Caplutta Sogn Benedetg in der Surselva GR. (trevor.patt/flickr)

Hintergrundbericht

Einen Bei­trag für die Zukunft leisten

Seine Bau­ten sind spek­ta­ku­lär und ver­blüf­fend, unbe­rührt von Lau­nen und Moden. Die Men­schen kom­men zum Schauen, Beten oder Baden. Der Schwei­zer Archi­tekt Peter Zum­t­hor wird mor­gen 80 Jahre alt.

Es ist ein aufsehenerregender Museumsbau: Das Kolumba in Köln mit seiner hellen Fassade macht neugierig auf das, was in seinem Inneren gezeigt wird. Zugleich helfen einige Elemente bei der Spurensuche. Denn der Neubau bezieht Reste der im Krieg zerstörten spätgotischen Kirche Sankt Kolumba mit ein. Das Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln, entstand nach Plänen des Schweizer Architekten Peter Zumthor.
 


Die Werke des Star-Architekten fallen wegen ihrer Zurückgenommenheit auf, für manche ist es auch eine Strenge. Nicht weit vom Kolumba steht Zumthors verblüffende Bruder-Klaus-Kapelle in der Eifel: ein hoch aufragender Bau inmitten von Feldern, der auf den ersten Blick nicht an eine Kapelle denken lässt – im Innenraum aber eine spezielle Atmosphäre für Andacht, Gebet und Staunen offenbart. Ebenfalls von Zumthor stammen etwa die berühmten Therme Vals, das Kunsthaus in Bregenz und der Schweizer Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover.
 


In der Sendung «Sternstunde» des Schweizer Fernsehens1 erklärte Peter Zumthor, dass der katholische Kirchenraum eine seiner ersten architektonischen Erfahrungen war. Er erinnert sich an die Wallfahrten nach Mariastein, wo man nach einer langen Wanderung ankam und auf dem Platz vor der barocken Fassade der Kirche stand, dann die Kirche selbst mit ihrem gemalten Himmel und danach ging es die Felsentreppen hinunter in die Gnadenkapelle. «Das Schönste: der Mönchsgesang vorne im Chor.»

Der katholische Raum sei voller Emotionen, «voller emotionalem Gerümpel» und Kitsch, doch das liebe er. Was in der Architektur geschehe, habe nicht direkt mit dem Räumen und den Innenräumen zu tun; wenn er aber z. B. erlebe, dass in einer seiner Kapelle gesungen werde, freue es ihn, dass er dies durch seine Architektur ermöglicht habe.
 


Ein Blick nach Mechernich in der Eifel: Der fensterlose, fünfkantige «Betonklotz» der Bruder-Klaus-Kapelle wirkt wie eine Höhle in Zeltform. Sie hat eine Öffnung in der Spitze, durch die Licht und Regen in den Raum dringen können. Das Innere mit seinen ausgeköhlerten Baumstämmen für die zwölf Meter hohe Innenverschalung ist ein starker Kontrast zum Äusseren.

Der Bau ist dem heiligen Bruder Klaus gewidmet – Zumthor zufolge ist er der Lieblingsheilige seiner Mutter. Zum Dank für ein langes Leben wollte Hermann-Josef Scheidtweiler auf seinem Grund eine Kapelle errichten. Zumthor liess sich quasi für ein «Trinkgeld» darauf ein, wie er einmal andeutete. Und: Bei der Zusammenarbeit habe «alles gepasst».

Kapellen bezeichnete der Architekt einmal als «tolle Bauaufgabe». Ende der 1980er-Jahre schuf er auch die «Caplutta Sogn Benedetg» (Kapelle des Heiligen Benedikt) in der Surselva GR. Die Kapelle passt sich ihrer Umgebung an und ist aus Holz gebaut; das Sonnenlicht lässt sie je nachdem schwarz oder silbergrau erscheinen.
 


2011 erhielt er den Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken: für ein «herausragendes Gesamtwerk im Bereich humanen, nachhaltigen, metaphysisch sensiblen Entwerfens und Bauens».

Als der Architekt 2009 den Pritzker-Preis bekam, erklärte die Jury, seine Bauten hätten eine eindrucksvolle Präsenz. Zumthor werde weltweit für seine konzentrierte und sich treu bleibende Arbeit bewundert. Mit seinem Team entwickele er in seinem Büro Bauten, die unberührt seien von Launen und Moden. Er akzeptiere nur Projekte, für die er eine tiefe Affinität verspüre.

Zumthor selbst sagte einmal im Schweizer Fernsehen: «Ich bin kein Umsetzer.» Er begebe sich mit den Bauherren auf einen gemeinsamen Weg. Es sei schwierig, wenn ein Projekt scheitere: «Deswegen schaue ich sorgfältig, mit wem ich mich verbinde».

In diesem Gesamtwerk nimmt die Therme Vals im Schweizer Kanton Graubünden eine herausragende Stellung ein. Teils wird das Bad aus regionalem Quarzit als Zumthors Meisterwerk bezeichnet, das Baden dort inmitten hoher Berge wahlweise als «meditativ» oder auch «tief spirituelle Erfahrung» beworben.
 


Auf die Frage nach seiner grossen Leidenschaft antwortete Peter Zumthor 2017: «Innere Bilder, Stimmung vor Ort, gut hinhören, Misstöne heraushören, einen Beitrag für die Zukunft leisten. Vielleicht auch sichtbar machen, was in der Geschichte verborgen ist.»2

Peter Zumthor interessierte sich schon immer dafür, wie Materialien altern, denn seiner Meinung nach trägt der Alterungsprozess zur Schönheit der Gebäude bei. «Das ist wie bei den Menschen, die sollen auch schön altern.»3

 

Peter Zumthor wurde am 26. April 1943 in Basel geboren. Er lernte das Schreinerhandwerk, bevor er Kunstgewerbeschule Basel und am Pratt Institute in New York studierte. Von 1967 an arbeitete er in der Denkmalpflege des Kantons Graubünden.
Zumthor begann 1996 eine Tätigkeit als Professor an der Architekturakademie der italienisch-schweizerischen Universität in Mendrisio und lehrte auch an anderen Hochschulen. Im Jahr 2009 wurde er mit dem wichtigsten Architekturpreis, dem Pritzker-Preis, ausgezeichnet.

 


1 Sternstunde Philosophie (Wiederholung am 1. April 2023).
2 https://www.srf.ch/news/regional/graubuenden/peter-zumthor-star-architekt-hoere-ich-nicht-gerne, abgerufen am 18. April 2023.
3 https://www.espazium.ch/de/aktuelles/peter-zumthor-interview, abgerufen am 18. April 2023.


KNA/Redaktion


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