Davor Novakovic. (Bild: zVg)

Interview

Ent­we­der ist man zu behin­dert oder zu katholisch

1993 rie­fen die Ver­ein­ten Natio­nen den «Inter­na­tio­na­len Tag der Men­schen mit Behin­de­run­gen» ins Leben. Die­ser wird jeweils am 3. Dezem­ber began­gen. Noch immer sehen sich Men­schen mit Behin­de­run­gen Vor­ur­tei­len aus­ge­setzt und müs­sen im All­tag oft ver­meid­bare Hür­den über­win­den. «swiss​-cath​.ch» sprach mit Davor Nova­ko­vic, dem Grün­der des katho­li­schen Inter­netra­dios «Novaradio».

Herr Novakovic, Sie leiden seit Ihrer Geburt an einer schweren Behinderung. Welche Erfahrungen prägten Sie im Laufe Ihres Lebens am meisten?
Am stärksten spüre ich die Einschränkungen im täglichen Leben: Ich kann nicht überall hin, wo ich möchte, da die Zugänge oder Räume nicht behindertengerecht sind. Dies fing schon bei der Ausbildung an; damals gab es noch keine digitalen Ausbildungswege wie heute. Ich hatte aber Glück und konnte meine Ausbildung zum Journalisten via Fernstudium absolvieren. Selbstverständlich hatte und hat meine Behinderung auch Auswirkung in der Partnerschaft. Positiv hat sich meine Behinderung auf meinen Glauben ausgewirkt. Und als Mensch mit einer Behinderung habe ich als Journalist einen grösseren Blickwinkel.

Viele Menschen scheuen sich vor dem Kontakt mit Menschen mit Behinderungen, schlicht, weil sie unsicher sind, was sie sagen oder tun sollen. Hätten Sie konkrete Tipps?
Wir sind Menschen wie alle anderen auch. Wenn man das Gefühl hat, ein behinderter Mensch brauche Hilfe, nicht einfach hingehen und zu helfen versuchen. Vielleicht möchte oder braucht die Person keine Hilfe oder man schadet mehr, z. B. wenn man die Person falsch anfasst oder am Rollstuhl herumhantiert. Am besten einfach hingehen und fragen: Kann ich Ihnen helfen? Und: Wie kann ich Ihnen helfen. Und natürlich: Menschen mit Behinderungen nicht anstarren. Wie gesagt: Wir sind Menschen wie alle anderen auch.

Sie haben ein pointiert katholisch ausgerichtetes Internetradio gegründet. Weshalb?
Früher war ich beim Schweizer Radio tätig und machte auch katholische Sendungen auf Kroatisch bei einem Regionalradio. An den Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten kamen häufig theologische Fragen. Die Radios wollten aber nicht, dass zu viel über Religion gesprochen wird. Gleichzeitig konnte ich auch immer wieder Sendungen für «Radio Maria» gestalten, musste mich aber den Richtlinien des Radios anpassen. Aus diesen Gründen entschloss ich mich, selbst ein katholisches Radio zu gründen.

Woher nehmen Sie die Kraft für Ihr Engagement für den katholischen Glauben?
Die Kraft kommt aus meinem Glauben. Der Glaube an Gott ist die einzige Kraft, die wirklich hilft. Wenn man den Glauben mit der Arbeit verbinden kann, entsteht daraus eine schöpferische Kraft; ohne Glauben könnte man ein solches Projekt nicht schaffen. Er hilft mir auch bei meinem neuen Projekt: dem Verein «Vera fides». Ich musste feststellen, dass man über die Medien nur begrenzte Möglichkeiten hat, wenn es um kirchenpolitische Themen geht. Wir erhoffen uns, dass wir mit dem Verein mehr erreichen werden.

Wie reagieren die Verantwortlichen der Kirche (Bischöfe, Priester), wie reagiert das Kirchenvolk auf Ihr Radio?
Um ein Radio zu gründen, braucht es finanzielle Unterstützung. Ich habe mich in dieser Angelegenheit an das Dekanat Bern gewandt. Ich wurde auch zu einem Gespräch eingeladen. Doch bereits nach wenigen Minuten erhielt ich eine Absage: Ich sei zu katholisch. Sie wollten ein ökumenisches Radio.
Vor zwei Jahren wollte ich in der Adventszeit katholische Projekte vorstellen, die von Ehrenamtlichen durchgeführt werden. Hier erhielt ich ebenfalls von einem Verantwortlichen eine Absage, da wir zu katholisch seien.
Priester hingegen sind meistens offen für Interviews. Auch die Bischöfe Morerod und Bonnemain waren zu einem Interview bereit.
Vom sogenannten Kirchenvolk erhalte ich eigentlich immer positive Rückmeldungen. Oft höre ich auch von Organisationen, die ich für ein Interview anfrage, es bräuchte mehr Radios, die den katholischen Glauben verbreiten.

Wie kommt «Novaradio» finanziell über die Runden?
Zu Beginn habe ich alles selbst finanziert. Heute leben wir ausschliesslich von Spenden. Das bedeutet, dass wir keine grossen Sprünge machen können. Gerne hätten wir zum Beispiel das Studio ausgebaut, aber das liegt momentan nicht drin.

Wie erleben Sie als Behinderter die Katholische Kirche?
Leider nicht sehr positiv. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Kirche Behinderte als «Vorzeigeprojekte» missbraucht. Ein konkretes Beispiel: Ich wurde im Bistum Basel ausgewählt, an der zweiten Synodalen Versammlung teilzunehmen. Da ich aufgrund meiner Behinderung nicht lange sitzen kann, wollte ich nur teilweise teilnehmen. Dies wurde abgelehnt. Auf meine Bitte, online an der Versammlung teilnehmen zu können, erhielt ich zur Antwort, dass dies technisch nicht möglich sei. Wie bitte? Im Jahr 2023 soll es nicht möglich sein, digital an einer Versammlung teilzunehmen? Die Kirche sollte sozial sein – doch sobald man behindert oder «zu katholisch» ist, ist man unerwünscht.
 

Davor Novakovic leidet seit Geburt an Spinaler Muskelatrophie (SMA Typ III). Er ist Journalist und Theologe und gründete 2016 das katholische Internetradio Novaradio.

 


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Daniel Ric 30.11.2023 um 06:16
    Davor Novakovic ist ein wunderbarer Mensch, der für mich ein grosses Vorbild ist. Es gibt leider viele Katholiken, die zwar gute Ansichten zur Kirche haben, sich jedoch nicht für die Kirche einsetzen. Sie überlassen das Feld Menschen, welche zwar keine grosse Frömmigkeit aufweisen, jedoch mit voller Energie die Kirche nach ihren Vorstellungen verändern wollen, was seit Jahren einen Niedergang der Schweizer Kirche herbeiführt. Herr Novakovic wäre der erste, der seine Passivität durch seine Behinderung rechtfertigen könnte. Er tut es aber nicht, sondern setzt sich bewundernswert und voller Elan für eine authentische Kirche ein. Wenn es mehr Menschen wie Herrn Novakovic gäbe, würde die Kirche in der Schweiz anders aussehen.
    • user
      Marianne Baldinger-Lang 30.11.2023 um 14:34
      Danke für das interessante Interviews.