Symbolbild. (Bild: Jennifer Latuperisa-Andresen/Unsplash)

Kommentar

Auf­lö­sung kirch­li­cher Autorität

Es wird immer deut­li­cher (vgl. die neu­es­ten Stel­lung­nah­men von Kar­di­nal Fer­n­an­dez auf Face­book und seine Ant­wort auf die Dubia von Kar­di­nal Duka), um was es bei dem neu pro­pa­gier­ten Begriff «Syn­oda­li­tät» in Wirk­lich­keit geht: um die Auf­lö­sung unab­hän­gi­ger, hier­ar­chi­scher, kirch­li­cher Auto­ri­tät in Bezug auf Lehre und Lei­tung. Die kirch­li­che Hier­ar­chie soll in ihrer Aus­übung ein­ge­eb­net wer­den in demo­kra­ti­sche – sprich syn­odale (vgl. Angli­ka­nis­mus) – Prozesse.

Autorität gibt es dann nur noch in der Form demokratischer, mehrheitlicher Mitentscheidung, die, was eine Lehrposition betrifft, von der kirchlichen Autorität entsprechend einem Mehrheitsvotum abgesegnet werden soll (Forum externum) oder in der Form einer sakramentalen Lossprechung, die von den Beichtvätern entsprechend der Gewissensentscheidung des Poenitenten (forum internum), nicht aber des Priesters als des verbindlichen Richters in konkreten, sittlichen Fragen, nicht verweigert werden darf.

Letztverbindlich ist dann nicht mehr die autoritative und autonome Entscheidung des Bischofs oder Priesters (unbeschadet immer möglicher und angeratener Beratung), sondern das Mehrheitsvotum (Mitbestimmung) auf der einen Seite, die Gewissensentscheidung des Poenitenten, der die Lossprechung sucht, auf der anderen. Die Binde- und Lösegewalt der kirchlichen Autorität bestünde dann wesentlich nur noch im Nachvollzug solcher, nicht von ihr selbst getroffenen, höchstens mitgetragenen Entscheidungen, welche die Mehrheit oder das individuelle (aber nicht das eigene) Gewissen treffen. Das alles wird begründet mit dem Postulat, Machtmissbrauch (Klerikalismus) zu vermeiden, der natürlich nur auf der Seite der kirchlichen Autorität gesehen wird! Auch das ein blinder Fleck.

Allein das Handeln des aktuellen Papstes hebt sich in seiner nie da gewesenen autokratischen Ausübung, die vor nichts Halt macht und in allen Bereichen (Lehre; Leitung; Personalführung; Gerichtsbarkeit) von diesem neuen, synodalen Stil abrückt, krass ab. Ja, es widerspricht ihm fundamental, ohne dass jemand es merkt, der «Synodalität» als neue Zauberformel ständig im Munde führt und bei jeder Gelegenheit in Berufung auf das sogenannte «neue Lehramt (nicht aber Beispiel) von Franziskus» anmahnt.

Jesus hat aber die Binde- und Lösegewalt (sakramentale Vollmacht, Leitungs- und Lehrautorität) ausschliesslich den Aposteln übertragen und diese wiederum ihren Nachfolgern, den Bischöfen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat deshalb an der von Jesus begründeten, hierarchischen Struktur des Volkes Gottes festgehalten und das Bischofsamt gegenüber dem Papsttum in die rechte Mitte (sub Petro et cum Petro) zwischen päpstlichem Absolutismus (vgl. Vatikanum I) und Mitwirkung der Laien (Vatikanum II) gerückt. Es hat aber den wesensgemässen, nicht graduellen Unterschied zwischen dem besonderen (Priester-weihe) und allgemeinen Priestertum (Taufe) nicht aufgehoben, sondern nachhaltig betont. Und genau diesen Unterschied will man in der neuen Synodalität aktuellen Zuschnitts nicht mehr beachten, weshalb der christliche Osten keine Vergleichbarkeit solcher Synodalität (wie die aktuelle in Rom) mit ihrer eigenen, auf die apostolische Zeit zurückgehenden Tradition und Praxis sieht. (Synoden sind dort eine ausschliessliche Versammlung von Bischöfen, die ihre Autorität verbindlich ausüben.)

Nun aber soll die Pyramide (Hierarchie) nicht mehr nur auf den Kopf gestellt werden, was der Papst wünscht, aber nicht tut, sondern sie wird geradezu demokratisch pulverisiert. Davon ausgenommen bleibt die päpstliche, absolute Vollmacht, die am Ende aus synodalen Voten sowieso (autoritativ und autonom) das machen kann, was sie immer schon wollte (zusammen mit anderen, die es ohne sie nicht durchsetzen konnten). Die Befragungen dienen dann vor allem der angestrebten breiteren Akzeptanz. Das sind nach meiner Einschätzung die Fakten. Um letztere geht es: Die Praxis steht ja über der Idee, die sich im sogenannten «Lehramt von Franziskus» (ich kenne nur dasjenige der Kirche) meandrisch ausdrückt. Die Prozesse sind unumkehrbar, aber nur, wenn man die Rechnung ohne den HERRN macht. Sie sollen die Kirche von ihren alten Fehlern (Rigidität, Dogmatismus und Klerikalismus) befreien. Mit anderen Worten: Endlich können unter diesem Pontifikat die Räume eingenommen werden, auf die man schon lange (mindestens seit den 60er-Jahren, wenn nicht länger) begehrlich schielt im Gegensatz zur eigenen Behauptung, dies nie angestrebt zu haben (Prozesse auslösen, nicht Räume einnehmen zu wollen). Wer Einspruch erhebt oder dagegen ist, spricht zu wenig mit dem Geist. Und weil man dies 2023 in einem neuen Anlauf immer noch nicht erreichen wird, braucht es einen weiteren im Jahr 2024.


