Symbolbild. (Bild: Cristian Gutiérrez LC/Unsplash)

Neuevangelisierung

Der Zöli­bat – ein Geschenk und eine Gnade

Die Ehe­lo­sig­keit resp. Jung­fräu­lich­keit sind seit den ers­ten Jahr­hun­der­ten bekannt und wur­den als Gabe Got­tes geschätzt. Im Ver­laufe der Zeit wurde der Zöli­bat für Pries­ter zur ver­bind­li­chen Regel. Eine Wert­schät­zung in einer Zeit wach­sen­der Kritik.

Aus der Bibel wissen wir, dass Jesus ehelos gelebt hat, denn er war in die Welt gekommen, um den Willen des Vaters zu tun (vgl. Joh 6,38) und das Reich Gottes zu verkünden. Um diesen Auftrag zu erfüllen, rief er die Jünger in seine engere Nachfolge. Sie waren während der drei Jahre seines öffentlichen Wirkens mit Jesus zusammen und lernten ihn und seine Botschaft immer besser verstehen.

«Das Fundament des geweihten Lebens im Evangelium ist in der besonderen Beziehung zu suchen, die Jesus während seines irdischen Daseins mit einigen seiner Jünger herstellte, indem er sie nicht nur einlud, das Reich Gottes im eigenen Leben anzunehmen, sondern ihr Leben in den Dienst dieses Anliegens zu stellen, alles zu verlassen und aus der Nähe seine Lebensform nachzuahmen» («Vita consecrata» 14).

Es ist diese persönliche Nachfolge, aus der heraus sich der Sinn des Zölibats erschliesst. Jesus selbst erklärte, dass nicht alle Menschen die freiwillige Ehelosigkeit verstehen können. «Denn manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen. Wer es erfassen kann, der fasse es» (Mt 19,12).

In der Bibel wird bereits der Stand der Witwen erwähnt, die bewusst ehelos leben (vgl. 1 Timotheus 5,5.9–10). Ebenso sind seit den ersten Jahrhunderten Gottgeweihte Jungfrauen, Eremiten und Mönche (Wüstenväter) bekannt. Diese besondere Nachfolge hat bis heute ihren Ursprung in der Initiative des Vaters: Es ist Gott selbst, der in diese Nachfolge ruft und die Kraft dazu verleiht. Die Keuschheit der Frauen und Männer ihrerseits «stellt einen Abglanz der grenzenlosen Liebe dar, die die drei göttlichen Personen in der geheimnisvollen Tiefe des trinitarischen Lebens verbindet; der Liebe, die von dem fleischgewordenen Wort bis zur Hingabe seines Lebens bezeugt wird; der Liebe, die vom Heiligen Geist ‹in unsere Herzen ausgegossen› wurde (Röm 5,5), die zu einer Antwort totaler Liebe zu Gott und zu den Brüdern und Schwestern anspornt» («Vita consecrata» 21).

Der Weg zum Zölibat
In den ersten Jahrhunderten waren die meisten Priester verheiratet, wenn es auch schon früh Kleriker gab, die unverheiratet blieben. Ab dem vierten Jahrhundert sind normative Quellen bekannt; so verboten mehrere Konzilien unverheirateten Männern, nach der Priesterweihe zu heiraten. Andere verlangten von verheirateten Priestern, enthaltsam zu leben. Das Zweite Laterankonzil im Jahr 1139 erklärte, dass bestehende Ehen von Klerikern ungültig sind und führte so den verpflichtenden Zölibat für Priester ein.
Die Ostkirchen kennen bereits seit dem 4. Jahrhundert das Verbot einer Eheschliessung für Priester nach der Weihe. Eine neue Heirat nach dem Tod der Frau ist nicht erlaubt. Für Bischöfe hingegen ist der Zölibat verbindlich, weswegen meistens Mönche zu Bischöfen berufen werden.
Seit dem Zweiten Vatikanum kennt die Katholische Kirche sogenannte «Ständige Diakone». Für sie gilt die gleiche Regelung wie für die Priester in den Ostkirchen: Sie dürfen vor der Weihe heiraten, danach nicht mehr. Wenn die Frau stirbt, ist keine neue Ehe erlaubt.

Priesterweihe als «character indelebilis»
Das Zweite Vatikanische Konzil diskutierte auch die Frage des Zölibats, der im Laufe der Jahrhunderte immer wieder bekämpft wurde, besonders während der Reformation. Die Konzilsväter erklärten, dass der Zölibat nicht vom Wesen des Priestertums selbst gefordert ist, wie die Praxis der frühesten Kirche und die Tradition der Ostkirchen zeige, aber er sei «ein Zeichen und zugleich ein Antrieb der Hirtenliebe und ein besonderer Quell geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt» («Presbyterorum ordinis» 16).

Der Zölibat sei in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen: «Durch die Jungfräulichkeit und die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen werden die Priester in neuer und vorzüglicher Weise Christus geweiht; sie hangen ihm leichter ungeteilten Herzens an, schenken sich freier in ihm und durch ihn dem Dienst für Gott und die Menschen, dienen ungehinderter seinem Reich und dem Werk der Wiedergeburt aus Gott und werden so noch mehr befähigt, die Vaterschaft in Christus tiefer zu verstehen.»

