M Celeste Crostarosa. (Bild: Screenshot Redemptorist TV)

Hintergrundbericht

Das Leben der Maria Celeste Crosta­rosa: Keine Rosen ohne Dornen

Die selige Maria Celeste Crosta­rosa, eine nea­po­li­ta­ni­sche Mys­ti­ke­rin aus dem 18. Jahr­hun­dert, ver­bin­det in ihrer Spi­ri­tua­li­tät der «Viva Memo­ria», den irdi­schen Chris­tus mit dem auf­er­stan­den Christus.

Giulia wurde am 31. Oktober 1696 als zehntes Kind von Giuseppe Crostarosa und Battista Caldari in Neapel geboren. Ihr Vater war Rechtsanwalt, ihre Mutter sorgte sich um die insgesamt zwölf Kinder. Im Alter von fünf, sechs Jahren begann zwischen ihr und Christus eine Herzensfreundschaft. Dabei schenkte er ihr eine so innige Erkenntnis seiner Göttlichkeit, dass sie vom Wunsch erfasst wurde, ihn zu lieben und ihm zu dienen.
Als sie ungefähr zehn Jahre alt war, lehrte ihr Beichtvater sie das innere Gebet. Doch trotz grosser Anstrengung schaffte sie es nicht, bei der Betrachtung zu bleiben. Eines Tages las sie eine Betrachtung über den Lanzenstoss, den Jesus bei der Kreuzigung erlitt «und sie blieb ganz versunken in die Liebe dieses göttlichen Herrn. Von ihm eingeladen, in seinem verwundeten, göttlichen Herzen zu wohnen, blieb sie so verwundet von der Liebe, dass sie von dieser Stunde an zur Meditation keine Bücher mehr benutzte.»

Eines Tages nach der Kommunion zeigte ihr Christus in einer Vision seine offene Seite, nahm sie in sein göttliches Herz auf und sagte zu ihr: «Geh ein in diese Wunde, und ich werde dich waschen und dich reinigen von allen deinen Sünden» und weiter «Ich will dein Führer sein, ich will dich leiten, suche keinen anderen als mich allein.» Es war das erste Mal, dass Giulia eine derartige innere Vision empfangen hatte. Als sie sich überlegte, wie sie Gottes Liebe erwidern könne, sprach er zu ihr: «Du musst mein Leben nachahmen und vereint mit den Werken meines Lebens musst du deine Taten vollbringen.» Diese Worte sollten sie ihr Leben lang begleiten.

Du wirst die Mutter vieler Seelen sein
Im April oder Mai 1718 besuchte Mutter Crostarosa mit Giulia und ihrer Schwester Ursula in Marigliano ein Konservatorium, in dem Ordensfrauen nach einer weniger strengen Regel der Karmelitinnen lebten – Giulia und ihre Schwester Ursula traten noch am gleichen Tag ein.
Während ihrer Zeit in Marigliano lehrte der Herr Giulia, die nun Schwester Maria Candida hiess, was geistliches Leben bedeuten soll. Sie schreibt in ihrer Autobiografie: «[…] dabei liessest du mich begreifen, dass die ganze Bedeutung des geistlichen Lebens darin besteht, in deiner göttlichen Gegenwart zu bleiben, nur an dich zu denken, nur nach dir zu streben, nur dich allein zu lieben und nichts zu suchen oder anderes zu wünschen als dich, einziger Schatz der Seele».

Er eröffnete ihr auch sieben Regeln für das Ordensleben und den Weg der reinen Liebe. Darin erklärte er ihr unter anderem, dass die Seele (der Mensch) mit anderen Menschen zusammenleben soll «allein zur Förderung ihres ewigen Heils und zum Wohle ihrer Seelen, ohne sich mit ihnen in anderen Dingen dieser Erde und dieser Welt einzulassen». Dabei soll sie im Geist «immer in jener Vereinigung mit Gott leben, in der die Seele Jesu stets als Wort mit dem Vater und dem Heiligen Geist vereint bleibt». Und er ermahnt: «Halte dich bei keiner Sache auf, nicht beim vergangenen Leben, nicht beim gegenwärtigen Leiden und nicht bei dem, das in der Zukunft kommen wird, beschäftige dich allein mit dem einzigen Gut und dem höchsten, ewigen Gut, deinem ersten Urgrund und letzten Ziel.» Ein Satz, der ihr während ihrer leidvollen Zeit in Scala helfen sollte.

