Symboldbild. (Bild: Doctorxgc, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Kommentar

Die Sehn­sucht nach Rechtfertigung

Die Frage, wer und was geseg­net wer­den darf, ist ein media­les Haupt­thema der letz­ten Wochen. Die Ver­öf­fent­li­chung von «Fidu­cia supp­li­cans» ermög­licht es Pries­tern, Men­schen in irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen zu seg­nen. Aus­ge­schlos­sen blei­ben dabei Seg­nun­gen in Got­tes­diens­ten oder durch eine andere ritu­elle Form, die den Anschein erwe­cken, der Pries­ter segne die Sünde.

Das vatikanische Dokument betont, man halte weiterhin an der Sexualmoral der Kirche fest und wolle nur den Segensbegriff erweitern. In einer weiteren Erklärung sprach der Präfekt des «Dikasteriums für die Glaubenslehre», Kardinal Víctor Manuel Fernández, von kurzen Spontansegnungen, die nicht länger als 10 bis 15 Sekunden andauern sollen.

«Fiducia supplicans» hat sich bisher nicht als erhoffter Mittelweg entpuppt, bei dem alle kirchenpolitischen Lager zufriedengestellt werden. Vielmehr sehen glaubenstreue Katholikinnen und Katholiken die Gefahr einer zunehmenden Aushöhlung der Sexualmoral, währenddem Kritiker des Lehramts diesen Zweite-Klasse-Segen für Paare, die nicht in einer katholischen Ehe leben, als diskriminierend bezeichnen und sich eine gänzliche Umkrempelung der katholischen Sexualmoral erhoffen.

Beim Gedanken an diesen kurzen Segen, der als eine Erweiterung der Segenspraxis eingeführt werden soll, wurde ich an eine Szene aus einem meiner Lieblingsfilme erinnert. In «Rocky 2» fährt Rocky Balboa kurz vor dem Kampf um den Weltmeistertitel zu einem Priester. Draussen auf der Strasse stehend ruft er den Priester, der zugleich ans Fenster seiner Wohnung tritt und ihn auf Italienisch fragt, was Rocky wolle. Der von Sylvester Stallone verkörperte Boxer bittet um einen Segen für seine Gesundheit, den der Priester ihm unverzüglich erteilt. Die ganze ethische Diskussion rund um die Frage, ob es aus christlicher Sicht richtig ist, überhaupt in den Ring zu steigen und für Geld jemanden niederzuschlagen, blieb aussen vor. Niemand hätte wohl Sympathien für einen Geistlichen empfunden, der Rocky aus solchen ethischen Überlegungen heraus den Segen verweigert hätte. Das menschliche Leben ist komplex und nicht alle moralischen Entscheidungen folgen einer mathematischen Logik. Das ist der Grund, weshalb viele Traktate, die sich in jüngster Zeit aufgrund der im Text enthaltenen Widersprüche kritisch mit «Fiducia supplicans» auseinandergesetzt haben, eine geringe Breitenwirkung entfalteten.

Sträfliche Vernachlässigung heterosexueller Menschen in neuer Beziehung
Im Folgenden möchte ich über zwei Beobachtungen schreiben, die ich im Zusammenhang mit dem Diskurs rund um «Fiducia supplicans» bemerkenswert finde und die meines Erachtens in der hitzigen und polarisierenden Atmosphäre rund um dieses Schreiben zu wenig berücksichtigt werden.

Der erste Punkt betrifft die Zielgruppe, die von «Fiducia supplicans» betroffen ist. In den Medien wurde vor allem über die Segnung homosexueller Paare geschrieben. Auch die Schweizer Bischofskonferenz hat in ihrem Statement explizit gleichgeschlechtliche Paare erwähnt. Wenn wir den pastoralen Ansatz von Papst Franziskus ernst nehmen, dann muss gefragt werden, wo das Gros der Menschen liegt, die sich aus Sicht der Kirche in irregulären Situationen befinden. Der absolut überwiegende Teil besteht nicht aus gleichgeschlechtlichen Paaren, sondern aus heterosexuellen Menschen, die im Konkubinat leben oder in einer neuen Beziehung sind, nachdem die kirchlich geschlossene Ehe in die Brüche gegangen war.

