«Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann» (Mt 8,20).
Die chaldäischen Christinnen und Christen werden ganz besonders mit diesen Worten des Herrn mitfühlen. Trotz ihrer langen Geschichte im Irak und anderen Gebieten des Nahen Ostens leben die meisten von ihnen nach Jahrzehnten der Diskriminierung und Verfolgung über die ganze Erde verstreut. Vor einigen Jahren lebten noch 1,5 Mio. Christinnen und Christen im Irak – der grösste Teil davon chaldäische Katholiken –, nun sind es weniger als 300 000. Rund 300 chaldäische Familien hat es auf ihrer Flucht auch in die Schweiz verschlagen. Geflüchtete werden oftmals, um die Integration zu fördern, in verschiedenen Kantonen angesiedelt. Was integrationspolitisch nachvollziehbar ist, erschwert das Gemeindeleben jedoch sehr. Pater Naseem Asmaroo ist ein irakischer Priester des lateinischen wie auch chaldäischen Ritus. Als einziger chaldäischer Priester kümmert er sich um seine verstreute Gemeinde in der Schweiz. Er bereist die verschiedenen Kantone, um sie seelsorgerlich zu betreuen und mit ihnen in ihrem Ritus, in dem sich ein Dialekt des Aramäischen – der Sprache Jesu – bis heute erhalten hat, zu feiern. «Als kleine Minderheit im Irak wie auch in der Diaspora ist unser Glaube nicht bloss eine religiöse Haltung. Er ist unsere existenzielle Identität, unsere Kultur und Sprache, die uns anvertraute Tradition», beschreibt Pater Naseem die Bedeutung der Kirche für die Chaldäer in der Schweiz und auf der ganzen Welt.
Ein genuin orientalisches Christentum
Die Chaldäisch-katholische Kirche bildet den katholischen Zweig der apostolischen Kirche des Ostens und steht in voller Union mit Rom, pflegt jedoch ihre eigenen Riten, Sprachen und Traditionen. Wie alle Stränge der apostolischen Ostkirche sehen auch die Chaldäer in den Aposteln Thomas, Thaddäus und Bartholomäus ihre Gründer. Unter der Herrschaft der Sassaniden, dem letzten vorislamischen Perserreich, riss der Kontakt zu der lateinischen Kirche grösstenteils ab. Das Christentum im Sassanidenreich entwickelte daher ein spezifisch eigenes Gepräge in Kult, Spiritualität und Glaubensleben, das sich bis heute gehalten hat. Insbesondere die syrisch-aramäische Liturgiesprache wird hochgeachtet und stellt bis heute eine Verbindungslinie in die Ursprungszeit des Christentums dar, auch wenn heute Gottesdienste oft zweisprachig (aramäisch/arabisch) gefeiert werden. Der chaldäische Ritus hat sich abseits des Einflusses des griechischen Kulturkreises entwickelt und gehört zu den ältesten in den Ostkirchen. Im Gegensatz zu anderen Ostkirchen waren die Chaldäische und Assyrische jedoch nie Staatskirchen. Eine grosse Einfachheit und Direktheit hat sich durch diese spezifische Minderheitenrolle entwickelt, in der auch viele jüdische Motive erhalten geblieben sind. Der Messritus stellt eine klare, fortlaufende Bewegung der Gläubigen zu Gott hin dar. Christus als der «gute Hirte», der die Menschen zurück zu Gott führt, ist zentral in der chaldäischen Liturgie. In der heiligen Messe wird diese kontinuierliche Prozession in die Einung mit dem Mysterium hinein vollzogen.
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