CNA Deutsch: Herr Mughal, warum werden in Pakistan Christen angegriffen?
Aftab Alexander Mughal: Pakistan ist ein islamisches Land, das am 14. August 1947 auf der Weltkarte erschien. Damals verliessen die britischen Herrscher den indischen Subkontinent. Sie teilten die Region in zwei unabhängige Staaten: Indien und Pakistan, das im Namen des Islam für die Muslime Südasiens gegründet wurde.
Es herrscht die allgemeine Auffassung, dass Pakistan ein islamisches Land ist und Muslime daher mehr Rechte haben als religiöse Minderheiten. Für sie sind Christen daher minderwertig und damit auch ihre Religion.
Ausserdem assoziieren sie Christen mit dem Westen, weil sie Christen sind. Sie glauben, dass Christen gegen den Islam sind und nicht Pakistan, sondern dem Westen gegenüber loyal sind.
Die pakistanische Verfassung und diskriminierende Gesetze verstärken diese Haltung. Zum Beispiel kann nach Artikel 41 (2) nur ein Muslim Präsident des Landes werden. Ein Christ könnte also niemals Premierminister, Gouverneur, Sprecher der Nationalversammlung oder Präsident des Senats werden.
Es gibt eine Reihe weiterer diskriminierender Artikel in der Verfassung, die einen «trickle-down»-Effekt haben.
Eines der grössten Probleme für Christen ist die Anwendung und der Missbrauch der umstrittenen Blasphemiegesetze. Diese Gesetze verschärfen gesellschaftliche Intoleranz und Verfolgung, wenn man sich der Blasphemie gegen den Islam, seinen Propheten, sein heiliges Buch und islamische Geistliche schuldig macht.
Blasphemiegesetze verbieten jegliche Äusserungen oder Handlungen gegen den Islam. Seit ihrer Einführung wurden diese Gesetze häufig gegen Christen missbraucht. Christen sind daher ständig bedroht. Eine falsche Anschuldigung gegen eine Person schafft eine schwierige Situation für die gesamte christliche Gemeinschaft in der Region. Der jüngste brutale Vorfall in Jaranwala ist ein Beispiel für diese kritische Situation gegenüber Christen. Am 16. August brannte ein Mob konservativer Muslime 22 Kirchen und über 100 christliche Häuser nieder, weil einige muslimische Männer angeblich zwei christliche Brüder der Blasphemie beschuldigt hatten.
Wie können (Blasphemie-)Gesetze und soziale Medien zu Gewalt führen?
Blasphemie ist ein kontroverses Thema, das zu Gewalt und Angst in der Gesellschaft führt. Im Jahr 2011 wurde ein prominenter muslimischer pakistanischer Politiker, Salman Taseer, Gouverneur der Provinz Punjab, von seinem eigenen Leibwächter ermordert, weil er sich für die Freilassung von Asia Bibi, einer armen christlichen Mutter, eingesetzt und öffentlich eine Änderung der Blasphemiegesetze gefordert hatte. Im Jahr 2012 wurde der christliche Politiker Shahbaz Bhatti, Minister für Minderheitenangelegenheiten, von den Taliban ermordet, weil er sich für die Abschaffung der Blasphemiegesetze eingesetzt hatte.
Die Blasphemiegesetze sind seit ihrer Einführung in das pakistanische Strafgesetzbuch häufig missbraucht worden. Jeder kann jeden beschuldigen, und die unteren Gerichte verlangen in der Regel keine Beweise für die Anschuldigungen.
Diese Gesetze wurden vom Militärdiktator General Zia-ul-Haq in den 1980er-Jahren eingeführt, um Pakistan zu einem streng islamischen Staat zu machen. Seitdem häufen sich die Fälle gegen Christen. Unabhängigen Quellen zufolge wurden mehr als 70 Menschen von Einzelpersonen oder dem Mob getötet.
Christliche Kirchen und Dörfer wurden allein aufgrund falscher Anschuldigungen niedergebrannt. Dies sind nur einige der wichtigsten Fälle von Angriffen auf Christen aufgrund angeblicher Blasphemievorwürfe.
- 1997: Im Dorf Shantinagar wurden 785 Häuser und 4 Kirchen zerstört.
- 2005: In Shangla Hill flohen fast 450 christliche Familien aus der Gegend.
- 2009: In Gojra wurden 60 Häuser und mehrere Kirchen niedergebrannt.
- 2013: In Joseph Colony, Lahore, wurden viele Kirchen und 100 Häuser niedergebrannt.
- 2014: In Kot Radha Kishan, Kasur, verbrannte ein Mob ein christliches Ehepaar bei lebendigem Leib.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Die jüngsten Ereignisse habe gezeigt, dass die westliche Presse nicht gross an deren Veröffentlichung interessiert ist, umso mehr schätze ich auf swiss cath darüber zu lesen.