Kardinal Robert Sarah (Bild: François-Régis Salefran/Wikimedia)

Neuevangelisierung

«Die Reli­gi­ons­frei­heit ist auch im Wes­ten bedroht»

Chris­ten im Wes­ten soll­ten die Reli­gi­ons­frei­heit und die Frei­heit der Reli­gi­ons­aus­übung nicht als selbst­ver­ständ­lich anse­hen, sagte Kar­di­nal Robert Sarah. «Die Bedro­hung der Reli­gi­ons­frei­heit hat viele For­men. Unzäh­lige Mär­ty­rer ster­ben wei­ter­hin für den Glau­ben auf der gan­zen Welt», sagte der 77-​jährige kürz­lich in einem Inter­view mit EWTN News.

«Es handelt sich oft nicht um eine offene Bedrohung oder um Hass auf den Glauben», fügte er hinzu, «sondern um eine «implizite Voreingenommenheit gegenüber dem Christentum.» In dem Interview verwies der guineische Kardinal auf das Buch Exodus, das von den zehn Plagen, dem Auszug der Hebräer und der Zerstörung Ägyptens erzählt. Diese Ereignisse hätten stattgefunden, «damit das Volk Gottes die Freiheit hat, ihn richtig zu verehren».

Die Liturgie muss immer heiliger und stiller werden
Kardinal Sarah sprach Anfang des Monats mit EWTN News über sein neuestes Buch «Katechismus des geistlichen Lebens», das im Oktober von EWTN Publishing auf Englisch veröffentlicht wurde. Eine deutschsprachige Ausgabe liegt derzeit nicht vor. Das siebte Buch des Kardinals ist eine eingehende Betrachtung über die sieben Sakramente der Katholischen Kirche und darüber, wie man im geistlichen Leben Fortschritte machen kann.

Eines der zentralen Themen des Buches ist die Bedeutung der Messe und der Eucharistie. «Wir sollen uns zur Heiligen Messe versammeln und unseren Herrn in der Eucharistie empfangen», sagte Kardinal Sarah in dem einstündigen Interview in Rom. Er kritisierte die, wie er es nannte, weit verbreitete Akzeptanz «drakonischer Einschränkungen» für den Besuch der Messe während der COVID-19-Pandemie. «Wir dürfen dies nicht vergessen: Die Eucharistie ist die Quelle und der Höhepunkt des christlichen Lebens», betonte er. «Anpassungen», fuhr er fort, «sind manchmal notwendig. Wir werden mit weiteren Pandemien und anderen Notfällen konfrontiert werden, und es wird eine Debatte darüber geben, wie man diese am besten im Zusammenhang mit der Feier der Eucharistie angeht. Das ist gut so. Die liberale Demokratie erfordert Debatten, aber dabei darf niemals die Bedeutung unserer Gottesverehrung vergessen oder vernachlässigt werden.

Die liberale Demokratie darf Gott nicht vergessen.»

Sarah sagte, sein Buch lege einen besonderen Schwerpunkt auf die Sakramente, das Gebet und das Kreuz. «Ein christliches Leben», sagte er, «muss auf drei Säulen gebaut sein: crux, hostia und virgo. Das Kreuz, die Hostie und die Jungfrau Maria.»
Als Präfekt des vatikanischen Amtes für den Gottesdienst habe er die Bedeutung der Liturgie als einen grossen und einzigartigen Moment erkannt, «um Gott von Angesicht zu Angesicht zu begegnen und von ihm als Kind Gottes und als wahrer Anbeter Gottes verwandelt zu werden.» «Die Liturgie», fügte er hinzu, «muss schön sein, sie muss heilig sein, und sie muss still sein.»

Er warnte davor, die Messe in ein «Spektakel» oder ein blosses Treffen von Freunden zu verwandeln und damit den Fokus von der Anbetung Gottes zu nehmen. «Ich möchte dazu ermutigen, dass die Liturgie immer heiliger, immer heiliger, immer stiller wird, denn Gott ist still, und wir begegnen Gott in der Stille, in der Anbetung», sagte er. «Ich denke, dass die Ausbildung des Gottesvolkes zur Liturgie sehr wichtig ist. Wir können den Menschen die Schönheit zeigen, ehrfürchtig zu sein und in der Liturgie zu schweigen, wodurch unsere Begegnung mit Christus vertieft wird.»

Sarah lobte auch die stille eucharistische Anbetung als eine Möglichkeit, Christus auf eine Weise zu begegnen, die «unser Leben wirklich verändern kann».

Die Kirche hat ein göttliches Ziel
«Wir leben alle so, als ob es Gott nicht gäbe. Überall herrscht Verwirrung.» Zu viele würden unser Leben, den eigentlichen Sinn unseres Lebens, auf absoluten Individualismus und das Streben nach flüchtigem Vergnügen reduzieren.
Die Christen sollten darauf mit einer Rückbesinnung auf die Grundlagen des Glaubens reagieren, sagte er. «Wir brauchen einen Rückzug aus der Welt, einen Rückzug in die Wüste, wo wir die Grundlagen neu erlernen können: den Monotheismus, die Offenbarung Jesu Christi, uns und Gott, sein Wort, unsere Sünde, unsere Abhängigkeit und unser Bedürfnis nach seiner Barmherzigkeit», sagte er. Gott führe uns durch seine Kirche und die Sakramente «in eine immer tiefere Beziehung zu ihm. Und wir alle haben das Bedürfnis, uns mit seiner tiefen Gabe, seiner Liebe, wieder vertraut zu machen.»