Es scheint, als würden für unsere Schweizer Bischöfe all die jungen Paare, die nicht abstinent leben wollen, jedoch momentan keine kirchliche Heirat in Betracht ziehen, keine Rolle spielen. Ebenso unbedeutend scheinen die Menschen zu sein, die kirchlich geheiratet haben und nun in einer neuen Beziehung leben. Dass die letztere Gruppe, die um einiges grösser ist als diejenige der homosexuellen Paare, nun so vernachlässigt wird, ist besonders unverständlich. Nach «Amoris laetitia» haben viele Priester und Bischöfe den Entscheid des Papstes begrüsst, wiederverheiratete Geschiedene nicht völlig von den Sakramenten auszuschliessen, sondern die Einzelfälle genauer zu betrachten. Eigentlich hätte dies der Startschuss werden sollen für eine Pastoral, die sich jener Menschen annimmt, die an ihrer gescheiterten Ehe leiden. Der Konsens (auch derjenige mit den orthodoxen Mitchristen), dass eine nach einer gescheiterten Ehe eingegangene neue Beziehung, sofern diese Beständigkeit und Treue aufweist, positive Elemente beinhaltet, ist ungleich grösser als dies bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen der Fall ist. Die Tatsache, dass seit «Amoris laetitia» keinerlei Bemühungen stattfanden, Menschen, die sich aufgrund einer zerbrochenen Ehe von der Kirche entfernt haben, beizustehen und ihnen das mütterliche Gesicht der Kirche zu zeigen, und nun diese Gruppe ganz vergessen wird, zeugt vom desolaten Zustand der Schweizer Kirche. Es stellt daher eine Selbstlüge dar, wenn die Schweizer Bischofskonferenz um ihren Präsidenten Felix Gmür das Ideal einer offenen Kirche beschwört, währenddem die bisherigen Möglichkeiten, die der Heilige Vater den Bischöfen in die Hand gab, seit Jahren brach liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses neue vatikanische Dokument nun die Bistümer bewegt, den von Papst Franziskus gewünschten Gang an die Ränder der Gesellschaft zu wagen, ist verschwindend klein.

Die Realität sieht so aus, dass trotz der – vor allem in den Bistümern Basel und St. Gallen – sehr progressiven theologischen Ausrichtung die Zusammensetzung der Gläubigen in den Pfarreien vor allem aus gutbürgerlichen, älteren Schweizer Bürgern besteht. Die jungen Menschen, die dem Bild einer offenen und lebendigen Kirche entsprechen würden, gehen in die fremdsprachigen Missionen oder in andere katholische Gemeinschaften, die um einiges konservativer ausgerichtet sind als die Ortspfarreien. Das Verhalten vieler Schweizer Bischöfe scheitert daher nicht in erster Linie an ihrem Widerspruch zum Lehramt, sondern an der Empirie.

Die zweite Beobachtung knüpft an die erste an: Was treibt einige Bischöfe, Priester, Theologen und Laien an, so vehement für eine Änderung der kirchlichen Lehre einzutreten, wenn doch die bisherigen Erfahrungen wenig Hoffnung machen, dass dadurch eine andere, bessere Kirche entstünde? Was treibt Menschen an, von der Kirche eine Legitimierung ihrer Lebensverhältnisse zu fordern, wenn die gleichen Menschen ansonsten selten oder gar nie am kirchlichen Leben partizipieren? Meiner Meinung nach ist es die grosse Sehnsucht nach einer Rechtfertigung des Amtes, der gesellschaftlichen Position und der eigenen Lebensführung, welche das Handeln der Pressure-Groups und der meisten dem Zeitgeist hofierenden Schweizer Bischöfe erklärbar macht.
 


Umpolung der Gottesfrage
Bis in die Neuzeit hinein stand die Frage nach einem gottgefälligen Leben im Zentrum. Die Werke des Menschen mussten vor Gott Bestand haben. Diese Fragestellung wurde abgelöst durch die Theodizee, deren Ursprung zwar in der Antike liegt, die sich jedoch erst in den letzten vier Jahrhunderten mit zunehmender Intensität, ja Aggressivität des Denkens der Gesellschaft bemächtigte. Der Spiess wurde umgedreht. Nun musste sich nicht mehr der Mensch vor Gott, sondern Gott vor den Menschen rechtfertigen. Der zentrale, an Gott gerichtete Vorwurf dabei ist, dass das in der Welt bestehende Leid unvereinbar scheint mit der Existenz eines allmächtigen und guten Schöpfers der Welt. Wer mit Personen spricht, die Mühe mit dem Glauben haben oder diesen gänzlich ablehnen, stellt fest, dass die scheinbare Sinnlosigkeit vieler Missstände auf unserer Erde – Naturkatastrophen, Krankheiten, Kriege, Verbrechen usw. – der Hauptgrund für die innere Distanz zum Bild eines gütigen und liebenden Gottes ist.