Eines Tages offenbarte der Herr ihr seinen Plan: «Ich will dich zur Mutter vieler Seelen machen, die ich durch dich retten will.». Er sagte ihr auch, dass sie Klöster gründen solle. Sie mass diesen Dingen keine Bedeutung zu, da sie sich dafür als unfähig erachtete. Später erklärte er ihr, wie sie die Worte «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater ausser durch mich (Joh 14,6)» verstehen soll: «Er zeigte meiner Seele das so staunenswerte Werk der göttlichen Vereinigung mit der menschlichen Natur, und dass die Seele diese Vereinigung erlangt durch den Glauben, durch die Gnade seines Heiligen Geistes und durch die wunderbaren Früchte der guten Werke und Tugenden seines allerheiligsten Lebens als Mensch und Pilger auf Erden [...] Er lebt in der Einheit der Liebe in Gott und als Pilger in allen ihm teuren Seelen.» Damit verdeutlichte Christus ihr die Worte, die er ihr bereits als Kind gesagt hatte: Er selbst lebt als Pilger in allen Menschen, die mit ihm in Liebe und im Glauben im Heiligen Geist verbunden sind.

Als das Konservatorium von Marigliano im Oktober 1723 wegen Streitereien aufgegeben werden musste, bat ihr späterer geistlicher Begleiter, Tommaso Falcoia, die drei Crostarosa-Schwestern[1], ins Kloster von Scala einzutreten. Dieses Kloster war von ihm und einem Mitbruder nach den Regeln der Heimsuchungsschwestern reformiert worden.

Aus der eigenen Gründung ausgeschlossen
Bei ihrem Eintritt in Scala erhielt Giulia den Namen Schwester Maria Celeste del S. Deserto. Am 25. April 1725 erlebte sie wieder eine Vision. In dieser prägte ihr Christus alle kostbaren Güter seines Lebens in ihr Herz ein. Er zeigte ihr auch das Institut, das er durch sie errichten, aber auch die Leiden, die sie dadurch erfahren würde. Während 40 Tagen diktierte der Herr Sr. M. Celeste die Regel des neuen Instituts. Ihre Mitschwestern sahen in dieser Offenbarung den Willen Gottes. Doch die Priorin konnte die zuständigen Priester davon überzeugen, dass die Visionen Sr. M. Celestes nur Illusionen waren, und in der Folge verbot Pater Falcoia den Schwestern, von der neuen Regel zu sprechen.

Die grosse Wende ereignete sich, als Pater Falcoia 1730 Bischof von Castellammare wurde. Er bat den befreundeten heiligen Alfons Maria von Liguori, die Visionen von Sr. M. Celeste zu überprüfen. Dieser erachtete die Visionen als echt und so konnten die Schwestern ab dem 13. Mai 1731 nach dem Geist der neuen Regel leben. Die Regel selbst wurde von Bischof Falcoia abgeändert, was zu Auseinandersetzungen mit Sr. M. Celeste führte, da er wesentliche Teile wegliess oder hinzufügte.

Am 4. Oktober 1731 hatte Sr. M. Celeste eine Vision, in der ihr der Herr ein Männerinstitut nach der gleichen Regel zeigte; Alfons von Liguori sollte es errichten. Am 9. November 1732 gründete Alfons von Liguori entsprechend dieser Vision mit fünf Gefährten das Institut «Priester vom Heiligsten Heiland» (heute als Redemptoristen bekannt).

Der Beziehung zwischen Sr. M. Celeste und Bischof Falcoia wurde immer schwieriger. Sr. M. Celeste kam zum Schluss, sich von ihrem Seelenführer zu trennen. Im Mai eskalierte die Situation. Bischof Falcoia verlangte von Sr. M. Celeste, drei Bedingungen zu erfüllen, andernfalls würde sie aus dem Orden ausgeschlossen: 1. Keinen Kontakt mehr zu Silvester Tosquez[2]; 2. Die von ihm abgeänderte Version der Regel zu unterschreiben; 3. Ablegung eines Gelübdes, unter seiner Leitung und Seelenführung zu bleiben.
Nach einem Gespräch mit ihrem leiblichen Bruder Giorgio, einem Jesuitenpater, akzeptierte Sr. M. Celeste die erste Bedingung. Zur zweiten erklärte sie, dass sie bereit sei, die Regel der Gemeinschaft zu befolgen. Es sei aber nicht nötig, dass sie diese unterzeichne. Die dritte Bedingung konnte sie aufgrund ihres Gewissens nicht akzeptieren. Am 25. Mai 1733 wurde sie aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Ihre beiden leiblichen Schwestern verliessen mit ihr das Kloster.

