Martin Meier (Bild: zVg)

Interview

«Die Rebel­lin Got­tes» – eine starke und mutige Frau

Vor eini­gen Jah­ren ver­fasste Mar­tin Meier die fik­tive Bio­gra­fie der Paula Duchêne, einer Frau, die nicht nur im Ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg kämpfte und in die India­ner­kriege ver­wi­ckelt wurde, son­dern auch ihren per­sön­li­chen Kampf aus­zu­tra­gen hatte. Im Gespräch mit «swiss​-cath​.ch» erzählt der Autor von die­sem span­nen­den Buch.

Mit «Die Rebellin Gottes» haben Sie ein beeindruckendes Werk geschaffen. Wie kamen Sie zur Idee für dieses Buch?
Einerseits schreibe ich sehr gern und hatte schon immer die Absicht, einmal etwas Grösseres zu verfassen. Andererseits interessiere ich mich seit meiner Kindheit für die Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges und habe auch mein Nebenfachstudium in Geschichte mit einem Thema zu diesem Krieg abgeschlossen. Hinzu kam, dass dieses Buch ein ganz persönliches sein sollte, eines, in das ich alles «verpacken» konnte, was in meinem Leben eine wichtige Rolle spielt. An erster Stelle steht da meine Verankerung in der Katholischen Kirche und somit meine Beziehung zu Jesus Christus.

Sie sagten einmal, dass die Hauptfigur Paula Duchêne eine «Wonder Woman» der anderen Art sei.
Vor einigen Jahren war der Film «Wonder Woman» ein Kassenschlager. Endlich spielt – ganz gendergerecht – eine Frau die Männer an die Wand. Und dabei verbreitet sie erst noch die sensationelle Botschaft, dass Liebe besser sei als Hass. Wer liebt sie nicht, die mit Wunderkräften ausgerüstete Amazone Diana, die sich – natürlich auf der «richtigen» Seite – in den Ersten Weltkrieg einmischt und die Soldaten der bösen Mittelmächte reihenweise ins Jenseits befördert?
Paula Duchêne kann es durchaus mit Diana aufnehmen. Auch mit ihr ist nicht gut Kirschen essen, wenn man sich dem Unrecht verschrieben hat. Das Gewehr beherrscht sie eben so gut wie die lateinische Sprache und, ja, sie setzt es auch gelegentlich ein, wenn es gilt, Unterdrückte gegen die Willkür von Mächtigen zu verteidigen.
Und doch sind es Kämpfe anderer Art, die sie hauptsächlich zu bestehen hat: der Kampf gegen die Versuchungen der Welt, des Stolzes und der Sinnlichkeit. Denn Paula Duchêne, die bildschöne, starke und intelligente Frau aus dem Süden der USA, ist keine Tochter des Zeus wie Diana, sondern ein Kind Gottes und eine treue Tochter der Katholischen Kirche.

Geben Sie unseren Leserinnen und Lesern einen ersten Einblick in die Handlung des Buches!
Gerne: Paula Duchêne wird am 25. März 1844 im (fiktiven) Städtchen Crossburg im Shenandoah Valley (Virginia) geboren und durchlebt dort in dieser fast heilen Welt eine schöne und erlebnisreiche Kinder- und Jugendzeit. Schon früh macht sich ihre ausserordentliche Intelligenz bemerkbar und ihr Bestreben, als Frau es den Männern gleichzutun. Ihr grosses Vorbild dabei ist die (damals noch nicht) heilige Jeanne d’Arc. Sie träumt davon, wie ihr Idol in einer silbernen Rüstung eine Armee ins Feld zu führen.
Ihre Begeisterung für tapfere Frauen zeitigt aber auch Gefahren: Sie verliebt sich in ihre Freundin Deirdre und muss sich zwischen dieser Liebe und der Liebe zu Gott entscheiden, denn beides – das hat ihr ihre Mutter erklärt – geht nicht. Schliesslich siegt ihr Glaube über das Verlangen des Herzens, aber gegen die diesbezügliche Versuchung wird sie zeitlebens kämpfen müssen.
Umso eifriger arbeitet sie nun an ihrer Bildung: Ihr Traum ist es, Lehrerin zu werden. Mit einem Trick gelingt es ihr, das an sich nur jungen Männern vorbehaltene College und sogar die Militärakademie im benachbarten Lexington zu besuchen. An beiden Schulen hält sie spielend mit ihren männlichen Kameraden mit, ja, übertrifft sie sogar. Ob Latein oder Gefechtsausbildung – für Paula ist nichts zu schwer!
Doch das sorglose und glückliche Leben ist nicht von ewiger Dauer: Der Konflikt zwischen den Nord- und den Südstaaten eskaliert und schlägt in Krieg um. Virginia, Paulas geliebte Heimat, kämpft auf Seiten des Südens. Obwohl sie eine Gegnerin der Sklaverei ist und sogar ein schwarzes Mädchen zu ihren besten Freundinnen zählt, steht sie unbeirrbar zu ihrem Heimatstaat. Zunächst engagiert sie sich im Dienst an den Kriegsverwundeten, doch als die Invasionstruppen der Nordstaaten bis nach Crossburg vordringen, organisiert sie im Rang eines Captains der konföderierten Armee die Verteidigung ihres Wohnortes. Nach anfänglichen Erfolgen muss sie kapitulieren und verlässt mit ihren Eltern Crossburg.

