Kommentar

Eid­ge­nös­si­sche Wah­len: kath​.ch & Co. heil­los überfordert

Ideo­lo­gi­sche Scheu­klap­pen und Zeit­druck der moder­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie kön­nen den Blick auf die Rea­li­tä­ten zuwei­len ganz gehö­rig ver­ne­beln. Begin­nen wir mit Letz­te­rem. Aus­ge­rech­net die frü­her ebenso seriöse wie bedäch­tige NZZ preschte vor: Weni­ger als eine halbe Stunde nach Schlies­sung der Wahl­lo­kale war­tete die NZZ als erste Zei­tung mit einer Pro­gnose auf: Die SVP lege sechs Pro­zente zu und über­steige damit die his­to­ri­sche Marke von 30 Pro­zent. Am Schluss waren es dann «ledig­lich» 2,9 Pro­zent – ergibt ein Total von 28,55 Prozent.

Als sich am Sonntagabend das Prognose-Debakel immer mehr abzeichnete, räumte die NZZ mit dem ihr eigenen Understatement ein: «Es wäre mehr Vorsicht geboten gewesen» und flüchtete sich sogleich in ein Ablenkungsmanöver: «Auch wenn die Prognose für die SVP um 12.20 Uhr noch weit vom Resultat entfernt war, so waren die Schätzwerte für die übrigen Parteien jedoch ähnlich nahe am Schlussresultat.»

Ganz bös erwischte es die Konkurrenz, die Zeitungen der Tamedia. Dieser gefrässige Medienkonzern hat reihenweise die leidige Konkurrenz wie «Der Bund», «Berner Zeitung» und «Basler Zeitung», v. a. auch die Landzeitungen im Grossraum Zürich aufgekauft, so das Winterthurer-Aushängeschild «Der Landbote». Dieser hielt im Lead zum Hauptartikel auf der Frontseite fest: «Damit (sc. dem Wahlsieg der SVP) wird das Parlament zwar bürgerlicher, ein Rechtsrutsch hat aber nicht stattgefunden.» Fatal nur, dass der «Landbote» gemäss konzerninternen Vorgaben verpflichtet ist, den Grossteil seiner Seiten mit Beiträgen der Tages-Anzeiger-Zentralredaktion zu füllen. Diese diktierte auf Seite 2 eben dieses «Landboten» gleich ein Dementi: «Ein Rechtsrutsch, ein Pol in der Mitte und ganz viele Aufträge.»

Ideologische Scheuklappen
Zurück zu den ideologischen Scheuklappen. Diese Panzerung hat sich Charles Martig, Redaktionsleiter von «kath.ch», übergestülpt. In seinem Beitrag «SVP gewinnt Wahlen haushoch: Kirche muss jetzt aufwachen und für Migranten einstehen» profilierte er sich als Realitätsverweigerer und Scheinheiliger in Personalunion. Ausgerechnet der links-progressive Rägebögeler-Katholik Martig spielt ungefragt den Anwalt der Migranten der Katholischen Kirche und deren Schutzpatron gegen die fremdenfeindliche, hetzerische Politik der SVP. Mit Verlaub: Der Schreibende gehört keiner Partei an und erlaubt sich – der schweizerischen Demokratie sei Dank – jeweils regelmässig aus den verschiedenen Parteilisten ein à la carte-Menu zusammenzustellen und nimmt für sich in Anspruch, so unvoreingenommen wie möglich die vorliegende Thematik abzuhandeln. In diesem Sinne kann festgehalten werden: Die zu Recht oder zu Unrecht betriebene Ausländerpolitik der SVP richtet sich gegen oft straffällig gewordene Migranten aus arabischen Ländern, aus der Türkei oder dem Balkan, also exakt gegen Personen, die in aller Regel nicht der Katholischen Kirche angehören. Grotesk ist es, wenn Charles Martig den SVP-Wählern unter den Katholiken Aversionen gegenüber Glaubensangehörigen mit Migrationshintergrund andichtet. Letztere stammen in ihrer grossen Mehrheit aus lateinischen Kulturen wie Italien, Spanien und Portugal, deren Integration und Akzeptanz in Kirche und Gesellschaft parteiübergreifend unbestritten sind.

Ausgesprochen scheinheilig ist zudem Martigs Migranten-Lobbying angesichts der Tatsache, dass exakt die ihm nahestehenden Kreise den Migrantinnen und Migranten das Leben in der Katholischen Kirche oft schwer machen. Gerade weil sie einem klassisch-traditionellen Kirchenverständnis verpflichtet sind, werden nicht zuletzt ihre Priester von staatskirchlichen Gremien immer wieder drangsaliert und ausgegrenzt. Der Konflikt in der Pfarrei Felix und Regula in Zürich mit der portugiesischen Community ist, um nur ein Beispiel zu nennen, immer noch in böser Erinnerung.

Der künstlich aufgebauschte Alarmismus des Charles Martig («Sonst knallt es in Zukunft in der Kirche und im Schweizerland») ist auch deshalb völlig fehl am Platz, weil nüchtern betrachtet die jüngsten eidgenössischen Wahlen lediglich den «grünen Ausreisser» anno 2019 wieder in gut schweizerisch gemässigte Bahnen gelenkt haben. Selbst dem Wahlsieger SVP gelang es nicht, das Rekordergebnis von 2015 zu wiederholen.