Die christliche Antwort auf die Theodizee, welche die Existenz des Todes und des Leides mit der Ursünde erklärt und die ermutigt, das eigene Kreuz zu tragen, da dieses geduldige Tragen in der jetzigen Endlichkeit und der zukünftigen Ewigkeit zum Leben in Fülle führt, entfaltet immer weniger Wirkung. Der geistige Zustand unserer heutigen Gesellschaft gleicht einem Depressiven, der nur noch das Schlechte in seinem Leben sieht und dessen Augen nicht auf das Positive gelenkt werden können. Die katholische Weltsicht sieht hingegen das Böse nur als Mangel an Gutem und verzweifelt nicht an der Unvollkommenheit der Welt. Dieser katholische Optimismus, aus dem jede Lebensfreude entspringt, wurde in der Moderne durch die diabolische Stimme übertönt, die Gott aufgrund vieler irdischer Übel anklagt. Da die Vernunft, die in diesem Prozess Anklägerin und Richterin zugleich ist, nicht in der Lage ist, ein abschliessendes Urteil zu fällen, wird der Prozess beendet, indem die Existenz des Angeklagten geleugnet oder zumindest nicht für endgültig feststellbar erklärt wird. Hier – und nicht aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse, zunehmendem Wohlstand, einer fortschreitenden Individualisierung oder der jüngsten Missbrauchsfälle – liegt der Hauptgrund, weshalb mehr und mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren.

Es gibt zur Zeit wenig Hoffnung, das eindimensional verkürzte Vernunftsverständnis der Moderne von Gottes Unschuld zu überzeugen. In diesen schweren und unheilvollen Gedanken verstrickt, zweifelt der Mensch immer stärker an Gottes Allmacht und Liebe. Papst Franziskus macht immer wieder darauf aufmerksam, dass der Gläubige die Konfrontation mit dem Diabolischen – dem Durcheinanderbringer – vermeiden solle, da er dabei nur verlieren kann. Für unsere sich als aufgeklärt gebende Zivilisation klingen solche Worte archaisch, aber der Heilige Vater trifft mit diesen Gedanken den Nagel auf den Kopf. Die stolze Vernunft übersieht, dass sie im Gerichtsverfahren gegen Gott alles andere als autonom ist und sich die Gesetze selbst gibt, nach denen sie urteilt, sondern Handlangerin von «dem Geist wird, der stets verneint und für den alles wert ist, dass es zugrunde geht». Die einzige Möglichkeit, diesen Gerichtsprozess im Sinne des Glaubens zu beenden, besteht darin, aufzuzeigen, wie wenig Berechtigung das ganze Gerichtsverfahren hat.
Im Hinterfragen der Motive, die zu den derzeitigen Forderungen an die Kirche führen, ihre Moral so anzupassen, dass allen Lebensformen die gleiche Anerkennung zuteilwird, sehe ich eine Chance, die Sinnlosigkeit der Theodizee zu entlarven.

Das trügerische Glücksversprechen der Moderne
Während über das Mittelalter hinaus der Wunsch des Menschen im Vordergrund stand, sich vor Gott zu rechtfertigen, stellte die Neuzeit Gott auf die Anklagebank. Nun ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine neue Ära eingetreten, in der die Menschen das vehemente Bedürfnis zeigen, die Rechtfertigung für ihr Handeln nicht mehr durch Gott, sondern durch die Zustimmung legitimieren zu lassen. Anstatt die neu gewonnene Freiheit zu nutzen, zwängen sich die Individuen in ein viel engeres Korsett, indem sie permanent über der Frage brüten, ob und inwiefern ihre Tun und Lassen von der Gesellschaft goutiert oder nicht vielmehr abgestraft werden könnte. Diese Tendenz radikalisiert sich immer weiter bis zu den Zuständen, die heute auf den sozialen Medien zu beobachten sind. Junge Menschen verbringen mehr Zeit damit, ihr Leben virtuell auf Instagram und TikTok zur Schau zu stellen, als es real zu leben und zu geniessen. Die säkulare Gesellschaft ermöglicht es theoretisch zwar jedem Menschen, nach seiner Façon selig und glücklich zu werden, führt in der Praxis aber dazu, dass die meisten gleich denken, fühlen und handeln wollen wie das Gros der Gesellschaft. Das Hauptgebot der Massengesellschaft ist es, nicht aus der Reihe zu tanzen und in allem die Anerkennung des Kollektivs zu erheischen.