Eine zweite Gründung in Foggia
Während der nächsten zwei Jahren reformierte Sr. M. Celeste ein Dominikanerinnenkloster in Pareti. Von 1735 bis 1738 lebte sie in Roccapimonte und versuchte eine Neugründung nach der ursprünglichen Regel[3]. Als sie und ihre beiden Schwestern in einer Art Voruntersuchung des Heiligen Offiziums gegen Silvester Tosquez als Zeugen aussagen mussten, wurde ihr guter Ruf in Mitleidenschaft gezogen und sie konnten die Neugründung nicht vollenden.

Am 4. März 1738 zog sie auf Ersuchen der Einwohner zusammen mit ihrer älteren Schwester weiter nach Foggia, wo sie eine Gemeinschaft nach der ursprünglichen Regel gründete[4]. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten blühte das Werk auf. Am 14. September 1755, dem Fest der Kreuzerhöhung, starb Sr. M. Celeste im Ruf der Heiligkeit bei den Worten des Johannesevangeliums: «Es ist vollbracht» (Joh 19,30).

1901 wurde der Seligsprechungsprozess eingeleitet, im Jahr 2016 wurde M. Celeste Crostarosa von Papst Franziskus seliggesprochen. Ihr Gedenktag ist der 18. Juni. Ihr unverwester Leichnam ruht in einem Schrein in der Hauskapelle des Klosters Foggia

Von der Gründung in Scala aus verbreitete sich der kontemplative Orden der Redemptoristinnen in der ganzen Welt. Dabei wurde nach der von Bischof Falcoia veränderten Regel gelebt, die 1750 vom Heiligen Stuhl approbiert worden war. Da Bischof Falcoia in Scala eine «damnatio memoriae» (Vernichtung aller Aufzeichnungen von und über eine Person) von Sr. M. Celeste Crostarosa durchführen liess, war die eigentliche Gründerin des Ordens in Vergessenheit geraten. Erst bei der Regelrevision nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil fand man ihre Schriften in Archiven wieder. 1985 wurde die neue Ordensregel auf der Grundlage ihrer Schriften approbiert.

Ein lebendiges Gedächtnis Christi werden
«Du musst mein Leben nachahmen und vereint mit den Werken meines Lebens musst du deine Taten vollbringen.» Diese Worte, die Christus zu ihr sprach, als sie noch ein Kind war, verstand Celeste zunächst als ein simples Wiederholen der Taten Christi. Erst während der Zeit zwischen ihrem Aufenthalt in Marigliano und Scala verstand sie die ontologische Dimension: Wenn wir uns von uns selbst frei machen und uns Christus öffnen, werden wir durch den Heiligen Geist von Christus erfüllt und wesenhaft zu seinem Abbild. M. Celeste Crostarosa spricht davon, zu einer «Viva Memoria», einem lebendigen Gedächtnis, einer lebendigen Erinnerung Jesu Christi zu werden. «All das verlangt grossmütige, konsequente und vollkommene ‹Angleichung› an den Heiland: Unsere Entscheidungen, unser Verhalten und unser Tun müssen so sein, dass sie tatsächlich ‹Gedächtnis› der Heil bringenden Werke Christi sein können.»[5] Dabei werden wir Christus immer mehr gleichgestaltet. Wir erinnern uns an Paulus: «Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir» (Gal 2,20).

Durch die Teilhabe an ihm lebt Christus als Pilger in dieser Welt und lässt uns an seinem Leben, seinen Tugenden und Werken teilhaben. So werden wir zu seinem «Gedächtnis», das ihn ausstrahlt. Nachfolge bedeutet bei Sr. M. Celeste, uns durch den Heiligen Geist Christus gleichgestalten zu lassen. «Wir handeln wie der Heiland, weil er in uns lebt und damit er noch tiefer in uns leben kann; damit wir immer mehr durch Ihn leben; damit er wirklich der Heiland der Menschen in uns und durch uns sein kann.»[6] So werden wir zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Heils.

 


[1] 1720 war auch die jüngere Schwester Giovanna in Marigliano eingetreten.
[2] Ein ehemaliger Redemptorist.
[3] Eine Abschrift der ursprünglichen Regel – vor der Änderung durch Falcoia – hatte Celeste von Silvester Tosquez nach ihrem Austritt aus Scala erhalten.
[4] Ihre jüngere Schwester ertrug das Wanderleben nicht mehr und trat in das Kloster vom Heiligen Kreuz in Aquila ein.
[5] Sabatino Majorano, L’imitazione per la memoria del Salvatore. Il messaggio spirituale di Suor Maria Celeste Crostarosa (1696 – 1755), 311.
[6] Ebd.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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