In Montana findet sie eine neue Heimat und gerät dort mitten in die Indianerkriege. Die Brutalität, mit der die Weissen gegen die Indianer vorgehen, empört sie und sie steht den Eingeborenen mit Rat und Tat zur Seite. Dabei lernt sie auch den grossen «Apostel der Sioux», den Schweizer Abt und Bischof Martin Marty, kennen.
Nach dem frühen Tod ihrer Eltern spürt sie mehr und mehr den Ruf Gottes zum Leben in einem Orden. Sie tritt bei den Herz-Jesu-Schwestern ein. Diese Ordensgemeinschaft betätigt sich in der Ausbildung von Mädchen, und so geht Paulas Wunsch, Lehrerin zu werden, in Erfüllung. Allerdings eckt sie auch dort an: Auf einer Aussenstation im tiefen Süden gerät sie in Konflikt mit der dortigen Oberin, einer fanatischen Nordstaatlerin, die die einheimische Bevölkerung gegen sich aufgebracht hat. Obwohl es Paula, nunmehr Schwester Maria Johanna, gelingt, einen Angriff des Ku-Klux-Klans auf das Kloster abzuwehren, wird sie hart bestraft. Erst als sie sich dafür einsetzt, einem hochbegabten schwarzen Mädchen den Besuch des Colleges zu ermöglichen, lässt sich die verbitterte Oberin versöhnen.
In der Folge arbeitet Sr. Johanna mit Eifer daran, die Folgen des Kriegs zu überwinden und einen neuen Süden aufzubauen, in dem Weisse und Schwarze friedlich und gleichberechtigt miteinander leben können. Dieses Unterfangen entfremdet sie aber vielen Südstaatlern, die nicht verstehen, warum die «Heldin von Crossburg» plötzlich die Seiten gewechselt hat, wie sie meinen. Wieder hat sie sich diverser Angriffe zu erwehren.

Sogar in der Kirche sind nicht alle von ihr begeistert: Als Oscaloogee, das Dorf, in dem ihr Kloster liegt, infolge eines Unwetters überschwemmt zu werden droht, zieht sie an der Spitze ihrer Mitschwestern – sie ist unterdessen Oberin geworden – in einer Prozession mit dem Allerheiligsten in der Monstranz den Sturmfluten entgegen. Das Wasser macht zwar kurz vor Oscaloogee Halt, aber sie wird in einen kirchenrechtlichen Prozess verwickelt. Trotz heftigster Anfeindungen seitens eines Prälaten übersteht sie den Prozess und wird freigesprochen.
Um der chronischen Ebbe in ihrer Klosterkasse ein Ende zu machen, geht sie auf Betteltouren, die sie durch die USA und bis nach Europa führen. Zahlreiche Krankenheilungen, die auf ihr Gebet hin erfolgt sind, haben ihren Ruf weithin verbreitet. Auch auf diesen Reisen erlebt sie allerlei; u. a. trifft sie auf Papst Pius X. und auf Kaiser Franz Josef.
Am 25. März 1924, ihrem 80. Geburtstag, stirbt sie in ihrem Kloster in Oscaloogee, betrauert von einer grossen Menschenmenge, von der viele nicht katholisch sind.