Weihbischof em. Marian Eleganti


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    Daniel Ric 20.10.2023 um 18:13
    Ich verstehe die Befürchtungen von Weihbischof Eleganti, dass die Synode zu einer Art Parlament werden könnte, bei der pseudodemokratische Mehrheitsverhältnisse missbraucht werden, um eine Änderung der Lehre zu rechtfertigen. Persönlich sehe ich jedoch wenig Anzeichen, dass dies der Fall sein wird. Ich glaube eher, dass die Synode einen Versuch darstellt, neue Wege für ein Miteinander in der Kirche zu finden. Gerade in der Schweiz wäre dies auch dringend notwendig. Wenn von bischöflicher Autorität gesprochen wird, muss auch ehrlich eingestanden werden, dass es die Schweizer Bischöfe in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft haben, eine solche Autorität in der Gesellschaft zu etablieren. Nur auf das Wort Jesu zu verweisen, in welchem er den Aposteln die Vollmacht gab, auf Erden zu binden und zu lösen, genügt in der heutigen Gesellschaft nicht. Es braucht eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den kritischen Stimmen. Ich gehöre zu den sogenannt konservativen Katholiken, die keine Änderung der Lehre wünschen, jedoch sehe ich auch ein, dass es meine Aufgabe ist, offen auf die sogenannt progressiven Katholiken zuzugehen und durch Argumente zu überzeugen. Sich hinter einer bischöflichen Autorität zu verstecken, genügt im 21. Jahrhundert nicht mehr - und das ist für die Kirche langfristig ein Segen! Wenn Christus seine Jünger aufgefordert hat, den Sinn hinter den Geboten zu entdecken, dann ist dies auch ein Auftrag an alle Bischöfe, Priester und Laien des 21. Jahrhunderts.
    Ein Wort noch zu den Personalentscheidungen und anderen Urteilen des Papstes, die Weihbischof Eleganti als autoritär bezeichnet: Ich glaube, die Entscheide keines Papstes wurden so heftig und kontrovers diskutiert wie diejenigen von Franziskus. Man muss sich fragen, inwiefern hier nicht auch absichtlich durch die Medien eine Spaltung der Kirche provoziert wird, indem jede Entscheidung des Papstes hinterfragt und als fürchterliche Entscheidung hingestellt wird. Hubert Wolf hat gerade heute in der NZZ ebenfalls Papst Franziskus massiv kritisiert. Hubert Wolf ist aber ein ausgesprochen progressiver Theologe, der den Papst wegen seiner konservativen Entscheide sowie seiner Haltung im Ukraine-Krieg kritisiert. Es ist das Recht jedes Katholiken, den Papst zu kritisieren, aber wir müssen aufpassen, uns nicht zum Werkzeug des Bösen zu degradieren, indem wir der Kirche durch unsere überzogene Kritik schaden.
    Mich würde von Weihbischof Eleganti, den ich persönlich respektiere und schätze, interessieren, welche Wege er der Kirche vorschlagen würde, um die bischöfliche Autorität bzw. die Autorität des Klerus wieder herzustellen? Es ist offensichtlich, dass diese Autorität seit mehreren Jahrzehnten im Schwinden ist und nicht erst seit 2013 (Seit Papst Franziskus im Amt ist). Wenn wir eine Neuevangelisierung wollen, ist es zentral, sich konstruktiv mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Wie schafft es die Kirche wieder, sich Gehör zu verschaffen?
  • user
    Manfred Studer 20.10.2023 um 12:51

    Das Lehramt von Franziskus hat Zarah Leander zur neuen Kirchenlehrerin proklamiert.


    Ihre berühmte Chançon "Kann denn Liebe Sünde sein?" wir zum Kirchenhymnus proklamiert.


    https://www.youtube.com/watch?v=0zDL4j9haQ0


    Gemäss dem Lehramt von Franziskus beinhalte diese neu anerkannte Hymne den Inbegriff höchster Liebestheologie, eine Messlatte für alle Christenmenschen.


    Ihre Lehre würde mithin alsbald kanonisch rechtsverbindlich und wer nun weiterhin irgend eine Spielart der Liebe als Sünde vernunglimpfen würde, gülte als Frevler und Ketzter, als rigider Moralspiesser, der als liebloser Teufelsgeselle von der Kirche verstossen werden müsste - ja am besten wenn er verstockt bliebe auf den Scheiterhaufen landen sollte.


    Jedenfalls soll diese Hymne täglich Gegenstand der inneren Belehrung und Gewissensdurchforstung sein, ob man nicht doch sündhaft irgend eine Art der Liebe mit Sünde in Zusammenhang brigen würde. Asympotisches Ziel des pilgernden Menschen in der Nachfolge Jesu solle darin bestehen, einfach jede Spielart Liebe restlos zu bejaht, mithn jede anscheinende Abart gutheissend zu meditieren, was natürlich aufgrund unserer sündhaften Engherzigkeit nur mit Hilfe der Gnade annähernd und stufenweise möglich würde. Ferner gülte es diese Lehre als harmonischen Gipfel des bisherigen Lehramtes widerspruchslos anzuerkennen.


    Und während das "religious engeneering" für den Islam eine stupid gnadenlose Rigidität vorsieht und fördert, soll das Christentum einer spiegeverkehrte Stupidität grenzenloser Gutheissung aller Befriedigungstriebe frönen.

  • user
    Claudio Tessari 20.10.2023 um 07:45
    Bischof Marian, ein Fels in der Brandung. Vergelt's Gott