jesu Christi. Clemens Brentano vermischt aber in den Büchern – unter anderem «Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi» – die Aussagen von Anna Katharina mit eigenen Angaben, sodass eine Beurteilung ihrer Visionen nicht möglich ist. Mel Gibson bezog sich in seinem Film «Die Passion» aus dem Jahr 2004 unter anderem auch auf die Visionen von Anna Katharina Emmerick, wie sie in den Büchern von Clemens Brentano festgehalten sind.

Im Sommer 1823 wird Anna Katharina immer schwächer; sie stirbt am 9. Februar 1824.

Am 3. Oktober 2004, 180 Jahre nach ihrem Tod, wird Anna Katharina Emmerick von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Dabei stehen nicht ihre Visionen im Vordergrund, sondern ihr Mitwirken an der Erlösung: Durch ihr Wort, das dank den Schriften von Clemens Brentano unzählige Menschen erreichte, verkündet sie heute noch das Evangelium im Dienst an der Erlösung. Aber auch ihr Leiden hat Anna Katharina Emmerick immer als Dienst an der Erlösung verstanden.
Die Kirche gedenkt dieser vorbildlichen Seligen am 9. Februar.

 

Vortrag von Pater Johannes Maria Poblotzki auf Radio Gloria


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 13.02.2024 um 13:14
    Der Ausdruck "Mitarbeiterin an der Erlösung" ist theologisch-dogmatisch wohl unter aller Kanone, so etwas gibt es nicht nur innerhalb der protestantischen Theologie nicht, dort wurde wegen dieser Unterstellung sinngemäss die Heiligenverehrung abgelehnt, auch die Marienverehrung. Glaube übrigens zu Katharina und ihrem Schreiber Brentano einen Kommentar abgeschickt zu haben, habe jedoch Probleme mit der Technik, oft transportiert es nicht; nehme nicht an, ausser vielleicht zu viel Umfang, dass ein solcher Beitrag zensuriert wird.
    • user
      Redaktion 13.02.2024 um 13:56
      Sehr geehrter Herr Meier.
      Der Heilige Stuhl selbst betont in seiner Biografie der Seligen mehrfach, dass sie Dienerin der Erlösung war. Selbstverständlich kann man Wert darauflegen, dass zwischen "dienen" und "mitarbeiten" ein Unterschied besteht. Der heilige Paulus schreibt in seinen Brief jedoch auch von "Mitarbeiter Gottes" (2 Kor 6,1) oder von "Gottes Mitarbeiter am Evangelium" (1 Thess 3,2). Als Mitarbeiter helfen wir mit, können aber das Werk selbst nicht vollbringen. Oder Kol 1,24: "Ich ergänze in meinem irdischen Leben, was an den Bedrängnissen Christi noch fehlt an seinem Leib, der die Kirche ist." In diesem Sinn ist der Ausdruck "Mitarbeiterin an der Erlösung" zu verstehen.