Der Glaube an die Realpräsenz Christi in der Eucharistie sei eine der Grundüberzeugungen der Kirche, ohne die sie «den Sinn ihrer Existenz» verliere. «Die Kirche ist keine soziale Organisation, die den Problemen der Migration oder der Armut begegnet», fuhr er fort.

«Die Kirche hat ein göttliches Ziel: die Welt zu retten.»

«Wenn Christus nicht in der Kirche wohnt, greifbar, sichtbar, sakramental, welche gute Nachricht haben wir dann der Welt zu bieten? Welchen Sinn hat die Evangelisierung?», fragte er. «Wenn die Christen vergessen, warum sie Christen sind, muss die Gemeinschaft untergehen. Sie vergessen das Evangelium und verlieren ihr Ziel aus den Augen.»

Die Einfachheit der Wüste
Kardinal Sarah sagte, der geistliche Kampf sei derselbe wie eh und je, auch wenn viele Bischöfe und Priester aufgehört hätten, die Katholiken an seine Realität zu erinnern. Unsere Waffe in diesem Krieg, erklärte er, ist das Wort Gottes. Es sei notwendig, «sich jeden Tag an Gott zu wenden, nicht nur um Trost inmitten weltlicher Widrigkeiten zu finden, sondern weil wir in diesem kosmischen Kampf ganz von ihm abhängig sind. Wir befinden uns alle im Krieg, ob wir es erkennen oder nicht. Es ist gut, dass wir uns alle dieser Tatsache bewusstwerden und uns jeden Tag vergewissern, dass wir auf der Seite Gottes kämpfen.»

Das Buch «Katechismus des geistlichen Lebens», so Sarah, soll eine Antwort auf die «Verwirrung dieser Tage, ausserhalb und sogar innerhalb der Kirche» sein. «Ich sah ein Bedürfnis nach einer Darstellung einiger Betrachtungen über unseren geistlichen Fortschritt in unserem geistlichen Leben: Fortschritt in unserer persönlichen und intimen Beziehung zu Jesus Christus.» Er fügte hinzu, dass er hoffe, sein Buch entspreche «einem tiefen Bedürfnis unserer Zeit».
«Jeder von uns muss sich ständig bemühen, Jesus Christus näher zu kommen, zu seinem Wort zurückzukehren und zur Einfachheit des Glaubens in seiner Selbstoffenbarung. Es ist die Einfachheit der Wüste, das Erkennen unserer Abhängigkeit von Gott und die Begegnung mit ihm und dem Geschenk seiner Liebe und seiner Gnade, durch die er uns zu sich selbst führt», sagte er. «Deshalb habe ich beschlossen, den 'Katechismus des geistlichen Lebens' zu schreiben.»

Originalbeitrag auf CNA Deutsch
 

Kardinal Robert Sarah war von November 2014 bis Februar 2021 Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Der Kardinal hatte dem Papst seinen Rücktritt eingereicht, als er im Juni 2020 75 Jahre alt wurde, wie es die kirchlichen Normen vorschreiben. Als Leiter der Liturgieabteilung war Sarah der ranghöchste afrikanische Prälat im Vatikan, wo er seit 2001 wichtige Ämter innehatte.


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  • user
    Johanna-Jessica OFS 29.11.2022 um 21:26
    Wenn wir beobachten, wie (nicht) präsent die Anteilnahme der Welt am Schicksal verfolgter Christen in der "Red Week" war, und wenn man dann parallel bei einem 08/15-Artikel einer Nachrichtenseite in der Kommentarspalte das Wort "Kirche" / "Katholik" / "Christ"/ "Fundi" geistig durch "Synagoge" / "Jude" ersetzt und einen dann bewusst wird, was da eigentlich für absolut hasserfüllte, blinde Hetze in der Gesellschaft da ist, dann denke ich, dass Kar­di­nal Robert Sarah, einmal mehr, mit seinen ehrlichen Worten nicht Unrecht hat.
    Es ist, als hätten die Menschen aus dem zweiten Weltkrieg nichts gelernt, was Diskriminierung betrifft. Es scheint, als wissen sie tatsächlich nicht, was sie da eigentlich tun!

    Genug dieser Zeiterscheinungen finden in der Bibel ja bereits deutliche Erwähnung und im Grunde sollten wir, bei allem Elend, das uns so entgegen schlägt, über diese Bestätigung jubeln... Auch, wenn es im Moment schwer fallen mag. (Glaubt mir, ich kenne es selbst nur zu gut, denn ich tue mich oft genug sehr schwer mit Unrecht.)
    Beten wir, dass wir dem Hass der Welt mit Gottes Beistand begegnen können.