Es wäre die Aufgabe der Theologinnen und Theologen, den Menschen aufzuzeigen, dass diese Sehnsucht nach einer Rechtfertigung durch die Gesellschaft ein Ersatz für die Rechtfertigung ist, die von Gott stammt und nur von Gott kommen kann. Ein Ersatz, der immer nur ein Notbehelf ist und der dazu das Leben der Individuen um Vielfaches stärker einengt, als es die christliche Religion jemals tat. Genauso wie die Aufklärung die Gottesfrage zur Seite schob, indem sie postulierte, dass die Vernunft sich in Widersprüche begibt, wenn sie Gottes Existenz beweisen möchte, so ist es nun an den Theologen, die Widersprüche im Reden und Handeln der säkularen Gesellschaft zu demaskieren, um die Gottesfrage wieder in die Mitte des menschlichen Denkens zu rücken. Meine Hoffnung ist daher, dass der Diskurs zu «Fiducia supplicans» zur Erkenntnis führt, dass das Handeln des Menschen nicht die Autonomie besitzt, wie sie die Moderne vorgibt, sondern der Gutheissung einer höheren Instanz bedarf. Die Sehnsucht, das eigene Handeln vor Gott zu rechtfertigen, war nie das Produkt einer Angstmacherei der Kirche, sondern ist im Menschen selbst zutiefst angelegt – wie so viele für die Vernunft des Menschen nicht nachvollziehbare Eigenheiten der conditio humana. Es ist daher an der Zeit, die Anklage gegen Gott fallen zu lassen und Gott wieder den Platz einzuräumen, der ihm als Schöpfer und Erlöser der Welt zusteht.


Daniel Ric


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    Stefan Fleischer 04.02.2024 um 06:01
    @ Hansjörg
    Gott hat z.B. auch mir die Freude an den "Rosen in Nachbars Garten" geschenkt, aber nich die Erlaubnis, diese zu pflücken.
  • user
    Michael 03.02.2024 um 04:36
    Sehr geehrter Herr Ric,
    Gratulation und Dank zu diesem treffenden Artikel.
    „Gott, Du mein Gott, Dich suche ich; meine Seele dürstet nach Dir.“ (Ps 63,2)
  • user
    Hansjörg 02.02.2024 um 21:15
    "Menschen, die sich aus Sicht der Kirche in irregulären Situationen befinden." Dieser Satz umschreibt die harten Regeln des Katechismus doch sehr beschönigend.
    Weshalb getraut sich den niemand den original Wortlaut des Katechismus beizuziehen?

    Junge oder ältere Menschen die im Konkubinat leben und wohl auch Sex haben, werden dort wie folgt beschrieben:
    "2353 Unzucht ist die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind."

    Wenn zwei Geschiedene eine neue Liebe gefunden haben, werden sie gemäss den Regeln des Katechismus als permanente Ehebrecher gebrandmarkt.
    "2384 Der Ehepartner, der sich wieder verheiratet hat, befindet sich dann in einem dauernden, öffentlichen Ehebruch."

    Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen wie weit die Sexuallehre der kath. Kirche neben dem heutigen Leben steht. So weit daneben, dass sich auch konservative Textverfasser nicht mehr getrauen die Dinge beim Namen zu nennen. Aber auch soweit, dass die Regeln den normalen, jungen Katholikinnen und Katholiken egal sind.
    • user
      Stefan Fleischer 03.02.2024 um 07:33
      Ich verstehe nicht ganz.
      Wollen Sie sagen, dass Sex eben heute ein allgemein gültiges Menschenrecht und deshalb die entsprechende Morallehre der Kirche dringend abzuschaffen sei? Oder sind Sie der Ansicht, dass diese Artikel des KKK klar und unmissverständlich die gültige Lehre der Kirche, d.h. den Willen Gottes, wiedergeben, und deshalb zu verkünden wären, ob man sie hören will oder nicht? (vgl 2.Tim 4,2)
      • user
        Hansjörg 03.02.2024 um 11:53
        Ich stimme Ihrem ersten Satz zu 100% zu und will sagen, dass sich die Kirche nicht in das Sexualleben der Menschen einmischen soll. Zudem sind diese, und einige weitere Regeln zur Sexuallehre, in der heutigen Zeit nur noch lachhaft.
        Ich glaube auch nicht, dass im Katechismus der Wille Gottes widergegeben wird, sondern der Wille von Kirchenfürsten aus dem Mittelalter.
        • user
          Daniel Ric 03.02.2024 um 12:27
          Lieber Hansjörg, ich gehe davon aus, dass Sie ein grundsätzliches Problem mit der katholischen Kirche haben. In meinem Artikel versuchte ich aufzuzeigen, dass es eine Illusion darstellt, ohne irgendwelche Bindungen und Normen leben zu wollen. Der Mensch ist auf der Suche nach einer Bestätigung seiner Lebensweise. Kommt diese nicht von Gott, sucht er sie woanders. Wenn Sie schreiben, die Kirche solle sich aus dem Sexleben der Menschen heraushalten, so muss ihnen doch klar sein, dass das Vakuum, welches die Kirche durch ihren Rückzug in diesen moralischen Fragen hinterlässt, von anderen Institutionen gefüllt wird. Sie müssen doch anerkennen, dass die sexuelle Libertinage, die jahrzehntelang gepredigt wurde, ihre grossen Schattenseiten hat und einhergeht mit grossen gesellschaftlichen Problemen. Es kann nicht ignoriert werden, dass sehr viele Kinder und Jugendliche darunter leiden, dass die Familien nicht mehr die Beständigkeit aufweisen, wie dies früher der Fall war. Zudem kann auch nicht geleugnet werden, dass die sexuelle Libertinage in das andere Extrem geschlagen ist und heute eher eine Lust- und Sinnesfeindlichkeit dominierend ist. Wenn ich davon schreibe, dass Jugendliche heute mehr Zeit damit verbringen, auf den sozialen Medien ihr Leben zur Schau zu stellen, als es tatsächlich zu leben, dann ist dies ein Symptom dieser Sinnesfeindlichkeit. Daher bitte ich Sie, kritisch zu hinterfragen, ob Ihre Kritik an der Kirche gerechtfertigt ist.
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            Hansjörg 03.02.2024 um 15:07
            Trotz vieler Worte werden in der kath. Kirche junge Leute die im Konkubinat leben der Unzucht verurteilt und Geschiedene, die eine neue Liebe gefunden haben als permanente Ehebrecher gebrandmarkt.
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          Stefan Fleischer 03.02.2024 um 13:02
          Das ist mein Problem. Wer sagt mir, dass die Lehre unsere Kirche in unserer Zeit falsch liegt, während sie über Jahrhunderte hinweg behauptete, diese sei für alle Zeiten gültig und für uns Katholiken verbindlich. Diese zu glauben und entsprechend zu leben gehöre zu jenem Versprechen, das meine Paten für mich in der Taufe und ich selbst bei meiner Firmung vor Gott und den Menschen abgelegt habe. Wäre der Bruch meines Firmversprechens für mich sogar nicht noch schwerwiegender als ein noch so schweres Versagen im sexuellen Bereich, sexueller Missbrauch von Minderjährigen eingeschlossen?
          Und andererseits, wie könnte unsere Kirche weiterhin in ihren offiziellen Verlautbarungen an einer Lehre festhalten, wenn sie nicht glauben, nicht davon überzeugt wäre? Wäre das nicht ein krasser Betrug an der Gläubigen?
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      Martin Meier-Schnüriger 03.02.2024 um 14:42
      Und wenn nun diese, wie Sie sagen, veraltete Moral der katholischen Kirche dem Willen Gottes entspräche? Was dann, lieber Hansjörg? Haben Sie diese Möglichkeit nie in Erwägung gezogen? Gott ist an keine demokratischen Mehrheiten gebunden, und Jesus spricht vom steilen Weg und der engen Pforte, die ins Himmelreich führen. Den Fünfer (Spass ohne Grenzen und ohne Rücksicht hier auf der Erde) und das Weggli (ewiges Glück im Himmel) gibt es nun mal nicht.
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        Hansjörg 03.02.2024 um 21:04
        Ich denke, dass diese veraltete Moral nicht von Gott kommt, sondern von Kirchenverantwortlichen aus dem Mittelalter. Gott hat wohl den Menschen ihre Sexualität und die Freude an der Sexualität geschenkt.
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    Stefan Fleischer 02.02.2024 um 14:29
    Ja. Entweder wir stellen wieder Gott und seinen Heiligen Willen (der immer nur das Beste für uns will) ins Zentrum von allem, oder wir überlassen dieses Zentrum immer mehr dem Menschen und seinem begrenzten, egozentrisch orientierten Verstand. Oder anders ausgedrückt, entweder wir suchen Gottes Gerechtigkeit und SEIN Reich, oder wir glauben SELBST eine heile WELT des Menschen bauen zu können, was immer eine Illusion bleiben wird. je nachdem wird uns alles andere dazu gegeben werden, oder dann genommen, was wir noch haben.