Weltkirche

Der Vati­kan als Dau­er­gast bei der UNO

Seit 60 Jah­ren nimmt der Hei­lige Stuhl als Stän­di­ger Beob­ach­ter an Sit­zun­gen der Ver­ein­ten Natio­nen teil. Das Ver­hält­nis zur UNO ist nicht immer konfliktfrei.

«Nie wieder Krieg! Nie wieder Krieg!» Die erste Ansprache eines Papstes vor der UNO-Vollversammlung könnte aktueller kaum sein. Vor 60 Jahren erlangte der Vatikan Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. Einige Zeit später wandte sich Paul VI. (1963–1978) im UNO-Hauptquartier in New York mit seinem Friedensappell an die Mitgliedsländer und die Weltöffentlichkeit.

Der Beobachterstatus, den der Heilige Stuhl am 21. März 1964 beantragte, ermöglicht es ihm, eine ständige Beobachtermission beim UN-Hauptquartier und den Unterorganisationen zu unterhalten. Er hat Zugriff auf Dokumente und darf an den meisten Sitzungen teilnehmen. So kann er – auch im Hintergrund – diplomatisch auf UN-Mitglieder einwirken.

Der Beobachterstatus erspart es dem Vatikan unter anderem, über bewaffnete Blauhelm-Missionen zur Friedenssicherung mitzuentscheiden. Eine Mitgliedschaft wäre dem Vatikan kaum möglich, da die Lateranverträge aus dem Jahr 1929 ihm weitgehende Neutralität auferlegen.

Dass der Heilige Stuhl den Beobachterstatus anstrebte und damit die Legitimität der in den Nachkriegsjahren gegründeten UN anerkannte, war keineswegs selbstverständlich: Mit der Sowjetunion, eines der Gründungsmitglieder, verband die Katholische Kirche ein angespanntes Verhältnis.

Dennoch hatte der Heilige Stuhl bereits unter Pius XII. (1939–1958) einen Beobachterstatus bei einigen UN-Unterorganisationen, so bei der Welternährungsorganisation FAO und der UNESCO. Unter Johannes XXIII. (1958–1963) nahm der Vatikan erste Kontakte in den Ostblock auf.

Ein Anliegen von Konzilspapst Paul VI. (1963–1978) war es, «dem Heiligen Stuhl in der Staatengemeinschaft eine vernehmbare Stimme zu geben, und zwar nicht bloss als Staat unter anderen Staaten, sondern auch als eine humanitäre Grösse jenseits nationaler Kategorien», wie der Kirchenhistoriker Jörg Ernesti festhält.

Unter dem erfahrenen Diplomaten Paul VI. ersuchte der Vatikan am 21. März 1964 offiziell um den Status eines Ständigen Beobachters – mit Erfolg. Als der Papst am 4. Oktober 1965 in New York vor die Staats- und Regierungsspitzen der Welt trat, präsentierte er sich weniger als weltlicher denn als religiös-moralischer Führer.

Er stehe an der Spitze eines sehr kleinen Staates, sagte er. Und doch sei er das Oberhaupt von Abermillionen von Katholikinnen und Katholiken weltweit. Und: «Wir sind Träger einer Botschaft für die ganze Menschheit, und wir sind es nicht nur in unserem eigenen Namen oder in dem der Katholischen Kirche.» Die Kirche sei «Expertin für alles Menschliche».

Die päpstlichen Aussagen können so gedeutet werden, dass über den Heiligen Stuhl quasi die gesamte Katholische Kirche bei den Vereinten Nationen vertreten ist. Damit ist sie die einzige religiöse Gemeinschaft, die über einen derartigen Status verfügt. Zwar hat auch die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ) einen Beobachterstatus inne – allerdings nur als Organisation und nicht als Völkerrechtssubjekt.

Kritik an der einmaligen Konstruktion gab es in den 1990er-Jahren: Damals forderten einige Nichtregierungsorganisationen, dem Heiligen Stuhl seinen Beobachterstatus abzuerkennen, weil er nicht für Bürger, sondern für eine Religionsgemeinschaft spreche. Die Initiative blieb ohne Erfolg, die UN bestätigten den Beobachter-Status.

Immer wieder gerät der Vatikan mit UN-Einrichtungen aneinander, vor allem wenn es um Geburtenpolitik und Abtreibung geht. Auch das Thema Kindesmissbrauch ist ein heisses Eisen. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes kritisierte 2014 die schleppende Aufarbeitung von Missbrauch durch den Vatikan. Der wies den Bericht als Einmischung zurück.

Als Paul VI. 1965 der UNO-Vollversammlung die Worte «Nie wieder Krieg!» zurief, lebte die Welt im Kalten Krieg. In Deutschland starben Menschen an Mauer und Stacheldraht, die Angst vor einem Atomkrieg ging um. In dieser Stimmung trat der Papst vor die Regierenden der Welt und sagte Worte, die noch heute gelten: «Es ist der Friede, der Friede, der das Geschick der Völker und der ganzen Menschheit leiten muss.»


KNA/Redaktion


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