Paula Duchêne kommt an einem 25. März zur Welt und stirbt an einem 25. März. Sehen Sie Parallelen zwischen der Muttergottes und der «Rebellin Gottes»?
Nun, kein Mensch lässt sich mit der Muttergottes vergleichen. Paula hat durchaus ihre Ecken und Kanten und ist nicht fehlerfrei. Aber die Muttergottes spielt in ihrem Leben und für ihren Glauben eine wichtige Rolle. Die Tatsache, dass das kostbarste aller Geschöpfe Gottes eine Frau ist, macht Paula glücklich und stolz. Daneben hat das Datum eine symbolische Bedeutung: Das Hochfest «Verkündigung des Herrn» bedeutet den Anfang unserer Heilsgeschichte im engeren Sinn; Paulas persönliche Heilsgeschichte beginnt daher nicht zufällig an diesem Tag, sowohl was ihr irdisches Leben als auch was ihren Eintritt in die Ewigkeit angeht. Schliesslich erweise ich mit diesem Datum meinem eigenen Geburtsmonat und meiner Lieblingsjahreszeit die Reverenz.

Die Geschichte der «Rebellin Gottes» geht über mehr als 900 Seiten. Vermutlich trifft man beim Lesen noch auf weitere interessante Gestalten …?
Auf sehr viele! Einige habe ich schon erwähnt. Neben fiktiven Personen erscheinen im Roman immer wieder historische Persönlichkeiten, besonders die Protagonisten des Bürgerkriegs, wie etwa die Generäle Jackson und Lee aus dem Süden oder die Anführer der Sklavenbefreiungsbewegung aus dem Norden. Grosse Anführer der Ureinwohner wie Sitting Bull oder Crazy Horse treten auf. Bekannte, aber auch weniger bekannte Heilige werden im Kontext der Erzählung vorgestellt, so etwa Juan Diego, der Seher von Guadalupe in Mexiko, oder Kateri Tekakwita, die erste heiliggesprochene amerikanische Ureinwohnerin. Die heilige Jeanne d‘Arc greift sozusagen als Paulas Mentorin aus dem Jenseits aktiv ins Geschehen ein. Und wer ganz genau beim Lesen hinschaut, wird immer wieder auf versteckte Zitate aus Büchern, Liedern oder Filmen stossen. Unter anderem muss sich Paula einmal auf die Suche nach einem «Büro 146» machen, das wir – in anderem Zusammenhang – aus einem Chanson von Mani Matter kennen.

Erlebten Sie bei Ihren Recherchen zum Buch auch Überraschendes?
Allerdings: Die Erzählung führt den Leser ins Zentrum der katholischen Spiritualität, in die Anbetung Jesu im Allerheiligsten Sakrament des Altares und zur Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu. Dass die Protagonistin mit über 30 Jahren einem Orden beitritt, der sich dieser Verehrung besonders widmet, ist kein Zufall.
In diesem Punkt durfte ich eine Erfahrung machen, die mich in meinem Schaffen bestätigte: Dass die Titelheldin den Vornamen Paula trägt, ist Programm: Wie ihr Namenspatron, der heilige Apostel Paulus, ist sie dazu berufen, die Frohe Botschaft zu verkünden. Den Nachnamen Duchêne hatte ich ursprünglich mehr oder weniger zufällig gewählt. Als ich nun recherchierte, ob es einen weiblichen Orden gibt, der sowohl die Herz-Jesu-Verehrung pflegt als auch als Schulorden für Mädchen tätig ist, stiess ich auf die Kongregation vom Heiligsten Herzen Jesu (Societas Religiosarum Sanctissimi Cordis Jesu – RCSJ), die von der heiligen Madeleine Sophie Barat in Frankreich gegründet und von der heiligen Philippine Rose Duchesne(!) in die USA gebracht wurde. Ohne es zu wissen, hatte ich also meiner Hauptperson auch einen programmatischen Familiennamen verliehen, denn die Schreibweise Duchêne ist nur die moderne Variante für Duchesne.

