Gertrud von le Fort ist eine wichtige Stimme in diesem Kontext, sie repräsentiert das christliche Mitteleuropa in der Nachkriegszeit. Wichtig wäre es gerade heute, ihre «Hymnen an die Kirche» neu zu lesen und zu werten. Im Lepanto-Jahrbuch geschieht genau dies; zu lesen ist der komplette Inhalt einer Tagung, die im September 2022 bei München stattfand: «Gertrud von le Fort im Strahlungsfeld des französisch-deutschen Renouveau catholique».
Die einzelnen Vorträge dieser Tagung sind im Lepanto-Almanach in wesentlich erweiterter und wissenschaftlich vertiefter Form versammelt. Die Namen der Autoren haben Klang und Gewicht: Gudrun Trausmuth, Veit Neumann, Andreas Matena, Felix Hornstein, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz; grundlegend und breit angelegt ein Text aus der Feder von Christoph Fackelmann, dazu sehr anrührend Günter Scholdt über Widerstand und Angst bei Werner Bergengruen im Angesicht des Nationalsozialismus.
Äusserlich sehr bescheiden präsentiert sich das Jahrbuch. Doch es ist ein Orientierungszeichen für die wachsende Schar derer, die deutsche Geistesgeschichte nicht mit den Fragen nach Klimaklebern, Gendersternchen und Sondervermögen konnotieren und vermengen wollen. David Zöllners Eröffnung des Bandes setzt hier zum Beispiel ein starkes Zeichen: «Die trinitarische Ontologie als Ansatz zur Erneuerung des abendländischen Denkens» nennt er seinen Text. Allein für diese Überschrift hätte sich schon der ganze Band gelohnt.
Zöllner setzt fort: «In dem Geschehen der wechselseitigen Beeinflussung von Philosophie und Theologie stand die Trinität nicht nur thematisch im Zentrum – das Geschehen des Dialogs zwischen Vernunft und Offenbarung gewinnt selbst Anteil am trinitarischen Geschehen. Wenn sich ein Philosoph wie Jean Paul Sartre des atheistischen Existenzialismus bedient, folgt er damit einem Glaubenssatz, der die Antithese zur Existenz der Trinität Gottes darstellt. Damit aber erkennt er Gott in seiner Existenz an. Zöllner resümiert dementsprechend, «dass sich das europäische Denken bis in die Gegenwart hinein nicht ohne den Bezug auf die heilige Überlieferung des Christentums verstehen» lässt.
Neu in den Themenkanon aufgenommen ist die Rubrik «Werkstatt». Ausführlich darin die Texte Walthers von der Vogelweide, kommentiert von Christoph Fackelmann. Erwähnenswert ist auch ein sehr anrührender Gedichtzyklus von Christoph Pola, der unter das Motto «Dunkle Seelennacht» gestellt ist. Durchaus nützlich sind die Miszellen, unter «Umschau» sind sie zusammengefasst. Darin fällt die Diskussion von Begriffen wie «Technokratie», «Totalitarismus» und «Propaganda» auf – Till Kinzel mustert unter dem Oberbegriff «verfluchte Neuzeit» die jüngst erschienene «Geschichte des reaktionären Denkens» von Karl-Heinz Ott.
Insgesamt 602 überaus lesenswerte Seiten sind entstanden. Bei der Herstellung ist auf stilistische Klarheit und bescheidene Ausstattung geachtet worden. Entstanden ist ein broschiertes Buch, das sein grossartiges, geistig wie geistlich wirksames Potenzial in nobler, zurückhaltender und dankenswerterweise auch noch preisgünstiger Weise entfaltet. Und kaum ist dieser Almanach aufgeschlagen, beginnt das gewinnbringende Nachdenken. So sei dieses Werk als Lektüre für das ganze Jahr empfohlen.
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