Geburt Jesu von Paolo Veneziano, San Pantalon, Venedig.

Neuevangelisierung

«Denn einen wun­der­ba­ren Tausch hast du vollzogen»

Zu Weih­nach­ten gibt es viele Mög­lich­kei­ten für Got­tes­dienst­be­su­che: Vom frü­hen Hei­lig­abend bis zum spä­ten Vor­mit­tag am Weih­nachts­tag reicht das Ange­bot. Doch ist den Gläu­bi­gen bewusst, dass es an Weih­nach­ten offi­zi­ell vier Got­tes­dienste mit einem je eige­nen Cha­rak­ter gibt?

«Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehl erliess, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen. Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heisst; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war» (Lk 2,1–7).

In den Anfängen des Christentums hatte die Geburt Christi keinen grossen Stellenwert. Ganz im Zentrum stand die Auferstehung Jesu Christi.

Der Gedenktag der Geburt Christi war zunächst im Kalender der Heiligenfeste eingeordnet. Erst im 7. Jahrhundert wechselte das Weihnachtsfest in den Kalender der Herrenfeste, wie das «Sacramentarium Gelasianum» bezeugt.
Die Bibel überliefert kein Geburtsdatum. Der heute übliche Termin am 25. Dezember ist seit dem Jahr 336 in Rom belegt.[1] Wie es zu diesem Datum kam, ist jedoch ungeklärt.

Heute sind im Messbuch vier Messen für Weihnachten vorgesehen. Dies geht auf die päpstliche Weihnachtsliturgie aus dem 6. Jahrhundert zurück. Damals feierte der Papst in mehreren Kirchen die Geburt des Herrn: Zunächst die Christmette (Missa in nocte) in der Basilika «Santa Maria Maggiore». Am frühen Morgen zog er zur sogenannten Hirtenmesse (Missa in aurora) in die Kirche «Sant’Anastasia al Palatin» und um 9 Uhr zelebrierte er das feierliche Hochamt (Missa in die) im Petersdom. Später kam noch die Vigilmesse (Missa in vigilia) am Heiligen Abend dazu. Mit der Verbreitung der römischen Liturgiebücher wurde diese Praxis auch andernorts nachgeahmt; dabei wurden aber alle drei Messen in derselben Kirche gefeiert.

Jede der vier Messen hat ihren je eigenen Charakter:

Die Vigilmesse («Am Heiligen Abend») steht noch ganz im Zeichen der Erwartung. «Heute sollt ihr es erfahren: Der Herr kommt, um uns zu erlösen, und morgen werdet ihr seine Herrlichkeit schauen» (Eröffnungsvers). Der Text der Ersten Lesung stammt aus dem Buch Jesaja und gibt dem Vertrauen Ausdruck, dass Gott sein Volk retten wird. Diesen Gedanken nimmt die Zweite Lesung aus der Apostelgeschichte auf. Paulus ruft in der Synagoge von Antióchia den Menschen zu: «Aus seinem Geschlecht hat Gott dem Volk Israel, der Verheissung gemäss, Jesus als Retter geschickt» (Apg 13,23). Das Evangelium erzählt den Stammbaum Jesu (Langfassung) und die Weihnachtsgeschichte nach Matthäus.

Die Christmette («In der Heiligen Nacht») ist erfüllt von der Freude über die Geburt des Gottessohnes. «Herr, unser Gott, in dieser hochheiligen Nacht ist uns das wahre Licht aufgestrahlt. Lass uns dieses Geheimnis im Glauben erfassen und bewahren, bis wir im Himmel den unverhüllten Glanz deiner Herrlichkeit schauen» (Tagesgebet).

Die Erste Lesung aus dem Buch Jesaja beschreibt die Erfüllung der Hoffnung des Volkes: «Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf […] Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. Die grosse Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit» (vgl. Jes 9,1–6).
Das Evangelium verkündet die längere Erzählung der Geburt Jesu nach Lukas. Der Kommunionvers fasst das Festgeheimnis knapp zusammen: «Das Wort ist Fleisch geworden, und wir haben seine Herrlichkeit geschaut.»

Die Hirtenmesse («Am Morgen») steht ganz im Zeichen der Hirten, die damals zu den Ärmsten gehörten. Besonders die Zweite Lesung aus dem Brief an Titus bringt die Hoffnung auf Erlösung durch die Menschwerdung Christi zum Ausdruck: «Als die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien, hat er uns gerettet – nicht aufgrund von Werken der Gerechtigkeit, die wir vollbracht haben, sondern nach seinem Erbarmen – durch das Bad der Wiedergeburt und die Erneuerung im Heiligen Geist. Ihn hat er in reichem Mass über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter, damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen» (Tit 3,4–7). Das Evangelium erzählt von der Begegnung der Hirten mit dem neugeborenen Gottessohn und ihrer Freude über das Kommen Gottes. «Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war» (Lk 2,20).

Die Messe «Vom Tag» betrachtet Heilsplan Gottes. Der Text aus dem Buch Jesaja heisst die «Schritte des Freudenboten» willkommen, der Frieden ankündigt, und fordert dazu auf, in Jubel auszubrechen, denn «der Herr hat sein Volk getröstet, er hat Jerusalem erlöst» (vgl. Jes 52,7–10). Die Zweite Lesung aus dem Hebräerbrief nimmt den Gedanken des Evangeliums vorweg: «Vielfältig und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; am Ende dieser Tage hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben von allem eingesetzt, durch den er auch die Welt erschaffen hat; er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort, hat die Reinigung von den Sünden bewirkt und sich dann zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt» (vgl. Hebr 1,1–6).
Das Evangelium spricht weder von Bethlehem, der Krippe noch vom Stroh und bringt doch das Geheimnis von Weihnachten ins Wort: «Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott
und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen […] Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit» (vgl Joh 1,1–18).
 

Das Geheimnis von Weihnachten werden wir nie ganz erfassen. Die vier Weihnachtsmessen öffnen aber den Gläubigen den Weg, dem Geheimnis der Geburt Christi, unseres Erlösers, näher zu kommen.

«In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und dein Erbarmen zu rühmen durch unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn schaffst du den Menschen neu und schenkst ihm ewige Ehre. Denn einen wunderbaren Tausch hast du vollzogen: Dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch, und wir sterbliche Menschen empfangen in Christus dein göttliches Leben. Darum preisen wir dich mit allen Chören der Engel und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit: Heilig …» (Präfation von Weihnachten III).

 


[1] Chronograph von 354 des Furius Dionysius Filocalus.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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