Doch es kam noch «toller»: Als ich mit einer Anfrage an das Mutterhaus in St. Louis gelangte, antwortete mir eine Frau mit Namen Theresia Grass. Nun hatte ich aber einer guten Freundin und späteren Schwägerin von Paula den Namen Seraina Grass gegeben, deren Eltern aus Tarasp im Unterengadin stammten, wo der Name Grass geläufig ist. Ich fasste diese beiden «Zufälle» als einen Ansporn des Himmels auf, mein Buch nicht nur zu Ende zu schreiben, sondern es auch zu veröffentlichen.

Ist «Die Rebellin Gottes» eher eine (fiktive) Biografie, ein historischer Roman oder vielleicht gar eine äusserst unterhaltsame Katechese?
Eigentlich alles zugleich. Sie liest sich unter verschiedenen Gesichtspunkten und verbindet Unterhaltung mit Katechese. Es ging mir auch darum, brennende Fragen unserer Zeit in Form des historischen Romans zu behandeln. So hat sich Paula immer wieder damit auseinanderzusetzen, wie sie ihre geschlechtliche Orientierung mit dem Willen Gottes in Übereinstimmung bringen kann.

Haben Sie bereits eine neue Buchidee?
An Ideen fehlt es mir nicht. So würde ich gerne einen Roman schreiben, der zur Zeit des Sonderbundskriegs spielt. Dieser letzte Krieg auf Schweizer Boden weist viele Ähnlichkeiten mit dem US-Bürgerkrieg auf, jedenfalls was die Beweggründe anbelangt, die zu seinem Ausbruch führten. In Länge und Intensität hingegen lassen sich die beiden Konflikte nicht vergleichen: Im ganzen Sonderbundskrieg kamen etwa fünfzigmal weniger Menschen ums Leben als in einer einzigen der vielen grossen Schlachten in Amerika.
Aus aktuellem Anlass würde es mich auch reizen, den «Missbrauch mit dem Missbrauch» in der Kirche romanhaft darzustellen, etwa aus der Optik eines zu Unrecht des Missbrauchs bezichtigten Priesters, dessen wahrer «Fehler» darin besteht, die Lehre der Katholischen Kirche ernst zu nehmen.

Zurzeit arbeite ich jedoch an einer Untersuchung zur Frage, welche Beziehung der berühmte Berner Mundartautor Rudolf von Tavel, der vor 90 Jahren im Oktober 1934 starb, zur Katholischen Kirche hatte. Seine Romane und Erzählungen atmen die tiefe Verwurzelung ihres Schöpfers im christlichen Glauben. Als Berner Patrizier und Patriot ist von Tavel zwar Protestant, lässt aber hie und da seine Bewunderung für den katholischen Glauben aufblitzen, nicht zuletzt in seiner grossen Verehrung für den heiligen Bruder Klaus.
 


Martin Meier, Die Rebellin Gottes. United p.c. 2016.

Band 1: 524 Seiten, ISBN: 978-3-7103-2601-1

Band 2: 422 Seiten, ISBN: 978-3-7103-2626-4

Mehr Infos unter https://paulablog-1844.webnode.com


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

  • user
    Daniel Ric 08.03.2024 um 05:51
    Es ist ein grosser Segen für die Kirche, dass es Menschen wie Martin Meier gibt, die Ihre Talente nutzen, um Mitmenschen für das Reich Gottes zu gewinnen. Gerade in der Literatur ist es wichtig, nicht destruktive, sondern den Geist anregende und aufbauende Bücher zu schreiben. Mit "Die Rebellin Gottes" zeigt Herr Meier auf, dass der Mensch mithilfe Gottes kein Sklave seiner Leidenschaften ist, sondern als Vernunftwesen erkennen kann, dass nicht jede (vor allem auch sexuelle) Neigung zu seinem Heil führt. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Medien unaufhörlich das Gegenteil propagieren, sind solche literarische Werke von grosser Bedeutung. Sehr schön finde ich es, dass Herr Meier seine Beziehung zu Jesus Christus betont und erklärt, wie wichtig und zentral ihm diese ist. Und jeder, der Martin Meier kennt, weiss, dass dies keine leeren Worte sind, sondern ein authentisches Zeugnis seines Lebens. Wenn wir alle wieder erlernen würden, diese Beziehung zu Christus in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen, würde der Mensch in die Lage versetzt, in Literatur, Kunst und Musik wieder grossartige Werke zu schaffen und damit eine Neuevangelisierung einzuleiten.