Es dürfte «kath.ch»-Martig gewaltig wurmen, dass ausgerechnet der «Blick» genau diese Auffassung teilt. Die Politchefin Sermin Faki titelt in der Montagsausgabe auf der Frontseite: «Jetzt ist die Schweiz wieder normal» und hinzufügt: «Das Land zeigt sich nach diesen Wahlen als Hort der Stabilität, als Fels in der Brandung.» Fragt sich nur, ob und wann auch Charles Martig zur Normalität findet. Eher unwahrscheinlich, doch das Prinzip «Hoffnung wider alle Hoffnung» ist ja immerhin ein urchristliches Prinzip.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Claudio Tessari 26.10.2023 um 09:48

    kath.ch schreibt: Wir müssen in der Kirche über die Migrationspolitik streiten, sonst knallt es in Zukunft in der Kirche und im Schweizerland. Wer SVP wählt und katholisch ist, lebt in einem Widerspruch. Und dieser Widerspruch wird immer grösser. Zitat Ende.


    Doch ist das wirklich so? Jeder Katholik ist verpflichtet zu wählen. Papst Pius XII schreibt am 17. Oktober 1951 folgendes: Jeder hat nach seinem Gewissen abzustimmen. Das Wahlrecht ist eine strenge Pflicht für alle Männer wie Frauen, die das Recht dazu haben, sich an den Wahlen zu beteiligen. Wer sich dessen enthält, insbesondere aus Gleichgültigkeit oder Feigheit, begeht an sich eine schwere Sünde. Zitat Ende. Es gibt einige Kriterien wie man abstimmen soll. Die zwei wichtigsten sind sicherlich: Für das Leben und für die natürliche Familie. Da wir aktuell keine katholische Partei haben, ist das nicht ganz einfach für die Katholiken. Wie geht man also vor. Die Kirche hat zum Beispiel den Sozialismus und Liberalismus so wie den Atheismus verurteilt. Also schaut man sich mal die Parteiprogramme an, oder für welche Werte die Parteien stehen. Und dann wählt man das geringste Übel. Zur SVP. Natürlich ist die katholische Kirche, eine Migranten Kirche, aber eben es sind katholische Migranten. Die SVP ist ja nicht gegen Ausländer allgemein, sondern gegen die kriminellen Ausländer, welche zum grössten Teil nicht den christlichen Glauben haben. Im Katechismus lesen wir bei 2241: Die politischen Autoritäten dürfen im Hinblick auf das Gemeinwohl, für das sie verantwortlich sind, die Ausübung des Einwanderungsrechtes verschiedenen gesetzlichen Bedingungen unterstellen und verlangen, dass die Einwanderer ihren Verpflichtungen gegenüber dem Gastland nachkommen. Der Einwanderer ist verpflichtet, das materielle und geistige Erbe seines Gastlandes dankbar zu achten, dessen Gesetzen zu gehorchen und die Lasten mitzutragen. Was die SVP macht, ist im Grunde genau das, was die Katholische Kirche lehrt. Wenn man in die europäischen Städte schaut, dort wo es eine grosse Zahl an Migranten aus dem arabischen und afrikanischen Raum hat, sieht man auch, dass genau dieses Gemeinwohl in Gefahr ist. Von daher sehe ich kein Problem, wenn ein Katholik die SVP wählt oder eine andere rechte konservative Partei. Ich sehe viel ein grösseres Problem, wenn er grün oder sozialistisch wählt, und dadurch atheistische Ideologien fördert wie z.B. die Gender Ideologie, die Abtreibung oder die Homoehe.

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      Hansjörg 27.10.2023 um 13:51
      Es wird ja immer lustiger. Nicht nur, wer die Sexuallehre der kath. Kirche nicht so genau einhält, sondern auch wer sich nicht an den Wahlen beteiligt, begeht eine schwere Sünde.
  • user
    Marquard Imfeld 25.10.2023 um 13:33

    Die Redaktion von kath.ch befindet sich seit vielen Jahren auf bedenklich tiefem Niveau. Es ist eine Frechheit, dass sich dieses Portal mit «katholisch» bezeichnet.


    Die Redaktion von NZZ und Tamedia sind eingeladen, sich nach den kürzlich durchgeführten National- und Ständeratswahlen zu überlegen, ob sie ihre Leserschaft weiterhin mit eher linkslastigen Mainstream-Themen beeinflussen möchten. Es gibt für die NZZ Entwicklungs-Potential in Bezug auf Objektivität ihrer Artikel.

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    Ferdi23 25.10.2023 um 09:02
    "Rägebögeler" im Panikmodus? Die Wahlbeteiligung lag unter 50%... "Die machen ja sowieso was sie wollen..." Warum sich Sorgen machen?
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    Tobias Maier 24.10.2023 um 20:32
    Kath.ch befindet sich dramatisch im Sinkflug:
    Nicht einmal wohlfeile Polemik gelingt noch!