Das Amt des Priesters ist nicht mit der Wahl zum Pfarrer in der protestantischen Kirche gleichzusetzen. Der Protestantismus kennt kein Weihesakrament, kein Amtspriestertum. Das protestantische Pfarrerverständnis ist rein funktional. Kündigt der Pfarrer seine Anstellung, ist er kein Pfarrer mehr. Der Priester in der Katholischen Kirche hingegen empfängt durch die Weihe einen «character indelebilis», ein untilgbares Prägemal. Er ist und bleibt Priester, unabhängig von seiner konkreten Anstellung. Aus diesen Ausführungen wird klar, dass das Priesteramt kein «Beruf» ist, den man sich selbst wählt. Es ist immer eine Berufung und Gnade.
Marianne Schlosser, Professorin für Spiritualität in Wien, hat dies in ihrem Beitrag in der «Tagespost» so umschrieben: Im Neuen Testament gibt es nur einen Priester: den Herrn, Bräutigam und Haupt seiner Kirche. Das sakramentale Dienstamt existiert deshalb «nur in Abhängigkeit von dem einzigen Hohenpriester Christus, und lässt sich daher weder aus dem Priestertum des Alten Bundes herleiten noch aus anderen religionsgeschichtlichen Phänomenen zureichend erklären.»
Wer die Priesterweihe empfängt, wird befähigt, «den Herrn der Kirche zu ‹repräsentieren›, Christus als das bleibende Gegenüber zur Kirche in ihr sichtbar zu machen – in der Verkündigung, den Sakramenten und im selbstlosen Dienst am Heil.» Und Marianne Schlosser fasst zusammen: «Er hat nichts zu geben als das, was Christus gibt.» Diese Berufung fordert also den Priester als ganzen Menschen; er ist aufgerufen, Christus gleichförmig zu werden.

Es gilt in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass die Ehe nicht etwas ist, was man noch so «nebenbei lebt», sondern eine enge und ausschliessliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. «Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch» (Gen 2,24; vgl. Eph 5,31). Der Priester aber vertritt Christus als Haupt und Bräutigam gegenüber der bräutlichen Kirche. Die Ganzhingabe des geweihten Priesters entspricht dem Kreuzesopfer Christi zur Erlösung der Welt, das er in der Feier der Eucharistie gegenwärtig setzt.

Aufgrund dieser Ausführungen wird klar, warum auch ein möglicher Priestermangel keinen hinreichenden Grund darstellt, den Zölibat abzuschaffen. Nebenbei bemerkt ist der Priestermangel nichts Neues, er war schon für die Menschen von damals, zu Lebzeiten Christi eine grosse Herausforderung: Schon Jesus sagte angesichts der vielen Menschen, die müde und erschöpft waren wie Schafe, die keinen Hirten haben: «Die Ernte ist gross, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden» (Mt 9,37–38).

 

Priesteramtskandidaten versprechen den Zölibat nicht bei der Priesterweihe, sondern bereits bei der Diakonenweihe. («Bist du bereit, zum Zeichen der Hingabe an Christus, den Herrn, um des Himmelreiches willen ehelos zu leben und für immer deinem Vorsatz treu zu bleiben, in dieser Lebensform Gott und den Menschen zu dienen?», Versprechen bei der Diakonenweihe)


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Martin Meier-Schnüriger 07.10.2023 um 13:20
    Was interessanterweise noch nie thematisiert wurde: Wie stellen sich denn Befürworter der Abschaffung der Zölibatsverpflichtung diese Abschaffung konkret vor? Ich hege den starken Verdacht, dass die Weihe von so genannten "viri probati", also von verheirateten Männern, denen man das Priesteramt zutraut, nicht das ist, was sich diese Leute wirklich wünschen, sondern die viel weiter gehende Möglichkeit, dass auch schon geweihte Priester und Diakone noch heiraten dürfen.
    • user
      Hansjörg 08.10.2023 um 16:54
      Ja klar sollen bereits geweihte Priester heiraten können. Anglikanische Priester die mit Frau und Kindern in die kath. Kirche übertreten, dürfen ihren Priester Beruf weiterhin ausüben. Weshalb sollen nun nicht auch gestandene kath. Priester heiraten, eine Frau und Kinder haben können?
  • user
    Hansjörg 04.10.2023 um 11:42
    Der Basler Bischof Felix sagt, dass der Pflichtzölibat Männer, die beziehungsunfähig oder zumindest beziehungsgestört sind, anzieht.
    • user
      Martin Meier-Schnüriger 04.10.2023 um 14:59
      Weiss man, wie Bischof Felix zu dieser Aussage gekommen ist, wie er sie begründet? Im Zusammenhang mit dem Zölibat wurde schon vieles behauptet ...
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    Stefan Fleischer 04.10.2023 um 07:54
    Ich habe immer Mühe damit, wenn der Zölibat mit Ehelosigkeit gleichgesetzt wird. Ehelosigkeit schliesst - wie wir heute in grossem Stil erleben - das Ausleben der eigenen Sexualität nicht aus. Das solle auch bei den Ordensgelübden gelten. Früher wurde dort von Keuschheit gesprochen. Die standesgemässe Keuschheit ist zwar für alle Christen eine verpflichtende Tugend. Im Zölibats- oder Ordensgelübde wird diese ganz besonders feierlich - aus Liebe und zu Ehre Gottes - versprochen.