Pieter Bruegel der Ältere, Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel, nach 1570, Statens Museum for Kunst in Kopenhagen.

Kommentar

Die Tem­pel­rei­ni­gung als per­sön­li­ches Ereignis

Im Johan­nes­evan­ge­lium fin­den wir die Schil­de­rung von Jesu Tem­pel­rei­ni­gung (Joh 2,13 – 22).

«Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort sassen. Er machte eine Geissel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus und ihre Tische stiess er um. Zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!»

Pilger, die damals nach Jerusalem hinaufzogen, wussten, dass an solch hohen Festtagen die römische Besatzungsarmee verstärkt vor Ort war und alles beobachtete. Denn immer wurde mit einem Aufstand gerechnet und dieser musste schon im Keim erstickt werden.
Hätte Jesus einen grösseren Tumult verursacht, wäre die römische Armee sofort zur Stelle gewesen und hätte eingegriffen. Er hat jedoch alleine gehandelt und seine Begleiter blieben ruhig. Seine «Waffe» war «eine Geissel aus Stricken». Es entstand eventuell materieller Schaden, aber es wurde kein Mensch dabei verletzt.

Deshalb die Frage: Könnte es sich auch um eine symbolische Aktion handeln? Es ist die einzige Szene im Evangelium, in der man Jesus gewalttätig sieht. Der Zorn packt ihn. Er schreit: «Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!»

Später wird Paulus darauf hinweisen, dass jeder Mensch ein «Tempel Gottes ist (1 Kor 6,19–20).
«Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!»

Gilt also für unseren menschlichen Leib, der als «Tempel Gottes» beschrieben wird, das Gleiche? Und wenn ja, inwiefern? Aber lesen wir vorerst weiter.

«... Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?»

Johannes, auch ein Jude, begriff sofort, dass es sich um ein Tun Jesu handelte, das eines «Zeichens» bedarf und weist im Text direkt darauf hin. Im nachfolgenden Satz erfahren wir, auf welches zukünftige Geschehen diese Tat hinweist: Auf seinen Tod und seine Auferstehung von den Toten.

«Jesus antwortete ihnen: Reisst diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. ... Er (aber) meinte den Tempel seines Leibes.»

Hatte man am Anfang dieser Handlung noch vermuten können, dass es sich um den Beginn einer weltlichen «Revolution» handeln könnte, so sagt uns Johannes hier, dass es sich tatsächlich um den Beginn einer «Revolution» handelte, diese aber von göttlicher Natur ist und in der Überwindung des körperlichen Todes besteht.

Diese Überwindung des körperlichen Todes, die mit einer konkreten «Tempelreinigung» Jesu beginnt, schafft die Voraussetzung für unsere eigene Auferstehung in Christus. Auch sie muss, unweigerlich, mit der «Tempelreinigung» des eigenen Leibes beginnen. Er ist zu heilig geschaffen worden, um daraus eine Markthalle zu machen.

Folgender Text passt, wie ich meine, zu diesem Thema.

Die Tempelreinigung
Mein Herr, du sagtest, dass geschrieben steht: Ihr seid Götter.

Und dein Apostel sagt, dass mein Leib: Ein Tempel Gottes sei.

O Herr, wie kann ich vor dir bestehen?

Lass mich pilgern zu deiner Opferstätte,
damit du meinen Tempel niederreissen
und in drei Tagen wieder aufbauen kannst.

Am ersten Tag
wirst du mich eintreten lassen in den Vorhof des Tempels.

Die Tempelsteuer ist von dir bezahlt.
Lass mich dort die Worte wiederholen,
die du mir von Anfang an ins Herz geschrieben hast.

Dann lass dich von mir betroffen machen.

Mach eine Geissel aus Stricken
und treibe alles aus meiner Räuberhöhle raus,
was dir darin nicht gefällt.

Am zweiten Tag
wirst du mich eintreten lassen in das Heilige des Tempels.

Die Diener sind von dir bestellt.
Lass mich dort die Worte verstehen,
die du mir von Anfang an ins Herz geschrieben hast.

Dann lass mich von dir betroffen machen.

Die Priester werden mich zubereiten,
wie einst die Opferlämmer.
Es wird verbrannt, was unnütz ist.

Am dritten Tag
wirst du mich eintreten lassen in das Allerheiligste des Tempels.

Das Paschamahl ist schon zubereitet.
Lass mich dort die Worte lieben,
die du mir von Anfang an ins Herz geschrieben hast.

Dann entzünde dein Licht in mir.

Meine Lampe wird brennen,
und wir werden Mahl halten.
Du mit mir und ich mit dir.

Eine Analyse des Textes
Die ersten drei Zeilen des Textes drücken das Staunen der Seele über ihren Schöpfer aus, der sie nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Sie fühlt sich klein und hilflos angesichts ihres Zustandes.

In den nächsten drei Zeilen spricht sie die Bitte aus, dass ihr Herr und Gott sich ihrer annehmen möge.

Dann folgt die Reinigung und Umwandlung der Seele, die im symbolischen Zeitraum von «drei Tagen» in «drei Räumen» beschrieben wird.

Ihre Seele muss am «ersten Tag» im «Vorhof des Tempels» vorbereitet werden. Sie wiederholt die Worte, die sie in ihrem Inneren vernimmt und hofft, dass ihr Herr und Meister sie hört und reinigt. Man kann dies auch Beten nennen.

Am «zweiten Tag» betritt sie «das Heilige des Tempels». Sie bittet darum, dass sie die Worte, die sie immer wieder wiederholt hatte, verstehen lernt und so zur Nachfolge ihres Herrn und Bräutigams tauglich wird. Man kann dies Kontemplation nennen.

Am «dritten Tag» darf sie in das «Allerheiligste des Tempels» einziehen. Die wiederholten, nunmehr verstandenen Worte, bewirken in ihrer Seele, dass sie von der Liebe entzündet, diese Worte lieben lernt und das gemeinsame Mahl mit ihrem Herrn und König geniessen kann.

Die heilige Edith Stein sprach in einem solchen Moment, als sie das Erlebnis des Ergriffenwerdens vom Herrn hatte: «Wie schön ist es, an der Hand des Herrn zu gehen.» Ihr Weg führte ins Konzentrationslager, wo sie als konvertierte Jüdin und Karmeliterin starb. 1999 wurde sie zusammen mit der Heiligen Birgitta von Schweden und der Heiligen Katharina von Siena zur Patronin Europas erklärt.

Das Ergriffensein von unserem Herrn und Gott Jesus Christus bewirkt, dass der Mensch erfährt, was wirkliche Freiheit ist.
Die persönliche «Tempelreinigung» ist deren Voraussetzung.
 

Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.


Magdalena Veletta


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